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Initiative „Epikiko“

Mütter von Kindern mit Epilepsie rufen in Kehl eine Selbsthilfegruppe ins Leben

Die Diagnose Epilepsie lässt viele Familien zunächst etwas ratlos und allein zurück. Zwei Mütter wollen dagegen etwas tun: In der Selbsthilfegruppe „Epikiko“ suchen sie den Austausch mit anderen Eltern.

Julia Kiekert-Lenz (links) und Rebecca Hund wollen Eltern von Kindern mit Epilepsie miteinander ins Gespräch bringen.
Julia Kiekert-Lenz (links) und Rebecca Hund wollen Eltern von Kindern mit Epilepsie miteinander ins Gespräch bringen. Foto: Christoph Kölmel

Ein kleiner Junge mit knallrotem Helm rennt vor dem Epilepsiezentrum im Kehler Stadtteil Kork auf seine Mutter zu. Einige Meter hinter ihnen fährt eine Tochter im Rollstuhl neben ihrem Vater her, während eine vierköpfige Familie die Klinik betritt. Wohin man an diesem sonnigen Vormittag blickt: Überall sind Eltern.

Julia Kiekert-Lenz und Rebecca Hund haben sich in der Klinik kennengelernt. Ihre Töchter, beide im Kindergartenalter, waren zur Behandlung auf einer Station und machten die Mütter zu Zimmernachbarinnen.

Aus eigener Erfahrung wissen sie: Mit Epilepsie konfrontiert zu werden, ist für Familien erstmal ein Schock. Man stellt Lebensentwürfe infrage, wirft Pläne um – und klammert sich doch ein wenig an die Hoffnung, dass sich die Erkrankung, die sich oft in spontanen Krampfanfällen äußert, wieder verwächst.

Manchmal braucht man jemanden in zivil, nicht im Arztkittel.
Julia Kiekert-Lenz

Zwar stellt die Klinik eigene Psychologen zur Verfügung, um Eltern und Kinder mit der Diagnose nicht allein zu lassen – aber manchmal ist das nicht genug. „Auch der Klinik war klar, dass ein fixer Punkt fehlt“, sagt Kiekert-Lenz. „Manchmal braucht man jemanden in zivil, nicht im Arztkittel.“

Nur woher soll der „zivile“ Austausch kommen? Manche der kleinen Patienten im Epilepsiezentrum reisen aus hunderten Kilometern Entfernung an. Ihre Eltern sind zum Teil wochenlang mit den Kindern auf Station, ohne neben dem Klinikalltag Anschluss an andere zu finden. Kiekert-Lenz erkennt das. Im Sommer 2022 hat sie eine Idee: Sie will eine Selbsthilfegruppe gründen.

Klinik unterstützt Aufbau der Epilepsie-Selbsthilfe-Gruppe

Sie stürzt sich in die Planung und findet schnell Unterstützung beim Epilepsiezentrum und dessen Förderverein Epicura. Schon nach wenigen Monaten lädt sie gemeinsam mit Rebecca Hund im Januar 2023 zu den ersten Treffen der Selbsthilfegruppe „Epikiko“ (Epilepsie Kinder Kork) in die alte Grundschule in Kork ein. Die beiden Frauen sind keine Expertinnen, zumindest nicht im streng fachlichen Sinn – und genau darum geht es.

Wenn Kiekert-Lenz und Hund mit den Besuchern der Gruppe sprechen, tun sie das als Mütter zweier Mädchen mit Epilepsie. Sie erzählen vom Alltag, teilen Erfolge und Misserfolge, Schönes und Trauriges. Die Elternschaft ist anders, wenn ein Kind Epilepsie hat. „Ich werde unruhig, wenn ich sie mal kurz nicht im Blick habe“, sagt Hund.

Selbsthilfegruppe „Epikiko“

Die Eltern treffen sich an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr in der ehemaligen Grundschule in Kehl-Kork. Das nächste Treffen ist am Mittwoch, 15. Februar. Mail: epikiko@web.de

Auch das erweiterte Umfeld ihrer Tochter müsse gut informiert sein. Seien es die Eltern von Spielfreunden, die Nachbarin oder das Team im Kindergarten: Sie alle wissen, wie das Notfallmedikament funktioniert, das einen epileptischen Anfall unterbrechen kann.

Auch könne man nicht mal eben einen Urlaub buchen und am nächsten Tag losfahren: „Ich weiß genau, wo auf Sardinien die nächste Kinderklinik ist“, sagt Hund. Kiekert-Lenz nickt und lacht, sie kennt das. Ebenso wie die fragenden Blicke, wenn sie draußen mit ihrer Tochter unterwegs ist. Zu ihrem Schutz trägt das Mädchen oft einen speziellen Helm. „Es gibt noch viel Aufklärung zu leisten“, sagt Kiekert-Lenz.

Bei uns weht immer frischer Wind.
Rebecca Hund

„Unsere Treffen sollen keine Trauerrunden sein, das ist uns sehr wichtig“, sagt Hund. Die Teilnehmer erkennen sich in vielen der Szenen wieder, die die anderen Eltern schildern. Sie gleichen ab, suchen nach Gemeinsamkeiten – das wird oft ziemlich lustig. Schweigen habe bei den Treffen bisher nie geherrscht. „Wir müssen eher noch lernen, wie man das Gespräch in Bahnen lenkt“, sagt Hund. Einige Rituale haben sie schon einstudiert, etwa eine kurze Vorstellungsrunde.

Epikiko hilft Eltern, wenn die Diagnose Epilepsie noch neu ist

Eine große Stärke von Epikiko ist für Kiekert-Lenz, dass aufgrund der direkten Nähe zur Klinik ständig neue Leute vorbeikommen können, die mit ihren Kindern gerade stationär zu Besuch sind. „Dieser Wechsel ist fester Bestandteil der Gruppe, bei uns weht immer frischer Wind“, sagt auch Hund. Beide ermuntern Neueinsteiger deshalb, bei den Treffen dabei zu sein. Verfestigte Strukturen gebe es nicht; es sei sehr leicht, Anschluss zu finden.

Die Teilnehmer machen sich gegenseitig Mut, motivieren und beraten sich– auch beim Bewältigen bürokratischer Hürden, die sich vor den Eltern und Kindern aufbauen. „So ein Angebot hätte ich mir nach der ersten Diagnose auch gewünscht“, sagt Kiekert-Lenz.

Beim Kind einer Teilnehmerin sei erst vor wenigen Wochen Epilepsie diagnostiziert worden. Die Gruppe gebe ihr Sicherheit im Umgang mit der neuen Situation. „Das ist nicht nur ein Mitfühlen, sondern ein Nachempfinden“.

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