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Rote Liste

Insektensterben in Baden-Württemberg: Spezialisten unter den Heuschrecken haben es immer schwerer

150.000 Datensätze haben Wissenschaftler ausgewertet. Diese zeigen: Den Heuschrecken in Baden-Württemberg geht es immer schlechter.

Klimaverlierer: Alpine Gebirgsschrecke
Klimaverlierer: Die Alpine Gebirgsschrecke, die es gerne kühl mag, ist im Schwarzwald immer seltener zu finden. Immer mehr Arten sind laut Fachleuten sogar unmittelbar vom Aussterben bedroht. Foto: Franz Lechner

Was haben Heuschrecken und Blätter gemeinsam? „Im Herbst werden sie bunt“, erzählt Peter Zimmermann und schränkt ein: „Das gilt für viele, aber natürlich nicht für alle der 70 im Südwesten vorkommenden Heuschreckenarten“.

Es ist nicht das einzige Interessante, was der Heuschreckenfachmann, der im Regierungspräsidium Karlsruhe für den Artenschutz in der Region zuständig ist, über eine unterschätzte Tiergruppe zu berichten weiß. Eine Tiergruppe, die so wie fast alle anderen Insektenordnungen stetig abnimmt. Das zeigt die von der Landesanstalt für Umweltschutz aktuell veröffentlichte „Rote Liste der Heuschrecken Baden-Württembergs“.

„Drei Kollegen und ich haben drei Jahre lang in verschiedenen Regionen Baden-Württembergs Heuschrecken kartiert und zusätzlich Sichtungen sowie Meldungen von vielen Helfern verarbeitet“, so Zimmermann.

Groß angelegte Untersuchung für neue Rote Liste

150.000 Datensätze konnten die vier Heuschreckenspezialisten und Autoren der Roten Liste so zusammentragen und auswerten. „Der Erstellung einer neuen Roten Liste ging also eine großangelegte wissenschaftlichen Untersuchung voraus“, sagt Zimmermann. Eine Untersuchung, deren Ergebnisse das Insektensterben auch im Land mehr oder weniger bestätigt.

„Von 70 Arten sind etwa 30, also rund 43 Prozent, gefährdet,“, berichtet einer der vier Bearbeiter der neuen Roten Liste, der pensionierte Zoologie-Professor Peter Detzel. Aber erst wenn man die Situation der einzelnen Arten genauer betrachte, werde richtig deutlich, wie sich die Lage seit der letzten Roten Liste verändert hat.

„Viele Arten, die 1998 noch als leicht gefährdet eingestuft wurden, mussten wir heute als stark gefährdet einordnen“, sagt Detzel. Acht Arten sind nach den Erkenntnissen von Zimmermann, Detzel, Hubert Neugebauer, und Maren Niehus heute sogar unmittelbar vom Aussterben bedroht.

Betroffen seien vor allem die Spezialisten unter den Heuschrecken, die auf bestimmte Lebensräume angewiesen sind. „Also beispielsweise auf Feuchtwiesen oder Arten, die es wie die Alpine Gebirgsschrecke im Schwarzwald gerne kühl mögen sind die großen Verlierer der vergangenen beiden Jahrzehnte“, verdeutlicht Peter Zimmermann und fügt hinzu: „Es gibt aber auch Klimaprofiteure, also wärmeliebenden Arten, die wegen des Klimawandels aus dem Süden bei uns einwandern konnten“.

Rote Liste erfasst Ausmaß der Gefährdung nur teilweise

Wie viel sich aber in der Welt der Heuschrecken und anderer Insekten tatsächlich geändert hat, zeigen Roten Listen nur teilweise. „Eine Rote Liste beschreibt ja den Gefährdungsstatus einzelner Arten, aber nicht wie es der Ordnung der Heuschrecken insgesamt geht, also wie sich die Zahl aller Heuschrecken in den zurückliegenden Jahrzehnten entwickelt hat“, sagt Zimmermann.

Und die Entwicklung ist so wie bei fast allen Insektengruppen erschreckend. „Vor 30 Jahren war mein Käscher, wenn ich ihn nur einmal durch einen kleinen Teil einer Wiese gezogen habe, voller Heuschrecken. Bei den landwirtschaftlich intensiv genutzten Wiesenflächen von heute, bin ich froh, wenn ich überhaupt noch eine Heuschrecke finde“, beschreibt Detzel die aktuelle Situation.

Warum leiden ausgerechnet die Arten, die oft in Wiesen zu Hause sind am stärksten? „Wiesenflächen werden heute so stark mit Nitraten gedüngt, dass sie nicht nur zwei Mal wie früher, sondern bis zu fünfmal im Jahr gemäht werden können“, erklärt Detzel, warum Wiesen heute kaum noch Nahrung für Insekten bieten. Ein zweites Problem schildert Kollege Zimmermann: „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass nur durch einen einzigen Schnitt mit den modernen Mulchern bis zu 40 Prozent aller Tiere auf einer Wiese getötet werden“.

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