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Erstmals öffentlich zugänglich

Warum das Ortenauhaus von 1775 für das Freilichtmuseum Vogtsbauernhof so wichtig ist

Häuser erzählen durch Baustil und Ausstattung sehr viel über eine Region und die dort lebenden Menschen. Das ist beim Ortenauhaus des Schwarzwälder Freilichtmuseums in Gutach nicht anders.

Das Ortenauhaus aus Durbach, das seit 2021 in das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof nach Gutach versetzt wurde, wird am Sonntag, 2. Juli 2023, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 
Das Ortenauhaus aus Durbach, das seit 2021 in das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof nach Gutach versetzt wurde, wird am Sonntag, 2. Juli 2023, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.  Foto: Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof, Hans-Jörg Haas

Es gibt für Denkmalpflege und Museumsleute immer wieder Glücksfälle. Fast schon exemplarisch darf dafür das 1775 errichtete Rebhaus aus Durbach stehen. Als Zita Feger, die letzte Bewohnerin, im Jahr 2018 starb, glich der schmucke Fachwerkbau einer Zeitkapsel.

Darin nahezu unverändert enthalten: das Wohnen in den 1960er-Jahren. Und so herrschte bei den Experten schnell Einigkeit, dass dieses Gebäude als Repräsentant des Weinbaus in der Ortenau den Weg ins Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogstbauernhof in Gutach findet. Mit echtem Charme der Sechziger. Genau das macht es wertvoll.

Der Neuzugang steht am Sonntag, 2. Juli, ganz groß im Rampenlicht. Im Jahr 2019 fassten die Verantwortlichen des Museums den Entschluss, das Gebäude von Durbach ins Freilichtmuseum nach Gutach versetzen zu lassen.

Vorausgegangen war eine lange Suche sowie eine Zeit des Forschens und Planens. Es handelt sich um Phase zwei der Langzeitkonzeption des Museums, erläutert Geschäftsführerin Margit Langer. Dieser Plan von 2014 sieht vor, das Gelände mit insgesamt drei Bauernhoftypen aus dem Nordschwarzwald zu bereichern.

Damit bricht das Museum vor allem mit einem von der Gründung im Jahr 1964 weg über Dekaden gepflegten Dogma: Der gebaute Schwarzwald ist der Schwarzwaldhof. Hermann Schilli (1896-1981), Vater der Einrichtung und über viele Jahre ihr Leiter, schwelgt in einem Aufsatz in der „Badischen Heimat“ von 1960 geradezu über die Erhabenheit dieser Gebäude. Er charakterisiert das Schwarzwaldhaus als „Meisterwerk des Holzbaus von künstlerischer Klarheit und vollständiger Harmonie, sowohl in der äußeren Form wie im inneren Wesen.“

Die Ortenau besteht nicht nur aus Schwarzwaldhäusern

Doch wer durch die Ortenau fährt, findet eben nicht nur Schwarzwaldhäuser. Und genau dieser Vielfalt der Hauslandschaft mit ihren ganz unterschiedlichen, nach Region und Nutzung ausgeprägten Bauformen, will das Museum mit der Langzeitkonzeption Rechnung tragen, so Margit Langer.

So kam zuerst das Effringer Schlössle nach Gutach. Das bislang älteste Gebäude im Bestand der insgesamt sieben baden-württembergischen Freilichtmuseen stammt aus dem heutigen Ortsteil von Wildberg im Landkreis Calw und dokumentiert das repräsentative Bauen auf dem Land.

Das Ortenauhaus im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof wurde so eingerichtet, wie es die letzte Bewohnerin Zita Feger in Durbach hinterlassen hat. 
Das Ortenauhaus im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof wurde so eingerichtet, wie es die letzte Bewohnerin Zita Feger in Durbach hinterlassen hat.  Foto: Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof, Hans-Jörg Haas

Mit dem Rebhaus eröffnet sich das Freilichtmuseum nun ein ganz wichtiges Themenfeld für die Ortenau: der Weinbau. Eine „echte Bereicherung“ sei es, freut sich Margit Langer im Gespräch mit der Redaktion. Wie beim Schlössle suchten die Museumsleute auch hier im Vorfeld intensiv. Das Gebäude ist Teil eines Winzerhofs, und es waren die Besitzer, die letztlich das Angebot für eine Übernahme machten. Natürlich hatte der Zahn der Zeit an dem Fachwerkbau genagt.

Rebhaus wies einigen Restaurierungsbedarf auf

Das Balkenwerk der Nordseite des eingeschossigen Gebäudes war nicht mehr zu retten und musste neu gemacht werden. Ein beträchtlicher Posten innerhalb des anspruchsvollen Komplexes aus Planen, Versetzen (Translozieren) und Restaurieren.

Die Gesamtleitung hatte die Firma Jako Baudenkmalpflege aus Rot an der Rot (Landkreis Biberach/Riß). Das Projekt schlug mit 2,56 Millionen Euro zu Buche. 1,21 Millionen Euro gab das baden-württemberische Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst aus seinem Fördertopf für Freilichtmuseen. Den Rest teilen sich Ortenaukreis und der Eigenbetrieb Freilichtmuseum.

Dass das Gebäude aus Durbach stammt, ist mit Blick auf den Wein definitiv kein Schaden. Die Dichte erlauchter Weingüter in diesem Dorf ist gewaltig, und vor allem der Riesling genießt ein internationales Renommee. Es waren die Besitzer, die im Zuge des Sondierungsprozesses auf die Museumsverantwortlichen zukamen. Denn eines macht das Museum nicht, wie Langer verdeutlicht, auf dem Immobilienmarkt einkaufen.

Aber warum heißt der schmucke Fachwerkbau, einst Nebengebäude eines Winzerhofs, eigentlich Ortenauhaus? Die Antwort klingt plausibel und pragmatisch: Das Gebäude aus Durbach spiegelt die gesamte Vorbergzone der Ortenau mit ihren Weinbergen wider. Der Name Ortenauhaus stehe also für die Region. Müsste man, wie im ländlichen Raum üblich, das Anwesen mit einem Namen verbinden, wäre wohl Bachroth treffend.

Lange Haus- und Bewohnergeschichte ist für Volkskunde ein Glücksfall

Diese Familie lebte ab 1889 für mehrere Generationen auf dem Hof. Später ging das Haus an die Familie Feger über, so steht es im Dossier des Freilichtmuseums zu lesen. Damit existiert eine Haus- wie eine Bewohnergeschichte. Aus Sicht der Volkskunde ein gewaltiger Vorteil. Die gebaute Hülle wird damit unverwechselbar. Zum Gebäude kommt noch der Neubau einer historisierenden Scheune. Dort findet sich eine Winzerstube. 2024 soll noch eine Rebanlage das Ensemble stimmig abrunden.

Das Trio der Hoftypen soll in den nächsten Jahren ein typischer Vierseithof vervollständigen, wie er sich auf dem Freudenstädter Höhenzug findet. Aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik. Die Museumsleute müssen das geeignete Gebäude ausfindig machen, zudem muss das Finanzierungskonzept stehen.

Nun wird erst einmal gefeiert. Um 11 Uhr beginnt der feierliche Festakt mit rund 300 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Tourismus und den beteiligten Firmen. Ab 13 Uhr öffnet das Gebäude seine Türen zur allgemeinen Besichtigung. Bis 17 Uhr gibt es dann Musik, Wein und diverse Handwerksvorführungen.

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