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Geöffnet für Besucher

Jüdischer Friedhof in Bruchsal: „Wir müssen immer wieder an das Vergangene erinnern“

Zum europäischen Tag der jüdischen Kultur öffnet der jüdische Friedhof seit Jahren seine Pforten für Besucher. 1.800 Grabsteine wurden in der NS-Zeit entwendet und in Hohlwegen verbaut.

Jüdischer Friedhof Bruchsal
Lore Wermuth vom Heimatverein Untergrombach (Mitte) berichtet Besuchern vom Taharahaus auf dem jüdischen Friedhof in Bruchsal. Zahlreiche Gruppen erkundeten beim europäischen Tag der jüdischen Kultur das Gelände und dessen Geschichte. Foto: Nicole Jannarelli

Die Bäume hüllen diesen Ort der Trauer in ein kühles Grün. Und sie sind ein Zeichen der Zeit. Denn auf Fotos, die den jüdischen Friedhof in Bruchsal in seinem ursprünglichen Zustand zeigen, ist von ihnen noch kaum etwas zu sehen. Doch die Bilder geben noch viel mehr preis: welche Schändung der Friedhof durch die Nazis erfahren hat.

Grabsteine in Hohlwegen in Bruchsal und Obergrombach verbaut

Am europäischen Tag der jüdischen Kultur hat am Sonntag auch der jüdische Friedhof auf dem Bruchsaler Eichelberg seine Tore für Besucher geöffnet. Mit dem Stichwort „Erinnerung“ sind alle Veranstaltungen überschrieben. Den Rundgang in Bruchsal organisieren Heimatverein Untergrombach und Stadt Bruchsal gemeinsam, schon seit gut 20 Jahren machen die Verantwortlichen beim Gedenktag mit.

„Wir müssen immer wieder an das Vergangene erinnern. Das ist der einzige mögliche Weg“, sagt Barbara Lauber. Die Ortsvorsteherin von Untergrombach nimmt die zahlreichen Besucher am Eingang in Empfang. Vier Stationen warten auf die Gruppen, die jeweils eine Stunde unterwegs sind. Gemäß der Tradition tragen Männer eine Kopfbedeckung auf dem jüdischen Friedhof. Dafür halten die Veranstalter für den Bedarf Kippas bereit.

Die Bilder aus vergangenen Tagen zeigt Steffen Maisch. Er berichtet an einer Station über die Gestaltung der Grabsteine und deren Symbolik. „Die Grabsteine werden sich selbst überlassen. Grabpflege ist nicht vorgesehen.“ Auch wenn, wie in Bruchsal, inzwischen dicke Baumstämme einigen Grabsteinen den Platz streitig machen.

Statt vieler Grabsteine, wie auf Maischs Fotos, findet man beim heutigen Blick vor allem freie Flächen. Rund 1.800 von 2.500 Grabsteinen haben Nazis 1938 umgeworfen und ein Jahr später entwendet. Sie wurden zum Bau von Wasserrinnen in Hohlwegen missbraucht.

Wie die Grabfragmente auf den jüdischen Friedhof zurückkehrten

Allein das ist schon ein Frevel. Doch wenn man die jüdischen Bestattungsriten kennt, wird die Tragweite noch größer. Für Juden besteht ein Grab für die Ewigkeit. Und: Stein und Grab sind im jüdischen Glauben untrennbar miteinander verbunden. „Gott ruft die Gläubigen bei ihrem Namen. Auch deshalb hat die Schändung eine schlimme Wunde bei jüdischen Gläubigen gerissen“, so Adam.

Und damit stellte der Fund der Grabsteine die Glaubensgemeinschaft vor eine Herausforderung, die an einer Stelle auf dem jüdischen Friedhof besonders sichtbar wird. Darüber berichtet Thomas Adam, Leiter der Abteilung Kultur bei der Stadt Bruchsal, im neuesten Teil des fast 160 Ar großen Geländes.

Entstanden ist der Friedhof bereits im Dreißigjährigen Krieg

Fragmente von rund 800 Platten, die 1998 am Unteröwisheimer Weg in Bruchsal entdeckt wurden, hat man dort zu einem Hügel aufgeschüttet. Die Grabsteine, die am besten erhalten sind, an Stelen angebracht. Die Fläche hatte man eigens für diesen Gedenkort zugekauft. Gut zehn Jahre zuvor ging der damalige Rabbiner noch anders vor. Ebenfalls rund 800 Grabplatten aus der Obergrombacher Hohle hat man damals in langen Reihen auf das Gelände gelegt. Eine Zuordnung zu ihren früheren Plätzen war jedoch nicht mehr möglich.

Jüdischer Friedhof Bruchsal
Von Moos überwachsen und von Efeu umrankt sind diese Platten auf dem jüdischen Friedhof auf dem Bruchsaler Eichelberg. Sie wurden von den Nazis geschändet und als Einbauten in Hohlwegen missbraucht, bis sie wiedergefunden wurden. Foto: Nicole Jannarelli

Das Friedhofsgelände auf dem Eichelberg befindet sich nahe dem Bundeswehrgelände und der dortigen Schießanlage. Es gehörte früher zu Obergrombach, heute liegt eine Hälfte auf Untergrombacher Gemarkung. Entstanden ist es bereits während des Dreißigjährigen Krieges. Als Verbandsfriedhof diente er für die Bestattung von Juden aus rund 20 Gemeinden zwischen Pforzheim und Hagenau, wie Lore Wermuth unter anderem berichtet. Sie nimmt die Besucher dort in Empfang, wo früher das Taharahaus entstand. Es diente der Leichenwäsche. Am Friedhof in der Bruchsaler Kernstadt befindet sich auch eine jüdische Ruhestätte. Dort ist das Taharahaus noch erhalten.

Untergrombacher Familie Meerapfel mit einer bewegten Geschichte

Am Ende des Rundgangs berichtet Martin Lauber, Vorsitzender des Heimatvereins, exemplarisch von der Untergrombacher Familie Meerapfel. Ihr ist es gelungen, sich und auch ihr Unternehmen vor den Nazis zu retten. Allein deshalb blickt die Familie auf eine fast 200-jährige Tradition im Handel, Vertrieb und Anbau von Tabak zurück. Die Meerapfel-Zigarren gehören zum Premium-Segment. Das Unternehmen sitzt in Brüssel.

Die jüngste Bestattung auf dem jüdischen Friedhof liegt mehr als zehn Jahre zurück. 2011 fand Heller Meerapfel dort seine letzte Ruhestätte. Ein Mann mit bewegter Lebensgeschichte. So soll er in Kuba mit Che Guevara, damals Industrieminister, verhandelt haben: Es ging um die Ausfuhr von Manuskripten des amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway.

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