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Aufstand der Kleinen

Wie der Nürburgring zum Trauma und Triumph von Dinger Motorsport aus Lauf wird

Es ist wie bei den Galliern in „Asterix und Obelix“. Trotz Übermacht der anderen zählt auch für den kleinen Rennstall Dinger Motorsport vor allem: Pfiffig sein und sich nicht unterkriegen lassen.

Viele Menschen gruppieren sich um einen Rennwagen
Ein eingeschworenes Team an Idealisten steht hinter dem großen Erfolg von Dinger Motorsport in der Klassiker-Serie Tourenwagen Legenden. Vorne rechts Fahrer Yannik Dinger und links Rennstall-Chef Thomas Dinger. Foto: Dinger Motorsport

Ein wenig fühlt man sich an den packenden Kinofilm „Ford vs. Ferrari“ (Le Mans 66 – Gegen jede Chance) von 2019 erinnert: Hier die dominierenden Rennsport-Granden von Ferrari, dort der Neuling Ford. Und dem trauten die Sportwagenbauer aus dem italienischen Maranello den Einstieg in den Rennsport-Zirkus nicht zu.

Nun ist Ford zwar kein kleiner Familienbetrieb, aber Parallelen zum mittelbadischen Lauf und dem dort beheimateten Rennstall Dinger Motorsport hat die Geschichte durchaus.

Als sich die Laufer anschickten, in der Klassiker-Serie Tourenwagen Legenden zu starten, betrachteten die Etablierten das mit Wohlwollen, vermutlich aber vor allem mit der Gewissheit, dass die Neulinge ihnen wohl kaum gefährlich werden können.

Doch das Team aus Lauf mit Yannik Dinger am Steuer des BMW 328 i (E 36) lehrte der Konkurrenz das Fürchten, besser gesagt, nötigte ihr einen Riesenrespekt ab.

Und dass es am Nürburgring, trotz Protests des härtesten Konkurrenten Thomas Ardelt und den damit verbundenen, gravierenden Folgen für die Neulinge in der Rennserie letztlich doch die Gesamtmeisterschaft und den Titel in ihrer Klasse gab, können Yannik Dinger wie das gesamte Team auch Tage nach dem Finale furioso immer noch nicht so ganz fassen.

Tüftler aus Lauf haben binnen weniger Stunden einen Motor umgebaut

Doch wie hatte Rennstall-Chef Thomas Dinger, der Vater von Yannik, schon zu Anfang gesagt: Es sei eine „absolut verrückte Saison“. Die Neulinge gegen die Etablierten, und das mit einem Konzept, das im Rennsport so noch nie das gewesen war. Der Dingersche BMW läuft zu 100 Prozent mit Bio-Ethanol. Damit ist der Bolide aus Lauf klimaneutral unterwegs.

Das sei eine Option für einen zukunftsfähigen, weil nachhaltigen Rennsport, sagt Thomas Dinger. Das weiß inzwischen auch der ADAC Motorsport, der seit 2023 für die DTM verantwortlich zeichnet.

Und hieß es zum Auftakt der Legenden-Serie in der Szene oft noch „Biosprit, was?“, wandelte sich das nach dem glanzvollen Debüt der Laufer auf dem Hockenheimring in „Biosprit, wow!“ Die jahrelange Entwicklungsarbeit in den heiligen Hallen des Autozentrums Bauer (AZB) in Achern hatte sich ausgezahlt. Oder wie es Christian Bauer, der geniale Kopf hinter AZB, ausdrückt: Es war „ein Prozess des Wachsens“, der Erkenntnisse, des Auslotens. Es ist und bleibt aber vor allem eine Teamleistung.

Bei den Tourenwagen Legenden, hier der Lauf in Nürnberg, treten Ikonen der Automobilgeschichte an. Neben dem BMW von Dinger Motorsport steht ein Audi 200 quattro.
Bei den Tourenwagen Legenden, hier der Lauf in Nürnberg, treten Ikonen der Automobilgeschichte an. Neben dem BMW von Dinger Motorsport steht ein Audi 200 quattro. Foto: Dinger Motorsport

Der Zusammenhalt, da sind sich Vater und Sohn Dinger ebenso wie Christian Bauer im Gespräch mit dieser Redaktion einig, ermöglichte auf dem kleinen Dienstweg viele, schnelle Problemlösungen – so zum Beispiel im Mai beim ersten Saison-Auftritt auf dem Nürburgring in der Legenden-Serie, als die Ölversorgung des Motors muckte. Die legendäre Rennstrecke in der Eifel sollte zum Trauma und Triumph für das Team aus Lauf werden.

Yannik Dinger hatte Gesamt- und Klassensieg vor dem letzten Rennen der Saison, wieder auf dem Nürburgring, eigentlich in der Tasche. Die Aufsteiger vom Dorf, der Familienbetrieb mit dem überschaubaren Budget, hatte die Etablierten auf die Plätze verwiesen. Und das mit Biosprit.

Geduldet von den Verantwortlichen, von den Streckensprechern immer wieder erwähnt, mit sichtbaren Aufklebern auf dem Fahrzeug, war das Konzept hinlänglich bekannt. „Allerdings entsprach unser Kraftstoff nicht der im Reglement verankerten DIN 228“, erläutert Christian Bauer.

An diesem Punkt hakte der härteste Klassen-Konkurrent und den Laufern unterlegene Thomas Ardelt ein. Er legte einen Protest ein. Das Auto von Dinger Motorsport wurde beschlagnahmt. „Sechs Stunden lang“, so Thomas Dinger, den die Sache nach wie vor emotional mitnimmt. Experten des Deutschen Motor Sport Bunds (DMSB) versuchten die Sache noch abzumildern. „Rechtlich ist das nicht gegangen’“, konstatiert Thomas Dinger.

Auf einmal haben bei mir alle Telefone gleichzeitig gebimmelt.
Christian Bauer
Autozentrum Bauer Achern

Aufgeben oder nicht? Auf einmal hätten bei ihm alle Telefone gleichzeitig gebimmelt, berichtet Christian Bauer. Es bestand noch eine Chance, die Titel zu retten. Der Motor musste auf DIN-228-Sprit umgestellt werden. So reiste das Auto am Samstag auf dem Hänger aus der Eifel nach Achern. Es folgte eine Nachtschicht bei AZB. Gegen 6 Uhr war der Bolide wieder am Nürburgring.

„Da haben einige große Augen bekommen“, so Thomas Dinger. So etwas gelinge nur mit einem eingeschworenen Team an Idealisten. Man kann auch sagen, wie die Gallier in „Asterix und Obelix“.

Aufholjagd am letzten Renntag von Erfolg gekrönt

Für Yannik Dinger am Steuer begann eine Aufholjagd. Vom letzten Startplatz 23 arbeitete er sich schon in der ersten Runde auf Rang fünf vor. Schließlich hieß es Gesamttitel, Klassenmeister. Jubel in der Szene. Und Fassungslosigkeit. „Ich bin schockiert über das Vorgehen von Thomas Ardelt“, zitiert das Online-Portal „speedweek.com“ Jörg Hatscher zu dieser Geschichte. Persönlich halte er „den Protest für grob unsportlich – auch wenn er formell berechtigt ist“, so der Boss der Legenden.

Für Dinger Motorsport folgte damit dem Trauma Nürburgring der Triumph. Die Laufer sind dazu ewiger Sieger der Legenden, denn die Serie wird eingestellt. Das Team plant jetzt für 2024. Die Rennsportwelt schaut auf die Laufer, wegen der Leistungen und wegen des Bio-Ethanols. Zwei interessante Serien gibt es als Möglichkeiten. In welcher Dinger Motorsport antritt, wird sich noch entscheiden. Und dann ist da noch das Projekt DTM-Fahrzeug, aber das ist eine andere Geschichte.

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