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Prozess im Amtsgericht

Serie von Rad-Diebstählen in Karlsruhe-Rüppurr entpuppt sich als planlose Verzweiflungstat

Ende Juli werden in Rüppurr zehn Fahrräder geklaut, die kurz darauf auf einem nahegelegenen Feld unversehrt entdeckt werden. Was als Bandendiebstahl angeklagt ist, endet mit einer Strafe und einem Freispruch.

ARCHIV - ILLUSTRATION - Ein Mann versucht am 14.09.2016 in München (Bayern) mit einem Bolzenschneider ein Fahrradschloss aufzubrechen (gestellte Szene). Fahrraddiebstahl hat die deutschen Hausratversicherer im vergangenen Jahr 120 Millionen Euro gekostet. Das ist die höchste Summe seit 1998, als der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die Summe erstmals ausrechnete. (zu dpa "Fahrraddiebstähle kosten Versicherer Rekordsumme" vom 12.06.2017) Foto: Andreas Gebert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Schnell geknackt: Bei der Serie von Rad-Diebstählen im Juli in Rüppurr wurde zum Teil ebenfalls ein Bolzenschneider verwendet. Foto: Andreas Gebert/dpa

Theater, Kino? Alles zu. Wer in diesen Tagen abseits von Netflix nach Unterhaltung sucht, dem bleibt noch der Weg ins Gericht. Vorteil: Dort werden Fälle aus dem echten Leben verhandelt. Das ist nicht immer rasanter Stoff und wer den manchmal etwas zähen Justiz-Alltag mit seinen auch tragisch-kleinen Geschichten erleben will, der wäre am Donnerstag im Saal 1.09 des Karlsruher Amtsgerichts richtig gewesen.

„Schwerer Bandendiebstahl“ stand dort auf dem Tagesprogramm, was erst spannend klang – sich im Laufe der Verhandlung unter Vorsitz von Richter Constantin Hofmann dann aber eher als eine traurige Verzweiflungstat zweier Drogenabhängiger entpuppte, die Ende Juli dieses Jahres am Rüppurrer Märchenring zehn Fahrräder stahlen.

Räder wurden im Gebüsch versteckt und schnell entdeckt

Die wurden bereits am Vormittag in einem wohl als Versteck dienenden Gebüsch am Rande des Wohngebiets unversehrt wiedergefunden, der Angeklagte S. wurde dort damals im Laufe des Tages auch festgenommen. Nun wurde der geständige 21-Jährige, der seither in Untersuchungshaft sitzt, von der Schöffenkammer wegen schweren Diebstahls in mehreren Fällen zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.

Staatsanwalt Robert-Christian Klee sprach in seinem Plädoyer zwar von einem „professionellen und gezielten Vorgehen“, was nach Ende der Beweisaufnahme aber eine eher erstaunliche Sicht der Dinge war. Frauke Nagel, die Verteidigerin des Angeklagten S., fasste es vielmehr so zusammen: „Die Drogen waren knapp, das Geld auch – so ist man losgezogen.“ Ihr Mandant hatte zuvor gestanden, mit einem Bekannten die zum Teil abgeschlossenen Räder mithilfe eines Bolzenschneiders entwendet zu haben. An viel mehr konnte er sich nicht erinnern. „Ich war unter Drogen, hatte drei Tage lang nicht geschlafen“, sagte der in Reutlingen wohnende Mann.

Offensichtlich zufällig in Karlsruhe-Rüppurr gelandet

Offensichtlich zufällig waren er und sein Kompagnon in Rüppurr gelandet, einen echten Plan hatte sie wohl kaum. Die Räder sollten gegen Drogen eingetauscht oder verkauft werden, berichtete S. Aber an wen und wo, darüber hatte er offensichtlich keine genauere Vorstellung. S. erhoffte sich nur frischen Stoff, eigener Aussage nahm er bis zu seiner Inhaftierung regelmäßig Marihuana, Amphetamine sowie Crystal Meth ein.

Von einer Bande – im juristischen Sinne ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen – war übrigens schon allein optisch im Saal nichts zu sehen: Der mutmaßliche Mittäter von S. in jener Nacht konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden. Und von den zwei Angeklagten fehlte zu Verhandlungsbeginn einer. Der 38 Jahre alte Beschuldigte P. musste von der Polizei vorgeführt werden, was zu einer 93-minütigen Verspätung führte, wie der geduldige Richter Hofmann vermerkte.

Zweiter Angeklagter wird freigesprochen

Erhellendes zum Tathergang konnte der Mann nicht liefern. Was weniger daran lag, dass er sich nicht äußern wollte. Sondern vielmehr daran, dass er nicht beteiligt war – zumindest nicht nachweislich. In Rüppurr tauchte der Fliesenleger am Nachmittag nach den Taten zwar auf, S. behauptete, dass er P. angerufen habe, damit er ihn abhole. Nach einem Streit mit seinem Diebes-Partner habe er nur noch weg und zurück nach Reutlingen gewollt. Als Transportmittel für die zehn Räder, die zu jenem Zeitpunkt längst wieder in den Händen ihrer Besitzer waren, eignete sich der Wagen von P. jedenfalls kaum: es war ein VW Golf. „Er war vor Ort. Aber das war es auch. Das ist das Einzige, was wir nachweisen können“, begründete Hofmann den Freispruch für P. Der Staatsanwalt hatte auf Beihilfe plädiert und eine neunmonatige Bewährungsstrafe.

Dass die Strafe für den wegen Diebstahls vorbestraften S. nicht zu Bewährung ausgesprochen wurde, begründete die Kammer auch mit einer Therapie-Zusage für den Beschuldigten in einer Tübinger Fachklinik. „Wir wollen sicher gehen, dass er sie antritt“, erklärte Hofmann. Seit August ist S. in den Händen der Drogenberatung, berichtete seine Verteidigerin. S. betonte vor Gericht, die Therapie unbedingt machen zu wollen, als Grundlage „für ein besseres Leben“. Vielleicht nimmt die Diebstahl-Geschichte vom Märchenring für S. ja doch ein gutes Ende.

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