Skip to main content

Warnung vor Einsturzgefahren

Wie ein Sicherungssystem Baden-Badener Einsatzkräfte schützt

Das Technische Hilfswerk in Baden-Baden verfügt über ein spezialisiertes Team, das mit speziellen Messgeräten minimale Bewegungen von Gebäudeteilen bemerkt. Die Baden-Badener waren damit unter anderem nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs gefordert.

Nach dem Brand in der Altstadt von Konstanz bringt THW-Helfer Tobias Schäfer die Spiegelprismen des ESS-Geräts an einem einsturzgefährdeten Haus an.
Nach dem Brand in der Altstadt von Konstanz bringt THW-Helfer Tobias Schäfer die Spiegelprismen des ESS-Geräts an einem einsturzgefährdeten Haus an. Foto: THW

ESS (Einsatzstellen-Sicherungssystem) – dieses Kürzel steht für ein System, das dazu dient, Einsatzstellen zu überwachen und die Rettungskräfte des Technischen Hilfswerks (THW) vor Gefahren zu warnen. „Das THW Baden-Baden hat als einziger Ortsverband in der Region einen ESS-Trupp, der unter anderem bei Gebäudeeinsturz zum Einsatz kommt“, erklärt THW-Ortsbeauftragter Michael Claus.

Baden-Baden zählt damit zu den fünf ESS-Trupps in Baden-Württemberg und zu den insgesamt 46 in Deutschland. Das ESS-Gerät wurde erstmals im Januar 2006 beim Einsturz einer Eissporthalle in Bad Reichenhall eingesetzt, als Schneemassen das Dach zum Einsturz brachten und Menschen verschütteten.

Weitere einsturzgefährdete Gebäudeteile erschwerten die Rettungsarbeiten. Dank dem ESS wussten die THW-Helfer, wann sie die Einsatzstelle verlassen mussten, um nicht selbst verschüttet zu werden.

Das Gerät der Baden-Badener misst Bewegungen und schlägt Alarm

Das ESS besteht im Wesentlichen aus einem Tachymeter, einem Stativ und einem Rechnersystem mit Datenübertragung über Funk oder Kabel. Es erkennt frühzeitig kleinste Veränderungen durch Messung der Bewegungen, die häufig so minimal sind, dass sie mit bloßem Auge gar nicht wahrzunehmen sind.

Drohen Gebäudeteile einzustürzen, werden die statischen Schwachstellen farblich gekennzeichnet und nummeriert. Sie dienen über Spiegelprismen als Messpunkte, die in den Computer eingegeben und gespeichert werden.

Somit kann das ESS mit Hilfe eines Lasers die gefährdeten Bereiche permanent und automatisch überwachen. Durch eine dreidimensionale und millimetergenaue Messung erkennt das System Veränderungen, beispielsweise in einer Wandstruktur, sofort.

„Sobald die Daten abweichen und außerhalb eines vorgegebenen Toleranzbereichs liegen, ertönt ein Alarmsignal, um die Rettungskräfte zu warnen“, führt Michael Claus aus, hauptberuflich Lehrer und seit 39 Jahren ehrenamtlich beim THW.

In bisher allen Fällen konnten unsere Rettungskräfte durch das ESS-Gerät gezielt eingesetzt und geschützt werden.
Michael Claus
THW-Ortsbeauftragter

Mit ihrem ESS halfen die Baden-Badener unter anderem beim teilweisen Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 oder beim Brand der Altstadt in Konstanz im Jahr 2010. Auch jüngst bei dem Großbrand in Gernsbach-Reichental war das THW Baden-Baden gefragt.

„In bisher allen Fällen konnten unsere Rettungskräfte durch das ESS-Gerät gezielt eingesetzt und geschützt werden“, betont Claus.

Ein weiteres Einsatzgebiet für das ESS ist die Erkundung von hochwassergefährdeten Bereichen. Schnell können Straßenzüge oder auch ganze Ortschaften auf ihr Höhenprofil untersucht werden. So erkennen die Einsatzkräfte, wo das Hochwasser zuerst ankommen wird, und können ihre Arbeiten entsprechend planen.

Das THW Baden-Baden sucht Baufachleute für seinen ESS-Trupp

Doch das beste ESS-Gerät nützt nichts, wenn es zu wenig Helfer gibt, die es bedienen können. „Deshalb suchen wir dringend noch Ehrenamtliche mit grundlegenden Fähigkeiten im Vermessungswesen“, so Claus.

Wie das Gerät aufgebaut und gehandhabt wird, kann im Rahmen der Fachausbildung im THW erlernt werden. Doch für die Interpretation und Bewertung der Messwerte sei berufliches Wissen aus dem Hochbau wichtig.

Deshalb sind Baufachleute wie Ingenieure oder Meister aus dem Baugewerbe gefragt. „Gerade dieses Aufgabengebiet wird zunehmend durch andere Hilfsorganisationen angefragt“, bekräftigt Michael Claus. Auch Frauen könnten sich im THW engagieren und seien willkommen.

Anreize für die ehrenamtliche Tätigkeit im THW sind unter anderem Kameradschaft, Teamgeist und Erfahrungen, die privat oder im Beruf nützlich sind. „Außerdem erfahren unsere Helfer viel Wertschätzung, was nicht in allen Ehrenämtern selbstverständlich ist“, weiß Michael Claus.

Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs steht ESS-Experte Michael Markus in einem Nachbarhaus und überwacht die Einbruchstelle.
Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs steht ESS-Experte Michael Markus in einem Nachbarhaus und überwacht die Einbruchstelle. Foto: THW

Um Mitglied beim THW zu werden, sind keine speziellen Voraussetzungen erforderlich. Ab dem 16. Lebensjahr können Helferanwärter eine Grundausbildung beim THW beginnen, die sechs Monate lang einmal wöchentlich stattfindet. Nur für einige Zusatzaufgaben wie die Bedienung des ESS-Geräts sind berufliche Kenntnisse notwendig.

Grundsätzlich ist das THW modular aufgebaut. Das beinhaltet, dass in jedem der bundesweit 668 Ortsverbände die zentralen Komponenten Bergungsgruppe und Fachgruppe Notversorgung und -instandsetzung vorhanden sind.

Dazu kommen in jedem Verband eine oder mehrere andere Fachgruppen. Das sind beim Ortsverband Baden-Baden der ESS-Trupp mit einem brandneuen ESS-Gerät sowie die Fachgruppe Räumen mit einem Teleskoplader, der zum Beispiel Straßen freiräumen oder mit dem Arbeitskorb Aufgaben in der Höhe vornehmen kann.

nach oben Zurück zum Seitenanfang