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Neue Lebensgefährtin sagt aus

Prozess gegen Yves R. in Offenburg: Ist der Waldläufer ein harmloser Spinner?

Im Gefängnis hat Yves R. seine neue Lebensgefährtin kennengelernt - per Brief. Sie würde ihn bei sich aufnehmen, versichert sie dem Offenburger Schöffengericht. Derzeit sieht man sich kaum, die Untersuchungshaft setzt da Grenzen.

Polizisten des Sondereinsatzkommandos SEK stehen in einem Wohngebiet am Rand der Ortschaft Oppenau. Mit einem Großaufgebot hat die Polizei am Montag die Suche nach einem 31-Jährigen fortgesetzt, der vier Polizisten in Oppenau im Schwarzwald bedroht und ihnen ihre Dienstwaffen abgenommen hatte. Der Mann ohne festen Wohnsitz war nach der Tat am Sonntagmorgen in den Wald geflüchtet. +++ dpa-Bildfunk +++
Großfahndung nach Yves R.: Rund 2500 Polizisten suchten im Sommer nach Yves R. in und um Oppenau. Jetzt steht er vor Gericht. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Es hätte der Tag der Verteidigung sein können. Hätte. Das Defilee von Freunden und Familie des Oppenauer „Waldläufers“ Yves R. am Montag vor dem Offenburger Landgericht bleibt seltsam farblos. Das beginnt mit der Mutter des 32-Jährigen, die die Gelegenheit auslässt, etwas Freundliches über ihren seit der Pubertät notorisch auffälligen Sohn zu sagen.

Der Angeklagte blickt ins Leere, als seine Mutter die Aussage verweigert. Und es geht bis zur „Lebensgefährtin“, die Yves R. im vergangenen August kennengelernt hat, als er bereits hinter schwedischen Gardinen saß. Per Brief.

Eine dreiviertel Stunde im Monat darf sie ihn besuchen, zweimal telefonieren, einmal skypen. Die Untersuchungshaft setzt Grenzen.

Ein Kumpel, mit dem man wandern kann

Doch die Frau ist sich sicher: Wenn Yves R. aus dem Gefängnis kommt, dann darf er gerne bei ihr wohnen – „Ich habe ein Haus und stehe voll dahinter“. Es sei schnell mehr geworden aus den ersten Kontakten, berichtet die 33-Jährige vor dem Schöffengericht. Am Anfang, nach den ersten Briefen, sei alles noch ganz platonisch gewesen: „Ich dachte, das ist so ein Kumpel, mit dem man Wandern gehen kann.“

Ich würde ihn auf keinen Fall als rechtsradikal bezeichnen.
Polizeibeamter, Kripo Kehl

Der dritte Tag im Offenburger Waldläufer-Prozess bringt nicht wirklich Klarheit über das Wesen des 32-Jährigen, über die viel diskutierte Frage, was ihn in den Wald getrieben hat, und welche Absichten er letztlich verfolgte. Doch er räumt mit der einen oder anderen Legende auf, die die Medien geschaffen haben. So hatte das bei Yves R. gefundene Schreiben herzlich wenig mit dem Manifest des so genannten Una-Bombers zu tun, sagt der Polizist, der den Computer von Yves R. untersucht hatte.

Auch Spekulationen zu möglicherweise rechten Umtrieben des Waldläufers versucht der 44 Jahre alte Kriminalbeamte als erster Zeuge des Tages in der Offenburger Reithalle einzufangen. Man habe zwar ein Lied der Band Landser auf einem USB-Stick gefunden, doch die Auswertung des Rechners haben keine Hinweise in dieser Richtung ergeben: „Ich würde ihn auf keinen Fall als rechtsradikal bezeichnen“. Ein Freund des Angeklagten sieht das ebenso: Solche Lieder seien auf den Schulhöfen halt herumgegangen.

Wie definiere ich einen Waldläufer?

War und ist Yves R., nach dem im Sommer rund um Oppenau 2.500 Polizisten fahndeten, weil er vier Beamten ihre Dienstwaffen abgenommen hatte, ein „harmloser Spinner“? Diese Frage zieht sich durch den ganzen Prozesstag, und auch der Polizeibeamte scheint ihn nicht wirklich ernst zu nehmen. „Wie definiere ich einen Waldläufer“, antwortet er auf eine Frage des Gerichts, „wenn es um jemanden geht, der dauerhaft im Wald leben kann, war Herr R. kein Waldläufer. Wenn es um den Wunsch geht das zu tun, dann würde ich sagen, ja.“

„Er war harmlos“, beschreibt ihn der Angestellte einer Kneipe, der sich mit ihm angefreundet hatte. Nie sei Yves R. bei Konflikten handgreiflich geworden. „Höflich, nett, ein bisschen komisch“, so das Urteil eines 30-Jährigen, der ihn seit dem Kindergarten kennt, ein Eigenbrötler sei er gewesen, aber auch ein „fauler Hund“, der morgens gerne mal verschlafen habe.

Die „Oppenauer Folksfront“

„Ein bisschen irre, aber nicht gemeingefährlich“, so das Urteil eines anderen Freundes, der mit ihm regelmäßig in einer Kneipenrunde saß, bis man sich über den Namen des kleinen Clubs zerstritt, der da entstanden war. Die anderen wollten nicht mehr die „Oppenauer Folksfront“ sein, weil man das missverstehen könne.

Da sei R. gegangen, einfach so, weil der Name geändert werden sollte, der ja eigentlich doch ganz harmlos an Monty Python angelehnt sei. „Das Leben des Brian?“ fragt Richter Wolfgang Kronthaler, in Sachen englischer Satire offenkundig auf dem Laufenden, nach. Ja, genau der, nickt der Zeuge.

Der Prozess wird an diesem Dienstag fortgesetzt, erwartet werden die Plädoyers.

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