
Wahlkampf kann mühsam sein – auch vor der malerischen Kulisse am Karlsruher Schloss. Diese Erfahrung macht Zoe Mayer, Bundestagskandidatin der Grünen im Wahlkreis Karlsruhe-Stadt, am Samstagvormittag.
Der kulinarische Teil des geplanten Polit-Picknicks mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ricarda Lang fällt dem Regen zum Opfer. Obst und Getränke bleiben eingepackt, die am Schlossplatz ausgelegten Decken unbesetzt.
Der überwiegend harte Kern der Karlsruher Grünen findet sich zunächst unter einem Zelt ein. Immerhin ein paar Minuten bleibt es trocken. Rund ein Dutzend Menschen verfolgen Langs Rede über die aktuelle Lage in Afghanistan.
Ursprünglich wollten die beiden Politikerinnen über die Frauenpolitik in Deutschland sprechen. Wegen der schrecklichen Ereignisse am Hindukusch disponieren sie um.
Grüne Ricarda Lang kritisiert in Karlsruhe Regierung wegen Afghanistan
Lang, das jüngste Gesicht der Bundes-Grünen, nutzt ihren Auftritt am Schloss zur Abrechnung mit der Bundesregierung. „Afghanistan steht symbolisch für die reaktive Politik der Großen Koalition“, kritisiert die 27-Jährige. „Sie reagiert erst, wenn es schon zu spät ist.“
Hintergrund: Die Regierungsparteien hatten einen Antrag der Grünen zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte Ende Juni abgelehnt.
Dabei habe es bereits vor Wochen Warnungen vor einem schnellen Vormarsch der Taliban gegeben, so Lang. „Die Bundesregierung hat die Abwehr von Geflüchteten höher priorisiert als den Schutz der Menschen.“
Wir erleben ein totales Versagen der Bundesregierung.Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen
Sie schäme sich dafür, dass viele Frauenrechtsaktivistinnen nicht rechtzeitig aus Afghanistan gerettet worden seien. Zustimmendes Nicken im Publikum, als Lang der Regierung „totales Versagen“ vorwirft und den Rücktritt von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) fordert.
Europa attestiert die Schwäbin bei ihrem verregneten Gastspiel im Badischen eine „totale Strategielosigkeit und Handlungsunfähigkeit“. Die Abhängigkeit von den USA müsse aufhören.
Lang, frauenpolitische Sprecherin ihrer Partei, will für eine feministische Außenpolitik einstehen: „Wir müssen das Frauenrecht global schützen.“
Grüne machen in Karlsruhe Wahlkampf im Regen
Den öffentlichkeitswirksamen Bekundungen der Taliban, wonach Mädchen und Frauen in Afghanistan nicht benachteiligt werden sollen, traut sie nicht. „Sie haben bei der Öffentlichkeitsarbeit dazugelernt“, sagt Lang, „aber ich glaube ihnen kein einziges Wort.“
Ein Zuhörer meldet sich zu Wort. Warum es dem Westen nicht gelungen sei, in Afghanistan eine funktionierende Demokratie zu etablieren, will er wissen. „Wurde dort 20 Jahre lang geschlafen?“
Lang räumt ein, dass es sich dabei um ein „schwieriges Unterfangen“ gehandelt habe, sagt aber auch: „Es war ein Fehler, einer korrupten Regierung die Macht anzuvertrauen.“
Es ist auch wichtig, die eigenen Leute zu motivieren.Zoe Mayer, Grünen-Bundestagskandidatin aus Karlsruhe
Schließlich wendet sich Lang an Zoe Mayer, die Grünen-Fraktionssprecherin im Karlsruher Gemeinderat. „Wir brauchen mehr junge Frauen in der Politik“, so Lang. „Es würde mich freuen, künftig gemeinsam mit dir im Bundestag zu sitzen.“
Viele Wählerstimmen dürfte die 26-Jährige am Samstag nicht dazu gewonnen haben – fast leergefegt war der Schlossplatz. Dennoch sagt sie tapfer: „Es ist auch wichtig, die eigenen Leute zu motivieren.“ Und wenn es im Regen sein muss.