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„Hanf im Glück”-Chef im Interview

Cannabis ohne Rausch und Rezept: Wirken CBD-Produkte tatsächlich Wunder?

CBD, ein Wirkstoff aus Cannabis, soll wahre Wunder wirken. Ganz ohne Rausch und Rezept. Experten haben Bedenken. Aber Christopher Spross von „Hanf im Glück” in Stuttgart ist begeistert.

Christopher Spross, Standortleiter „Hanf im Glück” in Stuttgart
Christopher Spross, Standortleiter von „Hanf im Glück” in Stuttgart Foto: Eddy Haise

CBD-Öle, Extrakte, Tinkturen oder Kapseln, aber auch Speiseeis oder Limonaden - der Markt für Produkte mit dem Wirkstoff aus der Cannabispflanze wächst unermüdlich. Cannabidiol oder CBD, so das Versprechen, soll eine beruhigende Wirkung haben und gegen allerlei Beschwerden helfen. Das Ganze ohne Rausch und auch ohne Rezept vom Arzt.

Experten, Wissenschaftler und Verbrauchschutzorganisationen haben Bedenken - trotzdem sprießen Läden mit so originellen Namen wie „Hanf im Glück” oder „The Herbalist” in vielen Städten wie Pilze aus dem Boden. Vor kurzem hat in Stuttgart eine neue Filiale der Franchise-Kette „Hanf im Glück” eröffnet. Unser Redaktionsmitglied Sibylle Kranich unterhielt sich mit Standortleiter Christopher Spross.

Ihr Laden wirkt wie eine Mischung aus Apotheke und Hipster-Bar. Hier gibt es Öle und Tinkturen, Cremes, Kapseln, Snacks, Tee aus Hanf. Alle enthalten CBD - was ist das überhaupt?
Christopher Spross

Cannabidiol oder kurz CBD ist nur eine von rund 400 chemischen Verbindungen der Cannabispflanze und hat nachweislich viele Anwendungsmöglichkeiten. Hierzu zählen z.B. die Behandlung von Angst, Stress, Epilepsie, Diabetes, Schizophrenie, Psychosen, PTSD, Arthritis, Depressionen, Entzündungen und Übelkeit.

Klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Verursacht es keinen Rausch wie das ebenfalls in Cannabis enthaltene THC?
Christopher Spross

CBD hat keine psychoaktive Wirkung. Die Aufnahme kann kein „High“ induzieren. Obwohl CBD und THC (die psychoaktive Komponente von Marihuana) eine nahezu gleiche Molekularformel und -masse aufweisen, reagieren die Verbindungen komplett unterschiedlich, wodurch sie sich in der Wirkung stark voneinander unterscheiden. So kämpft CBD im menschlichen Körper sogar gegen die berauschende Wirkung des THC an und kann gleichzeitig Entzündungen hemmen und Gefühle wie Angst oder Stress reduzieren. Aus diesem Grund wird CBD auch oft extrahiert, um es vom THC getrennt für medizinische Zwecke zu verwenden.

CBD wird in medizinischen Produkten verwendet, in Kosmetika, aber auch als Nahrungsergänzungsmittel. Können Sie mal kurz aufzählen, wogegen oder wofür der Wirkstoff Ihrer Meinung nach gut ist?
Christopher Spross

Die Ursachen von Entzündungen und Schmerzen stehen erwiesenermaßen im Zusammenhang mit dem Endocannabinoid-System. (Anmerkung der Redaktion: Das Endocannabinoid-System ist ein Bestandteil des Nervensystems. Es umfasst Cannabinoid-Rezeptoren, sowie die Endocannabinoide, wo körpereigene Cannbinoide produziert werden.) Die Aufnahme von CBD kann dem Körper helfen, diese besser zu regulieren. Studien haben belegen können, dass CBD bei Epilepsie hilfreich sein kann, es kann Angstzustände verringern, Abhilfe bei Schlafstörungen schaffen kann und chronische Schmerzen lindern. Dazu gibt es noch viele weitere Anwendungsbereiche, bei denen der aktuelle Forschungsstand schon jetzt auf ein noch größeres Potenzial dieses Pflanzenwirkstoffes schließen lässt. In der Kosmetik kommt es vor allem auf die entzündungshemmenden und regenerierenden Eigenschaften des Wirkstoffes für die Verwendung von Cannabidiol in Cremes und Lotions an. CBD kann das Hautimmunsystem stabilisieren und die Haut widerstandsfähiger gegen ekzemauslösende Allergene, Reize, Bakterien oder chemische Stoffe machen und unerwünschte Hautreaktionen auf diese Weise stark reduzieren.

Was CBD tatsächlich für die Gesundheit leisten kann, ist noch ziemlich unklar. Hinweise auf entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkungen gibt es zwar, es fehlen aber laut Verbraucherzentrale noch ausreichend klinische Studien?
Christopher Spross

Die Rückmeldungen aus meinem persönlichen Umfeld sind sehr gut. Aber bei so einem heiklen Thema wie der Gesundheit sollte man natürlich eher der Wissenschaft vertrauen. Es gibt schon viele Studien, die man nachlesen kann. Der wachsende Markt und das zunehmende Verbraucherinteresse sorgen aber auch dafür, dass es immer mehr werden. Auch laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind für CBD keinerlei Rausch-, Neben- oder Suchtwirkungen bekannt, weshalb der Wirkstoff auch als sicher eingestuft wird.

Verbraucherzentralen haben deutliche Bedenken geäußert, weil in vielen Produkten der THC-Grenzwert nicht eingehalten wird.
Christopher Spross

Die Qualität unserer Produkte prüfen wir schon vor dem Einkauf bei unseren Produzenten im Rahmen eines mehrstufigen Prozesses. Um sicherzustellen, dass kein einziger Artikel unseres Sortiments die in Deutschland zulässigen Wirkstoffgrenzwerte überschreitet,verwenden unsere Partner und wir ausschließlich EU-zertifizierte Nutzhanfsorten mit einem THC-Gehalt von unter 0,2%. Selbstverständlich lassen sowohl unsere Produzenten als auch wir die Produkte vor dem Verkaufsstart in unabhängigen Laboren auf ihre Inhaltsstoffe und chemischen Zusammensetzungen testen, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und unsere Kunden auf der sicheren Seite sind.

Was ist der meistgekaufte Artikel in ihrem Laden?
Christopher Spross

Das kann ich pauschal nicht beantworten. Aktuell sind das ganz klar unsere CBD Kristalle. Diese sind komplett frei von THC und können mit einer Reinheit von über 99% als Cannabidiol in seiner reinsten Form angesehen werden. CBD Kristalle eignen sich als Zusatz für e-Liquids, Lebensmittel oder Kosmetika und können aufgrund ihres neutralen Geschmacks auch einfach in Wasser gelöst oder auf die Zunge gestreut werden.

Die Skepsis gegenüber Läden wie den Ihren ist recht groß. Stand auch in Stuttgart schon die Polizei vor der Tür?
Christopher Spross

Ja. Anfang Juli haben wir hier in Stuttgart das erste Mal Besuch von der örtlichen Polizei bekommen. Dabei ist mir leider wieder auf erschreckende Art und Weise bewusst geworden, wie viel Aufklärungsarbeit in Deutschland noch zu leisten ist, wenn es um das Thema Hanf geht. Selbst die zuständigen Behördenscheinen nicht ganz genau zu wissen, mit welcher Art von Produkten sie es hierzu tun haben. So wurde der Einsatz beispielsweise damit begründet, dass man sich mit Teilen unseres Sortiments angeblich berauschen könnte. Die Tatsache,dass wir ausschließlich mit EU-zertifizierten Nutzhanfsorten arbeiten, deren Wirkstoffobergrenze von der Europäischen Union bewusst so festgelegt wurde, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen werden kann, scheint dabei vernachlässigt worden zu sein. Hinzu kam, dass zum Beispiel auch Zigarettenfilter, mit Hanfsamen verfeinerte Lebensmittel und Produkte mit isoliertem CBD beschlagnahmt wurden – all diese Artikel sind nachweislich komplett frei von berauschendem THC, doch eine Unterscheidung wurde trotzdem nicht vorgenommen. Als wir in dem uns ausgehändigten Beschluss dann auch noch lesen durften, dass mehrere im Vorfeld durchgeführte, behördliche Analysen belegen, dass unsere CBD Produkte weit weniger als den in Deutschland zulässigen THC-Gehalt von 0,2% aufweisen, waren wir komplett ratlos, was man mit dieser Maßnahme überhaupt bezwecken wollte.

Was würden Sie sich wünschen?
Christopher Spross

Wir können durchaus nachvollziehen, dass unsere noch junge Branche viele Fragen aufwirft und auch Behörden wie die Polizei nur sicherstellen wollen, dass wir uns an bestehende Vorgaben halten, doch dazu sind aus unserer Sicht keine vom Steuerzahler getragenen Großrazzien notwendig. Wir von Hanf im Glück sind an einem friedvollen Miteinander und absoluter Transparenz bezüglich unserer Produkte und unserer Tätigkeit interessiert. Wenn es also Fragen oder Gründe zur Besorgnis gibt, würden wir uns in Zukunft über einen zielführenden Dialog anstatt von existenzbedrohenden Beschlagnahmungen unseres gesamten Warenbestandes freuen.



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