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Grenke im Visier der Behörden

Investor wirft Grenke AG in Baden-Baden Betrug vor

Geldwäsche, Buchhaltungsbetrug – die Vorwürfe, die gegen Finanzdienstleister Grenke aus Baden-Baden erhoben werden, sollen dem Fall „Wirecard“ ähneln. Eine Börsen-Expertin sieht Anzeichen dafür, dass etwas dran ist an den Vorwürfen. Das Unternehmen selbst weist die Anschuldigungen „auf das Schärfste zurück“.

Wolfgang Grenke vor dem Firmensitz in Baden-Baden.
Wolfgang Grenke vor dem Firmensitz in Baden-Baden. Foto: Archiv

Zu Shortsellern gibt es zwei Meinungen. Diese Investoren setzen am Aktienmarkt auf den Misserfolg von Unternehmen. Die einen vergleichen Shortseller mit Heuschrecken, die aus Profitgier Unternehmen attackieren. Andere sagen, sie bringen nur zu Fall, was ohnehin bald fällt. Egal, wie man auf Shortseller blickt: Sie haben eine hohe Bedeutung für den Aktienmarkt. Wo sie kaufen, tut sich bald was. Für den Finanzdienstleister und MDax-Konzern Grenke aus Baden-Baden hieß das am Dienstag nichts Gutes. Shortseller stürzten sich auf die Aktie, die zwischenzeitlich um bis zu 30 Prozent einbrach.

Ausgelöst wurde das von Fraser Perring. Der britische Investor hat mit seinem Unternehmen „Viceroy Research“ ein 64-seitiges Papier veröffentlicht. Darin: massive Vorwürfe gegen die Grenke AG. Geldwäsche, Buchhaltungsbetrug – und das böse Wort „Wirecard“. Der deutsche Finanzdienstleister war nach ganz ähnlichen Vorwürfen Perrings zu Grunde gegangen. Der Fall Grenke ist aus seiner Sicht ähnlich gelagert.

Finanzaufsicht ermittelt nun

In dem Papier heißt es unter anderem: „Grenkes Geschäft basiert auf Fehlverhalten und Betrug.“

Nun gehört Perring selbst zu den Shortsellern und dürfte allem Anschein nach vom Kurseinbruch des MDax-Titels Grenke profitiert haben. Doch nach einem Bericht des „Spiegel“ soll er sich bereits Anfang August an die Finanzaufsicht Bafin gewandt und diese zu Ermittlungen aufgefordert haben – ohne Antwort.

Auf Nachfrage erklärt An­ja Schuch­hardt von der Bafin: „Wir sind noch ganz am Anfang.“ Unmittelbar nach Erscheinen des Reports habe man eine Analyse gestartet. „Wir untersuchen die im Report erhobenen Vorwürfe auf Marktmissbrauch.“

Die Untersuchung gehe in alle Richtungen und umfasse drei Punkte. Erstens: „Mögliche Marktmanipulationen durch die Grenke AG, etwa durch unrichtige Informationen zu Bilanzierungssachverhalten. Zweitens: „Mögliche Marktmanipulationen durch Dritte, etwa in Form einer Shortattacke.“ Drittens: „Mutmaßlicher Insiderhandel vor dem Erscheinen des Reports.“

Grenke AG weist Vorwürfe zurück

Dass Perring die Behörde kontaktiert hat, kann Schuch­hardt nicht bestätigen. „Wir haben bislang keinen Brief- oder Maileingang zu verzeichnen.“ Das sei der aktuelle Stand, betont die Bafin-Sprecherin. Denkbar sei auch, dass ein Brief innerhalb der Behörde bislang noch nicht erfasst wurde.

Zur Dauer der eigenen Untersuchung könne sie keine Angaben machen. „Häufig sind das komplexe Untersuchungen, bei denen wir weitere Informationen einholen müssen.“ Ob Grenke schon kontaktiert worden sei, wolle man wegen des laufenden Verfahrens nicht sagen.

In einer kurzen Pressemitteilung wies die Grenke AG die Vorwürfe am Dienstagabend „aufs Schärfste zurück“. Ein zentraler Vorwurf der „Viceroy Research“ laute dass von den im Halbjahresfinanzbericht 2020 ausgewiesenen 1.078 Millionen Euro liquiden Mitteln ein substanzieller Anteil nicht existiere. „Dies ist nachweislich falsch. 849 Millionen Euro, also fast 80 Prozent der liquiden Mittel, befanden sich zum 30.06.2020 auf Konten der Deutschen Bundesbank – wie im Halbjahresfinanzbericht veröffentlicht“, heißt es in der Stellungsnahme der Grenke AG. Heute betrage das Guthaben bei der Bundesbank 761 Millionen Euro.

„Darüber hinaus enthält der 64 Seiten lange Bericht zahlreiche weitere nicht zutreffende Anschuldigungen. Die Grenke AG bereitet derzeit eine ausführliche Replik auch zu diesen Anschuldigungen vor und wird dazu Stellung nehmen“, heißt es weiter im Schreiben des Unternehmens. Zudem behalte man sich rechtliche Schritte vor.

Bei Grenke ging es steil bergauf

Die Grenke AG galt jahrzehntelang als eines der Vorzeigeunternehmen in der Region, auch wegen des Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Effekts ihres Gründers Wolfgang Grenke. Sein mit 27 Jahren gegründetes Ein-Mann-Unternehmen wuchs rasant. Die Idee der Unternehmensgründung im Jahr 1978: Bürogeräte, die weniger als 50.000 Mark kosten, zu verleasen. 1997 gründet Grenke seine erste Auslandsgesellschaft, im Jahr 2000 folgt der Börsengang.

2018 scheidet der Unternehmensgründer aus dem Vorstand aus, weil er sich auf das Aufsichtsratsmandat und auf seine Ehrenämter konzentrieren wolle – unter anderem ist er Präsident der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe und des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages.

Bei Grenke ging es über viele Jahre steil aufwärts: 2019 stiegen die Baden-Badener in den MDAX auf, quasi die Zweite Bundesliga der Börse. Und sie spielen mittlerweile auch in den USA – dem größten Leasingmarkt der Welt – mit. Es ist das 33. Grenke-Land.

Expertin: „Das hat ein heftiges Ausmaß“

Die Corona-Pandemie traf indessen auch Grenke hart: Das Leasing-Neugeschäft ist im zweiten Quartal mit 402,3 Millionen Euro um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen.

Umso sensibler ist der Zeitpunkt, zu dem es Aufruhr um das Unternehmen aus Baden-Baden gibt. Finanzjournalistin Veronika Csizi behält in ihrer wöchentlichen Kolumne das Börsengeschehen für die BNN-Leser im Blick. Der Dienstag war mit Blick auf Grenke ein besonderer Tag, wie sie erklärt: „Das hat ein heftiges Ausmaß.“

Noch müssen die Hintergründe geklärt werden, doch für die Börsen-Expertin gibt es Anzeichen, dass die Vorwürfe nicht ganz unbegründet sind. Etwa, dass sich Perring an die Finanzaufsicht wandte. „Das macht er nicht, wenn er nur windige Informationen hätte.“ Stärker aber sieht Csizi die Rolle der Shortseller. „Da steckt irrsinnig viel Geld dahinter, sie können viel verlieren. Daher müssen sie über handfeste Informationen verfügen.“

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