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Das Finale der Filmsaga naht

Warum "Star Wars 9" der letzte große Blockbuster sein könnte

Als George Lucas 1977 mit "Star Wars" die Filmwelt aufmischte, war sein Weltraum-Abenteuer noch Pionierarbeit im Independent-Bereich. Durch kluges Marketing wurden die Abenteuer von Luke Skywalker & Co zur berühmtesten Saga der Filmgeschichte. Doch nun naht das wohl endgültige Finale, und es stellt sich die Frage: Was kommt danach? Nicht nur im Kosmos von "Star Wars", sondern auch in den Kinos?

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Auf ins letzte Gefecht: Rey (Daisy Ridley), die Heldin der aktuellen Trilogie, in einer Szene von "Der Aufstieg Skywalkers". Foto: Disney/tsch

Als George Lucas 1977 mit "Star Wars" die Filmwelt aufmischte, war sein Weltraum-Abenteuer noch Pionierarbeit im Independent-Bereich. Durch kluges Marketing wurden die Abenteuer von Luke Skywalker & Co zur berühmtesten Saga der Filmgeschichte. Doch nun naht das wohl endgültige Finale, und es stellt sich die Frage: Was kommt danach? Nicht nur im Kosmos von "Star Wars", sondern auch in den Kinos, wo in den vergangenen Jahren kaum Platz für neue Projekte neben Franchise-Reihen war.

Die Macht wird mit ihnen sein. Zumindest ein letztes Mal. Man dürfte wohl ohne Risiko versprechen, einen Wookiee zu fressen, wenn der kommende Woche startende „Star Wars“-Film „Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers“ nicht ein weltweiter Kassenknüller wird. Schließlich gilt die 1977 gestartete Saga als Mutter aller Franchise-Reihen, und was nun ansteht, ist nicht weniger als das große Finale. Um herauszufinden, was mit der neuen Heldengeneration um Rey, Finn und Poe Dameron geschieht und wie sich dies mit den Schicksalen der früheren Helden um Luke Skywalker zusammenfügt, werden selbst jene Fans, die von den Wendungen im Vorgänger „Die letzten Jedi“ wenig begeistert waren, wieder ins Kino pilgern.

Ob sich allerdings nochmal über Wochen hinweg solche Schlangen bilden wie damals im Mai 1977, als mit dem noch unnummerierten ersten Film (der später zu „Episode IV“ wurde) alles begann?

Oder wie 1999, als Mastermind George Lucas anfing, mit „Episode I“ die Vorgeschichte seines Oberschurken Darth Vader zu erzählen, und die Fans in Scharen vor den Kinos campierten, um auf den Starttag zu warten?

Der erste Film von 1977, für damals rund elf Millionen Dollar gedreht, spielte über 575 Millionen ein. Zum Vergleich: Um einen prozentual vergleichbaren Gewinn zu machen, hätte die rund 250 Millionen teure „Episode VIII“ über 13 Milliarden einspielen müssen. Erreicht hat sie, immerhin, ein Zehntel davon.

Wie der Mythos entstand

Aber worauf fußt dieser globale Hype überhaupt? Der US-Journalist Chris Taylor hat in seinem so unterhaltsamen wie erhellenden Buch „Wie Star Wars das Universum eroberte“ (Heyne, 768 Seiten, 14,99 Euro) die wichtigsten Gründe zusammengetragen.

Da ist zunächst die Story, die vertraut und zugleich frisch wirkte: Mit der Geschichte vom Farmerjungen Luke Skywalker, der sich unversehens zum Retter der Galaxis auserkoren sieht, verband George Lucas den uralten Erzählstoff einer Initiationsgeschichte mit bewährten Mythenmotiven (der weise Mentor, der finstere Schurke, die entführte Prinzessin).

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Wie alles begann: Luke Skywalker (Mark Hamill), Prinzessin Leia Organa (Carrie Fisher) und Han Solo (Harrison Ford) im ersten Film "Star Wars", der 1977 noch ohne Reihennummer und Untertitel erschien. Foto: Fox/dpa

Dann ist da die besondere Filmästhetik – und damit sind nicht nur die seinerzeit bahnbrechenden Spezialeffekte gemeint. Aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar ist beispielsweise, wie ungewöhnlich die ersten zehn Minuten von „Star Wars“ auf damalige Kinogänger gewirkt haben mussten.

Ohne den klassischen Vorspann, ohne lange Einführung und ohne klar erkennbare Hauptfiguren stürzte der Film sein Publikum mitten ins Geschehen, das sich für den unkundigen Zuschauer um spektakuläre Weltraumschlachten und zankende Roboter zu drehen schien. Und die immense Wirkung der markanten Filmmusik von John Williams trug ebenfalls dazu bei, das Phänomen „Star Wars“ im gesellschaftlichen Gesamtgedächtnis zu verankern.

Durchbruch mit Spielzeug

Aber all das wäre nach der Kinoauswertung verblasst und hätte möglicherweise nicht eine einzige Fortsetzung hervorgebracht, hätte Lucas nicht auf einen damals im Filmgeschäft kaum beachteten Geschäftszweig gesetzt: Als absehbar wurde, dass er das Budget überzogen würde, verzichtete er auf ein Zehntel seines ohnehin mageren Honorars von 150 000 Dollar (für Drehbuch und Regie) für die Zusage, die Hälfte der Merchandising-Einnahmen zu bekommen.

Kino-Merchandising hatte bis dahin nie funktioniert – Darth Vader & Co waren aber so gefragt, dass die Spielzeughersteller gar nicht hinterherkamen und zu Weihnachten 1977 sogar leere Pappschachteln als Gutscheine verkaufen konnten. „Star Wars“ wurde das erste Kinophänomen, das nicht nur ein paar Wochen oder Monate auf den Leinwänden präsent war, sondern auf unbegrenzte Zeit in den Kinderzimmern dieser Welt.

Und als Lucas eine weitere Konvention sprengte, indem er die Fortsetzung „Das Imperium schlägt zurück“ mit einem düsteren Cliffhanger enden ließ (der draufgängerische Han Solo wird eingefroren und an seinen Erzfeind ausgeliefert), waren die Kritiker zwar schockiert, die Zielgruppe aber begeistert: In den drei Jahren bis zum nächsten Film gab es noch mehr Grund, zu den Spielfiguren zu greifen um, wie sich Buchautor Chris Taylor erinnert, Han Solo „immer wieder und auf hundert verschiedene Arten zu retten.“

Viel Konkurrenz für die Pioniere

Aus heutiger Sicht ist „Star Wars“ eine Verwertungsmaschine unter vielen und muss sie sich den Folgen ihrer eigenen Innovation stellen – in den Spielzeugregalen, aber auch im Kino. Seit dem ersten Trilogie-Finale „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ galt „Star Wars“ lange als erfolgreichste Kinoreihe der Geschichte. 2008 begann die Wachablösung: Da startete der Comic-Konzern Marvel mit „Iron Man“ sein „Cinematic Universe“ und machte damit seit 2007 mehr als doppelt so viel Umsatz (nicht inflationsbereinigt gerechnet) als „Star Wars“ seit 1977.

Allerdings auch mit mehr als doppelt so vielen Filmen: 23 Abenteuer in elf Jahren, das sind im Durchschnitt zwei Filme pro Jahr. Diese Masse konnte nur funktionieren, weil die Macher auch auf Klasse achteten: Es wurden stets Top-Regisseure und namhafte Schauspieler verpflichtet, und die große Vielfalt der Figuren erlaubte genug Abwechslung im Immergleichen.

Ende der Fahnenstange?

Doch auch hier scheint nun ein Gipfel erreicht. Zwar haben die Produzenten im wahrsten Wortsinn einen Fünf-Jahres-Plan, der weitere Marvel-Filme bereits terminiert. Doch so sehr es sich ausgezahlt hat, über elf Jahre hinweg konsequent auf den großen Showdown-Film „Avengers: Endgame“ hinzusteuern, der seit vergangenem Frühjahr die Rekordsumme von über 2,7 Milliarden Dollar eingespielt hat, so schwer vorstellbar ist es, dass sich mit neuen, aber ähnlichen Storybögen noch einmal ein vergleichbarer Hype entfachen lässt.

Und ob sich ein anderes Massenphänomen entwickeln wird, ist noch völlig offen. Denn im Kino hat der Erfolg der Marvel-Filme im vergangenen Jahrzehnt fast alles an den Rand gedrängt, was nicht zu einem bereits etablierten Franchise gehört. Und selbst diese sind nicht mehr sicher: Monatelang wurde in diesem Jahr die Werbetrommel für den neuen „Terminator“-Film gerührt, der erstmals seit 1991 die damaligen Stars Arnold Schwarzenegger und Linda Hamilton wieder gemeinsam auf die Leinwand brachte. Doch der Film floppte.

Trübe Aussichten für 2020

Wird „Der Aufstieg Skywalkers“ also möglicherweise der letzte Film, den wir alle (na gut, bestimmt nicht alle, aber doch generationenübergreifend viele) mehr oder weniger gemeinsam im Kino anschauen? Über den auf Schulhöfen, in Kantinen und Kneipen noch analog geredet wird statt nur in Chatrooms und YouTube-Kommentaren? Was ist für den Kinobetrieb zu erwarten, wenn nach dem Frühjahr 2020 dann auch „Bond 25“ durch ist, mit dem Daniel Craig die Lizenz zum Töten definitiv an den Nagel hängen will?

Es spricht Bände, dass der andere bereits heftig für 2020 beworbene Film eine Fortsetzung von „Top Gun“ ist, für die sich Tom Cruise 30 Jahre nach dem Erfolgsfilm als 57-Jähriger nochmal ins Cockpit setzt. Die Branche setzt auf Fortsetzungen und Neuaufgüsse bekannter Stoffe. Im nun ablaufenden Kinojahr war Quentin Tarantinos „Es war einmal … in Hollywood“ der einzige Erfolgsfilm, der ein Originalstoff war und nicht als Teil einer Reihe vermarktet wurde.

Das Aus von "New Hollywood"

In gewisser Weise ist die Generation „New Hollywood“, zu der George Lucas gehört, nun in der gleichen Situation wie jene Altvorderen, die sie einst beerbte: In den späten 1960ern und frühen 1970ern pusteten junge Regisseure wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Steven Spielberg und eben Lucas den Staub vom eingefahrenen Studiosystem und dessen festgerosteten Mechanismen.

Aus Erfolgen wie Scorseses „Taxi Driver“ Coppolas „Apocalypse Now“, Spielbergs „Der weiße Hai“ und natürlich „Star Wars“ entwickelten sich aber erneut Mechanismen. Dass die mittlerweile nur noch um sich selber kreisen, zeigen die zunehmend verzweifelten Versuche der Branche, Stoffe aus den 80er Jahren neu zu platzieren, von „Ghostbusters“ bis eben „Terminator“.

Netflix zielt auf „Oscars“

Und wie in den 70ern zeichnet sich eine Wachablösung ab durch eine neue Bewegung, der sich ironischerweise mit Martin Scorsese ein Altmeister des New Hollywood bereits angeschlossen hat: Dessen dreieinhalbstündiges Mafia-Epos „The Irishman“ mit Altstars wie Robert DeNiro, Al Pacino und Joe Pesci wurde nicht fürs Kino produziert, sondern vom Streaming-Platzhirsch Netflix. Der wirbt derzeit in YouTube-Clips auch nicht mehr für neue Serien – jenes Format, das filmisches Erzählen neu definiert und die Streamingdienste groß gemacht hat – sondern für „großes Kino bei dir zuhause“.

Erst ein Jahr ist es her, dass Netflix die Branche staunen ließ, indem es einen dreistündigen Schwarzweißfilm des Mexikaners Alfonso Cuarón produzierte. Dann wurde „Roma“ für zehn Oscars nominiert und gewann drei davon – für die beste Regie, den besten fremdsprachigen Film und die beste Kamera.

Die Oscar-Nominierungen für 2020 stehen zwar noch aus. Aber man braucht keine Kristallkugel, um einen Siegeszug der Streamingdienste zu prognostizieren: Bei den Golden-Globes-Nominierungen ist Netflix mit 17 Nominierungen im Rennen – in der Königskategorie „Bestes Drama“ stellt der Streamingdienst mit „The Irishman“, „Marriage Story“ und „The Two Popes“ sogar drei der fünf Kandidaten.

Den Grund für den Seitenwechsel brachte Martin Scorsese nüchtern auf den Punkt: Beim Studio Paramount, das unter anderem seinen Film „The Wolf of Wall Street“ finanziert hatte, fand er keine Zusage für sein 160-Millionen-Budget. „Wir mussten einen teuren Film machen“, sagte Scorsese dem US-Branchenblatt „Variety“ und führte aus: „Das Filmgeschäft ändert sich von Stunde zu Stunde – nicht unbedingt zum Besseren – und viele Stellen, die wir früher um Geld gefragt hätten, waren nicht mehr praktikabel.“

Zeichen für einen Machtwechsel

Der Wandel der Machtverhältnisse in der Filmbranche zeigt sich aber nicht nur an den 160 Millionen Dollar, die Neflix locker machte, um Scorseses Altstars für seine 40 Jahre umfassende Geschichte digital verjüngen zu lassen. Noch deutlicher wird er beim Weg von David Benioff und D. B. Weiss: Die Köpfe hinter der Erfolgsserie „Game of Thrones“ waren erst im Februar 2018 vom Disney-Konzern für eine komplette neue „Star Wars“-Filmtrilogie verpflichtet worden. Vor wenigen Wochen nun wurde bekannt: Wegen eines über mehrere Jahre laufenden Deals mit Netflix, der angeblich 250 Millionen Dollar bringt, löste das Duo den Vertrag mit Disney wieder auf.

Wenn aber selbst die Gelddruckmaschine „Star Wars“ finanziell mit den Streamingstudios nicht mithalten kann – was bedeutet das für Kino der Zukunft? Wird es das, was das Stadion mittlerweile für den Fußball geworden ist – ein nostalgischer Ort der Begegnung einiger hundertprozentiger Fans, dessen Produkt aber eigentlich für die weltweite Simultan-Vermarktung im Netz hergestellt wird?

Eine Hoffnung bleibt: Vielleicht entsteht durch das Auslaufen der großen Reihen, die im vergangenen Jahrzehnt kaum Luft neben sich ließen, auch auf der großen Leinwand wieder Raum für Neues. Schließlich hatte bis zur Kinopremiere von „Star Wars“ kein Mensch – nicht einmal George Lucas selbst – damit gerechnet, dass aus dieser munteren Vermischung bekannter Mythen selbst ein globaler Mythos werden würde.

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