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Bilanz nach sieben Jahren

Starthilfe ins Berufsleben: Förderprogramm „Justiq“ in Bruchsal geht zu Ende

„Jugend stärken im Quartier“ heißt ein EU-Förderprogramm, das nach sieben Jahren in Bruchsal nun zu Ende gegangen ist. Um Starthilfe ins Berufsleben ging es im Kern, die Probleme der Jugendlichen reichen jedoch viel tiefer.

Mitwirkende Projekt Jugend stärken im Quartier Bruchsal
Dass Sozialträger und Institutionen bei Jugend stärken im Quartier zusammengearbeitet haben, war ein Vorteil des EU-Projekts in Bruchsal. Foto: Nicole Jannarelli

Karin Meinzer-Bauer bietet Perspektiven, wenn es keine mehr zu geben scheint, gibt Halt und hat ein offenes Ohr.

Die städtische Sozialarbeiterin gehört zu denjenigen, die das Projekt „Jugend stärken im Quartier“ (Justiq) in Bruchsal mit Leben gefüllt hat.

Die bei einem jugendlichen Schulverweigerer am Bett saß und mit ihm einen Weg zurück in die Gesellschaft, ins Leben fand. Heute macht er eine Ausbildung, berichtet Meinzer-Bauer.

600 Jugendliche in sieben Jahren in Bruchsal betreut

Jugendliche und junge Erwachsene ohne Perspektive, mit schulischen, psychischen oder Drogenproblemen, ohne familiären Halt, sie standen im Fokus des Förderprogramms.

Dafür wurde ein Netzwerk gebildet, zu dem unter anderem Lebenshilfe, Diakonie, der Landkreis Karlsruhe, die Stadt Bruchsal, die Musik- und Kunstschule sowie die Bürgerstiftung gehörten. Nach sieben Jahren EU-Förderung ist dieses Projekt gerade zu Ende gegangen.

Ein Überblick über die wichtigsten Zahlen gab Lara Waterstraat von der städtischen Koordinierungsstelle bei der Abschlussveranstaltung im Rathaus. Insgesamt konnten rund 600 Jugendliche betreut werden.

Größter Bedarf habe bei den 16- bis 19-Jährigen bestanden. Bei einer Fördersumme von rund 1,1 Millionen Euro aus dem europäischen Sozialfond seien damit rund 1.800 Euro pro Teilnehmer ausgegeben worden. Ein Bruchteil, so Waterstraat, von den Summen, die ohne diese Betreuung womöglich für den Sozialstaat angefallen wären.

Bis zum Start viel Bürokratie

Aufsuchende Sozialarbeit, Berufsberatung oder ein Theaterprojekt an der Musikschule – auf vielen Wegen wollte man die Zielgruppe erreichen und fördern.

Der Weg zum „Herkulesprojekt“, wie Bruchsals Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos) sagte, war mit einem „wahnsinnigen bürokratischen Aufwand“ verbunden. Doch das habe sich gelohnt: „Alle Beteiligten konnten sich mit ihren Möglichkeiten einbringen.“ So sei ein engmaschiges, tragendes Netz aufgebaut worden.

Ohne Ihre Hilfe würde ich heute nicht da sein, wo ich stehe.
Justiq-Teilnehmer aus Bruchsal

Dass dieses Netz über den Projektzeitraum bestehen bleibt, wünschen sich alle beteiligten Stellen. Ihnen geben die Eindrücke von Jugendlichen Recht, die Waterstraat an Stellwänden gesammelt hatte.

„Ohne Ihre Hilfe würde ich heute nicht da sein, wo ich stehe“, schreibt ein Teilnehmer. Justiq sei „genau die richtige Hilfe in der damaligen Situation“ gewesen. Jemand anderes schreibt: „Ich bin froh, Frau Meinzer-Bauer getroffen zu haben und sie als große Stütze zu haben“. Ganz konkret ist diese Aussage: „Ich habe nach 5 Jahren Arbeitsamt wieder ins Berufsleben gefunden.“

Das Projekt habe sich zu einer „gelebten Berufsberatungsagentur“ entwickelt, befand Sozialdezernentin Margit Freund vom Landkreis Karlsruhe. Positiv sei, dass aus dem Förderprogramm heraus Stellen verstetigt werden könnten in Bruchsal. Bis zum Beruf ist es jedoch für viele Betroffenen ein weiter Weg.

„Manche der Jugendliche begleite ich seit Projektbeginn im Jahr 2016“, sagt Meinzer-Bauer. Viele hätten negative Erfahrungen mit Institutionen gemacht, etwa mit dem Jobcenter. Andere litten unter dem hohen Druck aus dem Elternhaus. „Ich möchte das Selbstwertgefühl der jungen Frauen und Männer stärken.“ Meinzer-Bauer zeigt ihnen, dass nicht alles verloren ist, wenn man scheitert.

Aus der Obdachlosigkeit in die Ausbildung

Mateja bringt es auf den Punkt: „Ich wusste sonst nicht, wen ich hätte fragen können“. Der 17-jährige Schüler war bereit, bei der Abschlussveranstaltung über sich zu berichten. Mit 15 Jahren kam er aus Serbien nach Bruchsal, und dank Justiq ist er seinem Wunsch nach einer Ausbildung „im Büro“ näher gekommen. Er schaffte besser den Übergang von der Vorbereitungsklasse zum Deutsch lernen in eine weiterführende Schule. In einem Jahr wird er seinen Realschulabschluss machen.

In Matejas Fall war es die Schulsozialarbeiterin, die den Jugendlichen zum Förderprogramm brachte. Bei Karin Meinzer-Bauer entsteht der Kontakt inzwischen häufig über Mund-Propaganda durch Freundinnen und Kumpels. Ihre Erfahrung ist: „Wenn jemand sich traut, mit mir Kontakt aufzunehmen, dann muss man dieses Zeitfenster nutzen.“

Sonst könnte es passieren, dass der Jugendliche sich entmutigt zurück ziehe. So hat sich der erste Schritt einer jungen Frau gelohnt. Schnell konnte ihr aus der Obdachlosigkeit geholfen werden. Inzwischen lebt sie in geregelten Verhältnissen und hat eine Ausbildung begonnen.

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