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Pilgern zu Pferd

Acherner mit Behinderung wollen nach Santiago de Compostela pilgern

Ihre Gehbehinderungen halten sie nicht auf: Thomas Reininger und Monika Roloff wollen sich mit Pferden auf den Jakobsweg begeben. Damit es losgehen kann, braucht es noch Reitunterricht und einen Planwagen.

Ein Mann mit Cowboyhut und eine Frau im Rollstuhl neben einem braunen Pferd
Thomas Reininger und Monika Roloff haben Einschränkungen durch die Krankheit Multiple Sklerose und einen großen Traum: Sie wollen auf dem Rücken von Pferden pilgern. Foto: Michaela Gabriel

Er geht an Krücken, sie sitzt im Rollstuhl. Dennoch haben Thomas Reininger und Monika Roloff sich etwas Großes vorgenommen: Sie wollen auf dem Jakobsweg von Mittelbaden nach Santiago de Compostela pilgern: auf Pferden und etappenweise, zusammen mit weiteren Menschen mit Behinderung, Unterstützern ohne Behinderung und einem Planwagen.

Ich wollte ihn ermutigen und sagte: Wir machen den Jakobsweg, zur Not auf dem Pferd.
Thomas Reininger
an Multipler Sklerose erkrankt

Die Idee kam Thomas Reininger aus Fautenbach bei einem Gespräch mit einem frustrierten jungen Mann, der wie er selbst an Multipler Sklerose (MS) leidet. Die Krankheit betrifft das zentrale Nervensystem und bringt im Laufe des Lebens der Betroffenen immer mehr Einschränkungen.

„Ich wollte ihn ermutigen und sagte: Wir machen den Jakobsweg, zur Not auf dem Pferd.“ Dass sich seitdem einige Menschen für seine gewagte Idee interessieren, ein Verein das Vorhaben unterstützt und aus Spendenmitteln bereits ein Pferd zum Reiten lernen angeschafft werden konnte, macht ihm Mut.

„Ob wir das schaffen, weiß ich nicht.“ Monika Roloff aus Lauf ist skeptisch. Für die seit ihrer Jugend an MS erkrankte 64-Jährige wäre schon ein kleiner Ausritt ein großer Erfolg.

Auf der Pilgerreise wird Hilfe benötigt

Bisher kennt sie nur das Therapiereiten und genießt es einmal pro Woche sehr: „Auf dem Pferd lache ich immer. Es ist so schön.“ Doch weil sie keinen sicheren Stand mehr hat und meistens im Rollstuhl sitzt, kann sie ein Pferd nicht selbst satteln und braucht zum Aufsteigen Hilfe von mindestens zwei Leuten.

Auf einer Pilgertour bräuchte sie unterwegs eine Möglichkeit, sich immer wieder auszuruhen, und außerdem eine behindertengerechte Toilette.

„Toschek, komm … Oh, schade, dass ich keinen Apfel dabeihabe …“ An einer der vielen Boxentüren im Stall des Reiterhofs Hinterwald in Rheinau lockt Monika Roloff einen großen dunkelbraunen Wallach mit schwarzer Mähne und einer kleiner weißen Blesse auf der Stirn.

Verein kauft Pferd für behinderte Menschen

Er wird aufmerksam, schaut auf sie herunter und sie strahlt. Thomas Reininger besucht Toschek mehrmals pro Woche und reitet ihn. Das Tier gehört dem Verein Leben mit Behinderung Ortenau.

Sein Kauf wurde mit Spenden finanziert. Es soll Menschen mit Behinderung helfen, Reiten zu lernen und mit auf den Pilgerritt zu gehen.

Birgitt Reinfahrth arbeitet für den Verein Leben mit Behinderung Ortenau und stellt das Vorhaben auf Youtube zusammen mit Thomas Reininger vor. „Das ist ein spannendes Inklusionsprojekt, weil es von Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam gestaltet werden kann“, sagt sie.

Ein Kamerateam soll die Pilgerreise dokumentieren

Mobilität sei für Menschen mit Behinderung eine große Herausforderung. Doch es gehe um mehr als eine Wanderung zu Pferd. Mitreisen sollen auf vielen kleinen Etappen möglichst auch Physiotherapeuten und ein Arzt.

Alles solle von einem Kameramann dokumentiert werden, um zu zeigen, was Menschen trotz Einschränkungen leisten und erreichen könnten: „Sie sind Teil der Gesellschaft.“

Aber mit Jammern kommen wir nicht weiter.
Thomas Reininger
an Multipler Sklerose erkrankt

Thomas Reininger weiß seit 14 Jahren sicher, dass er Multiple Sklerose hat. Viele von der Krankheit Betroffene seien oft mutlos und beklagten sich darüber, was sie alles nicht mehr könnten. „Aber mit Jammern kommen wir nicht weiter“, sagt er.

Zwei Personen im Pferdestall
Thomas Reininger und Monika Roloff freuen sich schon auf den ersten gemeinsamen Ausritt. Foto: Michaela Gabriel

Ihn selbst trägt Gottvertrauen durchs Leben. Als junger Mann gestaltete er die Jugendarbeit des CVJM in Achern maßgeblich mit. Seitdem er nicht mehr arbeiten kann, wirkt er in der evangelischen Landeskirche Baden als Prädikant, vertritt Pfarrer und hält Gottesdienste. „Da ist einer, der für uns sorgt“, ist er überzeugt.

Er habe vier Reithelme als Spende erhalten und auf dem Spendenkonto seien aktuell 6.000 Euro. „Das ist doch was, ich bin dankbar“, sagt er.

Planwagen-Beschaffung ist eine Herausforderung

Eine große Herausforderung wird sein, einen behindertengerechten Planwagen zu bekommen, der die Reiter begleitet. Eine Sonderanfertigung könnte mehrere zehntausend Euro kosten, sein Bau braucht Zeit.

Einstweilen üben sechs Menschen mit Behinderung reiten und freuen sich auf mehr. Am 7. Oktober soll der erste gemeinsame Ausritt stattfinden. Wenn sie davon redet, strahlen Monika Roloffs Augen.

Service

Mehr Informationen über das Projekt „Wanderreiten mit Handicap“ gibt es auf der Internetseite des Vereins Leben mit Behinderung Ortenau: www.lmb-ortenau.de. Das Spendenkonto des Vereins (Verwendungszweck MS-Ritt) hat die IBAN DE20 66261092 0000 0559 64.

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