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Gelbe Bänder

Streit um faulendes Obst: Achern lässt den Amtsschimmel von der Leine

Letztlich ging es um sieben Obstbäume. Doch der Streit um die Aktion „Gelbe Bänder“ in Achern zeigt, wie man sich selbst im Weg stehen kann.

Ein Obstbaum steht mit einem gelben Band um den Stamm gebunden auf einer Streuobstwiese.
Obstpflücken erlaubt: Gelbe Bänder an den Bäumen sollen das signalisieren. In Achern aber tut man sich schwer mit der Regelung. Foto: Tom Weller/dpa

„Der Vorschlag ist nicht besonders klug, aber es ist so beschlossen.“ Fast eine Stunde lang kreiste der Bauausschuss des Gemeinderats am Montagabend gedanklich um nichts als Obstbäume.

Am Ende einer Debatte, bei der man über Strecken ebenso leidenschaftlich wie hartnäckig aneinander vorbeigeredet hatte, stand ein Beschluss, dem auch OB Klaus Muttach (CDU) nur ein mittelprächtiges Zeugnis ausstellte.

Die Stadt lässt sich, trotz massiver juristischer Bedenken, auf das Experiment gelber Bänder an den Obstbäumen ein. Ein bisschen. Ein ganz kleines bisschen.

In Achern tut sich die Verwaltung mit den gelben Bändern schwer

Es ist ein uraltes Thema, im Sommer von der ABL erneut auf die Tagesordnung befördert. Gelbe Bänder, in anderen Kommunen ist das längst geübte Praxis, sollen signalisieren, dass sich an bestimmten Obstbäumen jeder bedienen kann.

Eine nette Geste, und der eigentlich unkomplizierte Versuch, Lebensmittel nicht einfach verrotten zu lassen. Doch die Verwaltung tat sich schwer. Und unkompliziert war am Ende gar nichts.

Warum, das war aus der Debatte nicht so recht herauszuhören. Bremsten da Ortsvorsteher, die die Bäume lieber verpachten wollen statt sie „kostenlos“ zur Verfügung zu stellen?

Sind die Sorgen berechtigt, dass jemand, der sich beim Obstpflücken ein Bein bricht, die Stadt haftbar machen kann? Oder hat die Verwaltung recht mit der Erwartung, dass sich eh niemand für die kostenlosen Früchte interessiert?

Es machten Schreckgespenste die Runde, von der drohenden Anarchie durch „gefälschte“ gelbe Bänder über in Scharen einfallende Franzosen, die hier die Nussbäume plündern, bis hin zu brechenden Ästen und von der Leiter stürzenden Bürgern.

Wo es kein Urteil gibt, gibt es auch keine Probleme.
Norbert Eberle, Stadtrat

Eine große Debatte um ein kleines Thema. Die eröffnete für die CDU Norbert Eberle, promovierter Jurist und Richter, mit einer veritablen juristischen Watschen.

Sie galt dem Amt für Wirtschaftsförderung, dass für die Sitzungsvorlage eine ganze Reihe von Bedenken zusammengescharrt hatte. Unter anderem, so hieß es da, komme die Stadt in die Haftung, wenn rund um die Bäume „eventuelle Stolperfallen“ nicht beseitigt würden. Deshalb solle man die Bäume lieber verpachten. Die erfolglose „Obstbörse“ der Stadt werde eingestellt.

„Es gibt kein einziges Urteil, wo die Haftungsfrage virulent geworden wäre. Wo es kein Urteil gibt, gibt es auch keine Probleme“, so Eberle.

Die Verkehrssicherungspflicht werde als das große Schreckgespenst dargestellt, doch da die Verwaltung nichts tue, sondern nur gestatte – das Ernten von Obst nämlich – könne sie auch nicht haftbar gemacht werden.

Eberles Expertise brachte die Front des Widerstands bei der Verwaltung ins Wanken, doch sie fiel nicht.

Und sie wehrte sich, indem sie den Amtsschimmel von der Leine ließ. Wenn schon gelbe Bänder, dann nur mit dem Siegel der Stadt drauf, mahnte Christian Zorn, Leiter des Sachgebiets Wirtschaftsförderung bei der Verwaltung und Sasbachrieder Ortsvorsteher.

Das müsse auch für Privatleute gelten. Sonst könne ja jeder aus Jux solche Bänder an beliebige Bäume hängen.

Ein ernstes Thema von überschaubarer Bedeutung. Es geht, bei Lichte betrachtet, um allenfalls sieben Bäume in Oberachern, die überhaupt für das gelbe Band in Frage kommen.

Denn die in den übrigen Stadtteilen seien alle verpachtet, sagt OB Klaus Muttach, der sich alle Mühe gab, Ausschuss und Verwaltung aus einem juristischen Wirrwarr herauszulotsen, wie es das wohl nur in Deutschland geben kann.

Beispiel gefällig? Wenn die Stadt die Bäume verpachtet und der Pächter dann das gelbe Band dranhängt, dann wird es wirklich kompliziert.

Dann nämlich konnte der Pächter Änderungen am Grundstück vornehmen, die tatsächlich eine Haftung begründen, warnte Eberle. Und die läge – bei der Stadt Achern.

Entweder es wird verpachtet oder man hängt ein gelbes Band dran.
Norbert Eberle (CDU)

Gabriele Hoggenmüller (ABL) verteidigte den Vorschlag ebenso vehement wie emotional, Alois Berger-Köppel (SPD) brachte die Debatte wieder auf den Boden: „Das Obst vergammelt und das ist eine Schweinerei.“

Norbert Eberle sprach sich für eine möglichst simple Lösung aus: „Entweder es wird verpachtet oder man hängt ein gelbes Band dran.“

Am Ende stand ein Beschluss, den erst mal keiner wohl so richtig verstanden hat und den der OB am Dienstag nochmals präzisierte.

Danach hält man an der Pachtlösung fest, doch wenn ein Pächter das will, kann er von der Ortsverwaltung ein gelbes Band anbringen lassen. Privatleute können die Bänder im jeweiligen Rathaus abholen.

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