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Nabu zieht vor Gericht

„An Dreistigkeit nicht zu überbieten“: Stadt Bretten fällt 39 Streuobstbäume

Arbeiter sind mit Kettensägen zugange, da trifft eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ein: Die Fällarbeiten in Bretten-Gölshausen müssen vorerst gestoppt werden. Zu dem Zeitpunkt steht nur noch ein Apfelbaum.

Zu spät: Diesen Baum können Nabu-Ortsgruppenvorsitzender Norbert Fleischer (links) und Landesvorsitzender Johannes Enssle nicht mehr retten. Enssle schätzt, dass der Baum 150 Jahre alt war.
Zu spät: Diesen Baum können Nabu-Ortsgruppenvorsitzender Norbert Fleischer (links) und Landesvorsitzender Johannes Enssle nicht mehr retten. Enssle schätzt, dass der Baum 150 Jahre alt war. Foto: Catrin Dederichs

39 Bäume hat die Stadt Bretten auf einer Streuobstwiese in Gölshausen fällen lassen. Eigentlich sollten es 40 sein. Den letzten bewahrte Johannes Enssle vor der Kettensäge. Zumindest vorerst. Er stellte sich vor den Apfelbaum und blockierte dadurch die Arbeiten, bis die Sonne unterging.

Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, was sich Bretten und das Landratsamt da leisten.
Johannes Enssle, Vorsitzender Nabu Baden-Württemberg

Enssle ist Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Baden-Württemberg. Aus Schwäbisch Hall kam er, um die Bäume in Bretten zu retten. Die Rodungen bezeichnet Enssle als unfair. „Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, was sich Bretten und das Landratsamt da leisten“, sagt er.

Stadt will laut Oberbürgermeister Martin Wolff das Gewerbegebiet Gölshausen erweitern

Die Stadt braucht die Wiese nach Worten von Oberbürgermeister Martin Wolff (Freie Wähler), um das Gewerbegebiet Gölshausen zu erweitern. Laut Gesetz dürfen Streuobstwiesen jedoch nur in Ausnahmefällen gerodet werden. Die Genehmigung dazu erteilte das Landratsamt Karlsruhe (LRA).

Nabu-Mann Enssle kritisiert das. Insbesondere, weil die Wiese durch alten Baumbestand sehr wertvoll und Wohnstube etlicher Tiere sei. In Gölshausen lebten unter anderem stark geschützte Fledermäuse, Mittelspechte und der Gartenrotschwanz.

Es kann nicht sein, dass die Kommunen, wenn sie rufen, jede Genehmigung kriegen. Mitnichten sind das Ausnahmen, sondern eher die Regel.
Johannes Enssle, Vorsitzender Nabu Baden-Württemberg

„Es kann nicht sein, dass die Kommunen, wenn sie rufen, jede Genehmigung kriegen“, sagt Enssle und betont: „Mitnichten sind das Ausnahmen, sondern eher die Regel.“

Jörg Menzel, Umweltdezernent beim LRA, sieht das anders. Zwar sei unstrittig, dass diese Wiese besonders schützenswert ist. Aus Sicht des LRA sei der Antrag der Stadt aber „eindeutig rechtens“. Unter anderem deshalb, weil die Stadt an anderer Stelle eine neue Streuobstwiese pflanzt.

Gegen die Genehmigung hatte der Nabu Widerspruch eingelegt. Der Baumfäller-Trupp durfte deshalb zunächst nicht anrücken.

Bretten stellt Antrag auf Sofortvollzug

Die Gemeinde stellte daraufhin einen Antrag auf Sofortvollzug, wie Menzel sagt. „Wir haben den Antrag geprüft. Das Ergebnis lautete, dass wir stattgeben können.“ Der Widerspruch selbst ist laut Enssle aber noch nicht endgültig geklärt.

Dennoch war es Anfang der Woche soweit. Die Baumfäller leisteten ganze Arbeit, mit Ausnahme des einen Baums. Besonders ärgert Enssle, dass der Nabu so spät informiert wurde: „Ich finde es perfide, dass die Bagger an dem Tag anrollen, an dem wir den Bescheid bekommen.“

Er vermutet daher, dass die Gemeinde das Okay schon früher hatte. „Wenn man solch eine Firma beauftragt, dauert das normalerweise Wochen“, meint Enssle.

Dass der Nabu an Bretten ein Exempel statuieren will, halte ich für weit überzogen.
Martin Wolff, Oberbürgermeister

OB Wolff sagt dazu, dass die Stadt am vergangenen Freitag den Bescheid erhalten habe. Die beauftragte Firma habe auf Abruf gestanden. „Aber wir hätten auch unseren Bautrupp losschicken können“, betont der Brettener Rathauschef.

Die Aufregung der Naturschützer könne er indes nicht nachvollziehen. „Dass der Nabu an Bretten ein Exempel statuieren will, halte ich für weit überzogen“, so Wolff.

Einsatz mit der Kettensäge: Vor Ort entfernen die Arbeiter die Äste der Obstbäume.
Einsatz mit der Kettensäge: Vor Ort entfernen die Arbeiter die Äste der Obstbäume. Foto: Catrin Dederichs

Für das Gewerbegebiet gibt es nach Wolffs Worten bereits ausreichend Interessenten expansionswilliger Brettener Unternehmen. Und alternative Flächen gebe es keine in der Stadt.

„Ich will nicht, dass uns die Firmen davon marschieren. Die Gewerbesteuer ist eine unserer Haupteinnahmequelle – und von irgendwas müssen wir leben“, erklärt der OB.

Stadt will sofort mit der Erschließung der Streuobstwiese beginnen

Mit solch schwerem Gerät sind die Arbeiten in Gölshausen in einem Tag erledigt.
Mit solch schwerem Gerät sind die Arbeiten in Gölshausen in einem Tag erledigt. Foto: Catrin Dederichs

Nach der Rodung wollte die Stadt „im Prinzip sofort“ mit der Erschließung beginnen. Dieses Vorhaben scheitert allerdings nicht nur an dem einen Apfelbaum.

Vielmehr hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf Eilantrag des Nabu am Abend des Rodungstages die Arbeiten gestoppt, wie Enssle sagt: „Wir haben gesagt, es ist doch ein Widerspruch am Laufen und die Stadt schafft schon Fakten. Unser Recht wird damit mit Füßen getreten.“

Nun ist wieder das LRA an der Reihe und muss eine Stellungnahme abgeben. Laut Menzel will das Gericht noch vor Weihnachten eine Entscheidung fällen. Damit ist der Nabu dort, wo er hinwollte. „Bevor so etwas Schule macht, wollen wir klären, wer das Gesetz falsch versteht: wir oder das Landratsamt“, sagt Enssle.

Für die Stadt Bretten eilt das Verfahren. Nach Wenzels Worten müssen sämtliche Fällarbeiten bis Februar erledigt sein. Danach ist zum Schutz der Tiere erst einmal Schluss.

Sollte sich der Streit bis da hinziehen, dürfte die Stadt erst im Oktober 2023 weitermachen.

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