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Architekturpreis

Denkmalgeschützte Reithalle Achern erhält einen „Hugo“

Die Reithalle in Achern ist ein Relikt des „Kalten Krieges“. Nach einem gelungenen Umbau dient das Kulturdenkmal jetzt als Markthalle. Sogar wohnen kann man dort.

Reithalle Achern
Die Reithalle in Achern wurde 1946 für die französischen Besatzungstruppen gebaut. Foto: Ulrich Coenen

Diese Haus-in-Haus-Lösung ist faszinierend. Die historische Reithalle in Achern hat als Markthalle, Café, Wohnungen und Büros neue multifunktionale Aufgaben erhalten.

Das Büro Michael Welle Architektur (Offenburg) hat das Kulturdenkmal im Auftrag von Astrid und Gerold Weber für diese sehr unterschiedlichen Zwecke saniert und umgestaltet.

Die Architekten kommentieren ihr Projekt folgendermaßen: „Aufgrund der vorgegebenen Strukturen der denkmalgeschützten Halle ergeben sich unkonventionelle Ansätze bei der Planung, was nicht zuletzt die Besonderheit ausmacht.“ Konzept und die noch nicht völlig abgeschlossene Umsetzung sind geglückt. Dafür gab es jetzt die Hugo-Häring-Auszeichnung des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, den ältesten und wichtigsten Architekturpreis in Baden-Württemberg.

Die Reithalle ist ein Stück Nachkriegsgeschichte. Sie ist ein Ergebnis der Besatzungszeit und des „Kalten Krieges“. Der langgestreckte Bau mit flachem Satteldach und den Abmessungen 65 mal 25 Meter wurde 1946 als Teil einer französischen Offiziersschule errichtet. Das Landesamt für Denkmalpflege verweist auf die besondere Dachkonstruktion.

Die Kombination der Strebepfeiler aus Beton mit Holzbindern kam in den 1920-er Jahren auf und fand in der Nachkriegszeit aus Kostengründen wieder Verwendung. Sie sei aber heute selten aufzufinden, teilt das Denkmalamt auf Nachfrage der Redaktion mit. Die Reithalle ist nicht zuletzt deshalb aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen ein Kulturdenkmal.

Partner haben viel Mut und Erfindungsreichtum.
Andrea Panitz
Pressereferentin Denkmalamt

Die Stadt Achern hat alles richtig gemacht, als sie die Reithalle nicht an den Meistbietenden verkauft hat. 2019 erhielt das Acherner Unternehmer-Ehepaar Weber mit seinem vielversprechenden Konzept den Zuschlag. Es hat mit der Sanierung des Heizhauses der Illenau bereits bewiesen, dass es Denkmäler subtil weiterentwickeln kann.

Multifunktionale Aufgaben prägen die Reithalle in Achern nach ihrer Sanierung. Neben dem Marktplatz im Vordergrund gibt es Wohnungen und Büros. Der ursprüngliche Raumeindruck blieb erhalten.
Multifunktionale Aufgaben prägen die Reithalle in Achern nach ihrer Sanierung. Neben dem Marktplatz im Vordergrund gibt es Wohnungen und Büros. Der ursprüngliche Raumeindruck blieb erhalten. Foto: Ulrich Coenen

Die Reithalle wurde für das multifunktionale Konzept behutsam verändert. Das Äußere wird nach wie vor durch Ziegelmauerwerk, Betonstrebepfeiler, Sprossenfenster, Tore und das ziegelgedeckte Satteldach geprägt.

Das haben die Architekten durch ein Lichtband mit Solarmodulen ergänzt, das sowohl den Innenraum belichtet, als auch einen Beitrag zur Stromversorgung des Gebäudes leistet.

Besucher kann die gesamte Reithalle überblicken

Im Inneren haben die Architekten die beeindruckende Raumwirkung erhalten, die trotz der Einbauten von Wohnungen und Büros im hinteren Teil der Halle bestehen bleibt.

Auch oberhalb des Haupteingangs sind Büros entstanden. Diese Einbauten für die Haus-in-Haus-Lösung reichen aber nicht bis in den Bereich des Dachstuhls, sodass der Besucher die gesamte Reithalle überblicken kann. Im vorderen Bereich ist der Markt mit verschiedenen Anbietern entstanden.

Das Landesdenkmalamt lobt die Eigentümer gegenüber der Redaktion als „denkmalerfahrene Partner, die mit diesem Projekt viel Mut und Erfindungsreichtum bewiesen haben“. Die Vorgehensweise sei sehr substanzschonend und belasse die Großräumigkeit der ehemaligen Reithalle erlebbar und ablesbar. Auch die benachbarte, ebenfalls denkmalgeschützte Tankstelle der 1950-er Jahre sei in die Planung einbezogen und diene – behutsam instandgesetzt – als Außenbewirtungsbereich.

Die Einbauten für die zweigeschossigen Wohnungen und Büros haben die Architekten aus regionalem Holz errichten lassen. Wohn- und Bürotrakt stehen wie zwei große Kuben im hinteren Bereich der Reithalle rechts und links eines breiten Mittelkorridors.

Noch sind nicht alle drei Wohnungen fertig, zum Teil sind sie aber bereits bewohnt. Jede Wohnung erhält unmittelbar vor der Außenfassade einen kleinen Garten, der jeweils durch eines der großen Tore erschlossen wird. Das Blockheizkraftwerk mit Pelletkessel, das alle Objekte versorgt, steht frei in der Halle.

Die Jury ist beeindruckt

Der Jury hat das gefallen: „Insgesamt besticht das kontrastreiche Nebeneinander von geglückter Sanierung der historischen Substanz und den sehr qualitätsvollen neuen Einbauten.

Die interessante Mischung von Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Flächen für Events, die oberhalb der gewerblichen Einheiten stattfinden können, versprechen eine lebendige Entwicklung und positive Ausstrahlung auf das sich weiterentwickelnde Quartier Illenau in Achern.“

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