„Oje, hoffentlich kriege ich keine Platzangst“, sagt eine Frau und bückt sich, um durch den kleinen Einstieg zu den Kasematten beim Karlsruher Tor zu steigen. Nach den großzügigen und opulenten Räumen im Barockschloss wirkt die feuchte Kargheit der unterirdischen Sandsteinfestung besonders intensiv.
In zwei Stunden vom Adel zu den Revolutionären in Rastatt
Genau das ist auch das Ziel der neuen Kombi-Führung, mit der der Historische Verein Rastatt und die Staatlichen Schlösser und Gärten das Jubiläumsjahr zu 175 Jahren Badische Revolution einläuten wollen. „Es ist ein gutes Angebot, um beide Seiten zu betrachten: die Herzöge im Gegensatz zu den Revolutionären“, sagt Schlossverwalterin Magda Ritter im Vorfeld der neuen Führung. Sie hoffe, so neue Besucher für das Schloss zu gewinnen.
Ein Konzept, das offenbar gut ankommt: Die Führung ist ausgebucht – und nicht ein Rastatter ist unter den mehr als 20 Teilnehmern, die zweimal eine Stunde die beiden Extreme der Revolution kennenlernen. Präsentiert werden sie ihnen von Schlossführer Paul-Ludwig Schnorr und Historikerin Irmgard Stamm.
„Das ist explizit keine Schlossführung“, betont Schnorr gleich zu Beginn. Vielmehr geht es ihm darum, die Bedeutung des Barockschlosses vor, während und nach der Revolution bis zum Ende der Monarchie darzustellen. Und die dort lebenden – oder eben auch nicht dort residierenden – Großherzöge zu charakterisieren.
Doch trotz dieser Fokussierung auf die Personen wird es ein Parforce-Ritt durch die Karls und Friedriche, die Leopolde, Wilhelme und Ludwige, die wahlweise liberal und einer konstitutionellen Monarchie aufgeschlossen oder eher rückwärtsgewandt und dem Absolutismus anhängend, durchsetzungsstark oder eben entscheidungsschwach waren. Die moderne Gesetze erließen oder gar eine fortschrittliche Verfassung unterschrieben, nur um sie am Ende wieder zurückzunehmen oder gar nicht erst umzusetzen.
Am Ende gipfelt dieses Vor und Zurück in der Badischen Revolution und vor allem in deren Scheitern 1848/49. Die Revolutionäre werden in den Kasematten eingekerkert, durch die nun auch die Besucher der Führung laufen. In einem dieser Räume, die in ihrer Gesamtheit einen Festungsgürtel von acht Kilometern ausmachten, war auch Philipp Reiter eingekerkert.
Geschichte kann man nicht neu erfinden, sondern an Einzelschicksalen erlebbar machen.Irmgard Stamm
Historikerin
„Ob genau in diesem Raum oder in welchem, wissen wir nicht“, erklärt Irmgard Stamm, bevor sie aus seinen Erinnerungen an „die schreckliche Behandlung“ und die „tropfenden Kasematten“ vorliest. „Geschichte kann man nicht neu erfinden, sondern an Einzelschicksalen erlebbar machen“, sagt Stamm.
Freiheitsgeschichte und Demokratiedemos fallen zusammen
175 Jahre hören sich im ersten Moment viel an – doch immer wieder ist bei den Besuchern zu hören: „So arg lange her ist das gar nicht.“ Das findet auch Barbara Krepper aus Malsch, die mit ihrer Tochter und Nachbarn gekommen ist. „Jetzt, wo überall Demos für Demokratie stattfinden, hat das für mich einfach gepasst.“ Vielleicht, so ihre Hoffnung, könne man ja doch aus der Geschichte lernen.
Auch für Historikerin Irmgard Stamm ist es ein schöner Zufall, dass der „Marktplatz der Demokratie“ am Samstag und die neue Kombiführung an einem Wochenende aufeinandergetroffen sind. „Das ist doch ein symbolträchtiger Auftakt für das Revolutionsjahr.“
Service
Die Kombi-Führung zur Badischen Revolution besteht aus zwei Führungen zu je einer Stunde. Zuerst werden die Großherzöge im Barockschloss „besucht“, danach die Revolutionäre in den Kasematten. Die Führung soll am 14. Juli erneut stattfinden. Die Anmeldungen laufen über das Schloss.