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Junge Leute angesprochen

Challenge in Gaggenauer Buchhandlung: Schreiben „am inneren Zensor vorbei“

Die Schreib-Challenge in der Buchhandlung Bücherwurm im Rahmen des Gaggenauer Lesefestes war ein Experiment. Im kommenden Jahr soll es wiederholt werden.

Ein Grundschüler sitzt an einem Tisch und schreibt mit einem Kugelschreiber in sein Heft. (zu dpa «Was Hänschen nicht lernt - Viertklässler immer schwächer») +++ dpa-Bildfunk +++
Schreiben lernen und dabei die inneren Hemmungen überwinden: Der erste Versuch in Gaggenau fand nur recht überschaubare Resonanz. Doch im kommenden Jahr soll es einen erneuten Anlauf geben. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Ein Schreibblock und ein gut fließender Stift: Mehr braucht es eigentlich nicht, um bei der Schreib-Challenge in der Buchhandlung Bücherwurm loszulegen. Doch dann sollen diverse Gegenstände, Fotos und Wort-Impulse zu einer ersten Übung im kreativen Schreiben inspirieren.

„Zeig, wer du wirklich bist und wie wortstark du sein kannst“. Nach diesem Motto fand die erste Schreib-Challenge statt, die zwei Gaggenauer Literaturliebhaberinnen mit Herzblut entwickelt und organisiert haben. Dies alles im Rahmen des Lesefests der Stadt Gaggenau.

Das Bewusstsein ändert sich

Die Inhaberin der Buchhandlung Bücherwurm, Andrea Biedermann und Chris Roth, Gründerin der Schreibwerkstatt „Geschichtenkoffer“, haben eine Vision, angeregt durch ihren Part als Jurorinnen beim Schreibwettbewerb im Sommer 2022 am Goethe-Gymnasium.

Das Event soll Jugendlichen ab 14 Jahren eine Plattform bieten, sich selbst besser kennenzulernen und ihr wahres Ich auszudrücken. Denn der Trend gehe dahin, so die Buchhändlerin, dass junge Menschen wieder Bücher und die Lust am Schreiben entdecken. Sie registriert ein verändertes Bewusstsein bei jungen Käufern, die sich auch oft englischsprachige Bücher anschaffen.

Dass sich nach den drei verbindlichen Anmeldungen letztlich nur eine einzige Teilnehmerin im Saal der IG Metall einfand, war zwar bedauerlich für die Initiatorinnen, denn „das Gruppenerlebnis im geschützten Raum wäre eine wichtige Erfahrung gewesen. Aber wir machen das Beste daraus“. Und sie wollen das Projekt im Sommer 2024 unbedingt wiederholen.

Ich schreibe einfach Dinge, die mir in den Sinn kommen.
Marlene Binder
Autorin

So nahm die 16-jährige Marlene Binder aus Bad Rotenfels die Herausforderung an und war konzentriert bei der Sache. Denn die Schülerin, die gerade ihren Realschulabschluss in der Tasche und ein FSJ in einem Rastatter Kindergarten vor sich hat, ist hochmotiviert: „Ich schreibe seit drei Jahren, einfach Dinge, die mir in den Sinn kommen. Aber manchmal hänge ich fest …“

Nach der Arbeit im dreistündigen Workshop vor dem Poster im Saal mit den Buchempfehlungen und Arbeitsmaterialien (v.L. Marlene Binder, Andrea Biedermann, Chris Roth)
Nach der Arbeit im dreistündigen Workshop vor dem Poster im Saal mit den Buchempfehlungen und Arbeitsmaterialien: Marlene Binder, Andrea Biedermann und Chris Roth. Foto: Barbara Gutmann

In ihrer Familie werde viel geschrieben und ihre Mutter habe sie zum Tagebuchschreiben ermuntert. Und nun sei sie neugierig, Tricks zum kreativen Schreiben zu lernen. Und die hatte Workshop-Leiterin Chris Roth aus Sulzbach in klarem didaktischem Aufbau als überzeugendes Konzept im „Koffer“.

Die ethische Grenze darf nicht verletzt werden.
Chris Roth
Dozentin

Seit 2021 ist Chris Roth Dozentin für Kreatives Schreiben am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale (ZAK) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Mit straff strukturierten Tipps und Übungen baut die Dozentin, die selbst Mutter zweier halbwüchsiger Kinder ist, den Kurs auf.

In der Konzeption der Autorin, die auch an der VHS unterrichtet, gibt es für das Genre keine Vorgabe. Das könne ein Gedicht, eine Geschichte, ein Songtext sein. Alles ist erlaubt. Nur: „Die ethische Grenze darf nicht verletzt werden“.

Sie wolle wichtige Tricks vermitteln, um „am inneren Zensor vorbei“ schreiben zu lernen. Denn der eigene Kritiker bremse den Schreibfluss. Als ein wesentliches Element mag hier das Schnellschreiben mit der Technik der „Ècriture Automatique“ genannt werden, eine einfache Schreibtechnik, um die Kreativität anzukurbeln und Zugang zu Ideen und Gedanken zu bekommen. Das Spezielle an dieser Technik ist, dass von Hand geschrieben wird.

Wirklich gute Geschichte geschrieben

Chris Roth stellte aufeinander aufbauende vielfältige Schritte vor, die in etlichen jeweils kurzen Übungsblöcken angewandt werden. Mit anregenden Unterlagen versehen sollte ein längerer Text geschrieben werden. Ein den Workshop abschließendes persönliches Vortragen um 17 Uhr zusammen mit anderen Lesespaß-Aktionen ergab sich nicht, bedingt durch die wetterbedingte Verlegung in die Stadtbibliothek.

Was Marlene Binder ganz recht war, denn ihr Text sei doch recht persönlich ausgefallen. Auf die Frage, ob sie denn gleich eine zündende Idee gehabt habe, lächelte sie ganz entspannt: „Nein, nicht sofort, aber als ich dann Musik hörte, war sofort eine Idee da, die ich flüssig runterschreiben konnte“, wobei sie das zuvor Geübte gut habe anwenden können.

Workshop-Leiterin Roth bestätigte, dass sie „eine wirklich gute Geschichte geschrieben“ habe. Unabhängig von der Teilnehmerzahl war es für die auch mitmachende Beobachterin eine motivierende Schreib-Challenge mit wertvollen Inspirationen und Impulsen. Und Marlene bekräftigt: „Ich will auf jeden Fall dabeibleiben“.

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