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300 Jahre Schlossstraße 5

Rastatter erfahren die Geschichte der Hausheiligen an Häuserfassaden

Beim Spaziergang zu den Hausheiligen lockte der Historische Verein Rastatt trotz Regen in die Innenstadt. Zwei Heilige sind besonders oft zu sehen. 

Gleich zwei Schutzheilige hat das Gasthaus „Engel“ in der Kaiserstraße.
Gleich zwei Schutzheilige hat das Gasthaus „Engel“ in der Kaiserstraße. Foto: Martina Holbein

Es war schon eine merkwürdige Gruppe, die sich am Dienstagabend unter einem Dach von Regenschirmen durch die Rastatter Innenstadt bewegte: Angeführt von Irmgard Stamm, Vorsitzende des Historischen Vereins, blieb die Gruppe immer mal wieder stehen und starrte nach oben.

Nicht in die dicken Regentropfen, die aus den Wolken platschten, sondern auf die Fassaden ausgewählter Häuser. Dort waren sie in den eigens dafür ausgesparten Nischen zu entdecken: die Hausheiligen.

„Die Menschen damals wollten ihre Nothelfer und Schutzheiligen ganz in der Nähe wissen.“ 
Irmgard Stamm
Historischer Verein

„Sie sind typisch für die Häuser, die in der Barockzeit gebaut wurden“, erklärte Stamm zu Beginn. Denn: „Die Menschen damals wollten ihre Nothelfer und Schutzheiligen ganz in der Nähe wissen.“

Mit dabei war auch Stadtpfarrer Ralf Dickerhof, denn der „Spaziergang zu den Hausheiligen“ war ein Programmpunkt im Rahmen des Jubiläums „300 Jahre Schlossstraße 5“, das heutige Pfarrhaus – und damit eine Kooperation zwischen Historischem Verein und der katholischen Seelsorgeeinheit Rastatt.

Madonnenstatue nach Schweizer Vorbild steht in der Pagodenburg

Treffpunkt war der Garten der Pagodenburg, wo auch die Einsiedelner Kapelle steht. Markgräfin Sybilla Augusta ließ sie nach dem Vorbild im Schweizer Einsiedeln in Rastatt und ihrer Heimatstadt Schlackenwerth mit der Madonnenstatue erbauen. Auch diese ist nach dem Schweizer Vorbild gefertigt.

Die Statue in der Schweiz wurde von den Napoleonischen Truppen zerstört. Das Rastatter Original ist im Hof des Stadtmuseums zu finden. In der Pagodenburganlage steht seit einigen Jahren eine gestiftete Kopie, die an das Gelöbnis der Rastatter erinnert. Sie versprachen, jährlich einen Gedenkgottesdienst zu Ehren der Muttergottes abzuhalten, wenn die Stadt bei der Bombardierung vom 7. Januar 1944 verschont bleibt.

Die Nische am Haus in der Kapellenstraße 17 ist leer

Nur wenige Meter entfernt reckten sich zum ersten Mal die Köpfe: Am Haus in der Kapellenstraße 17 steht der Heilige Franziskus und spricht mit den Vögeln. In der Kapellenstraße 9 stand ursprünglich der Heilige Florian – aber die Nische ist leer.

Dieser, ein römischer Soldat, der Christen rettete und dafür im Lech ertränkt wurde, ist der Schutzpatron der Feuerwehr. Der Schutzheilige wird in der Wohnung der Besitzer aufbewahrt, erklärt Stamm.

Zwei Schutzheilige sind besonders oft zu finden

Ebenfalls in der Barockzeit, im Jahr 1738, wurde das Haus Fraß als Modellhaus erbaut, das auch heute noch die originale Madonnenfigur schützt. „Maria und der heilige Nepomuk sind die Schutzheiligen, die am häufigsten zu finden sind“, so Stamm.

Der heilige Nepomuk war ein böhmischer Priester aus Pomuk bei Pilsen, der sich dem Kaiser widersetzte und deshalb in Prag von der Karlsbrücke in die Moldau gestürzt wurde.

Eine besondere Geschichte hat die Schutzheilige des heutigen Pfarrhauses, die Maria Immaculata: Sie schützte das historische Gasthaus mit Bäckerei „Zur blauen Katz“, bevor dieses abgerissen und dem Neubau des katholischen Gemeindehauses weichen musste.

Heute ziert an der Ecke zur Schlosserstraße eine Nachbildung aus Gips das Gebäude. Das restaurierte Original aus Holz hat seinen Platz in der Beletage des Pfarrhauses gefunden.

Am Gemeindehaus St. Alexander ist die Nachbildung der Marienfigur, die zuvor das Gasthaus „zur blauen Katz“ behütete.
Am Gemeindehaus St. Alexander ist die Nachbildung der Marienfigur, die zuvor das Gasthaus „zur blauen Katz“ behütete. Foto: Martina Holbein

Beim Gang durch die Kaiserstraße lohnt sich der Blick nach oben immer wieder: Neben den Schutzheiligen gibt es am Degler-Haus in der Museumsstraße den Markgrafen und Schlosserbauer höchstselbst zu bestaunen, dem der Unternehmer ein Denkmal setzte.

„Wie der Bauherr seine Fassade gestaltet hat – ob ohne oder mit Schutzheiligem und nach welchen Kriterien er diesen auswählte – blieb ihm selbst überlassen“, sagt Stamm. Eine Genehmigung war nicht erforderlich.

Kein Heiliger, aber auch Markgraf Ludwig Wilhelm ziert eine Hausfassade.
Kein Heiliger, aber auch Markgraf Ludwig Wilhelm ziert eine Hausfassade. Foto: Martina Holbein

Deswegen gibt es auch keine Akten über die Hausheiligen, die auch in der Rappen- oder der Lyzeumstraße zu entdecken sind. Gleich zwei hat das Gasthaus und Hotel „Engel“, das 1724 erbaut wurde: Maria mit dem Kind und der Heilige Josef blicken aus ihren Nischen auf die Besucher herunter.

Die Originale, Tonarbeiten aus Soufflenheim, stehen im Gasthaus. Die Nachbildungen draußen sind mit den Farbschichten versehen, die der Restaurator als am wahrscheinlichsten angenommen hat.

Über die Dreherstraße, wo am alten Haus Nr. 19 die Nepomuk-Statue stand, die ebenfalls im Hof des Stadtmuseums zu finden ist, führte der Spaziergang ins Pfarrhaus und in dessen Beletage, wo das Original der Hausheiligen der „blauen Katz“ heute aus nächster Nähe zu sehen ist.

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