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Aussprache über Regierungserklärung

„Politisches Poesiealbum“: Opposition greift Kretschmann scharf an

Mammut-Debatte im Landtag: Fünf Stunden dauert die Aussprache über die Regierungserklärung von Ministerpräsident Kretschmann. Die Opposition greift Grün-Schwarz auf breiter Front an.

Christoph Schmidt/dpa
Andreas Stoch (SPD) zeigt zwar Sympathie für die Inhalte des grün-schwarzen Koalitionsvertrags. Er wirft der neuen Landesregierung allerdings auch einen mangelnden Gestaltungswillen vor. Foto: Christoph Schmidt Christoph Schmidt/dpa/Archiv

Stuttgart. Je länger bei der Landtagssitzung am Donnerstag die erste Rede von Manuel Hagel als CDU-Fraktionschef dauert, desto mehr steigt die Laune seines FDP-Konterparts Hans-Ulrich Rülke.

Während der frischgebackene CDU-Frontmann Hagel über die Pläne der grün-schwarzen Regierung für die neue Legislaturperiode spricht, wird Rülkes Grinsen immer breiter. Er schüttelt den Kopf, schmunzelt, sieht seine Karteikärtchen durch, macht sich Notizen.

Dann, Hagel hat sage und schreibe eine Stunde und zwölf Minuten geredet, tritt Rülke selbst ans Mikrofon. Der Liberale gilt als einer der besten, jedenfalls als unterhaltsamster Redner im Landesparlament. Beißende Polemik, Häme und Spott sind seine Mittel. Seit 15 Jahren sitzt er im Landtag, seit zehn in der Opposition.

Rülke kritisiert Kretschmanns Regierung

Wenn es nach ihm gegangen wäre, säße Rülke jetzt einige Meter weiter, auf der Regierungsbank. Doch einer möglichen Ampel-Koalition erteilte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach Sondierungsgesprächen mit SPD und FDP eine Absage.

Er führt stattdessen das Bündnis mit der CDU fort. Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, am Mittwoch hielt er im Landtag seine Regierungserklärung.

Die knöpft Rülke sich jetzt vor. Was die Regierung vorhabe, bleibe „im Ungefähren“, kritisiert er, nennt den Koalitionsvertrag eine „Mogelpackung“, das Bündnis eine „Koalition der ungedeckten Schecks“.

Vor allem, dass Grün-Schwarz alle Vorhaben unter Finanzierungsbedarf stellt und es damit unmöglich macht, die Einlösung von Ankündigungen zu überprüfen, regt Rülke auf. „Wer so agiert, verkauft die Bürger für dumm.“

Stoch trauert der verpassten Ampel-Koalition nach

Den Grünen wirft er ein „dirigistisches Staatsverständnis“ vor, der CDU, für Regierungsposten jegliche Inhalte geopfert zu haben. Die Union, ruft er Hagel zu, sei „ein schwarzer Bettvorleger, der grüne Inhalte abnickt“. Zwar benenne die Koalition die „wesentlichen Zukunftsthemen“ zutreffend. „Aber wenn es um die Umsetzung geht, sind wir an fast allen Stellen anderer Meinung.“

Ähnlich argumentierte gleich zu Beginn der Debatte auch Andreas Stoch. „Viele dieser Wünsche teilen wir“, sagt der SPD-Fraktionschef, der ebenfalls der verpassten Ampel-Koalition nachtrauert, mit Blick auf die grün-schwarzen Ankündigungen.

Aber wer regiere, dürfe nicht nur Wünsche äußern, sondern müsse entschlossen handeln. „Ein Wandel hat begonnen, dessen Ausmaße viele erst nach und nach zu begreifen scheinen.

Ein Wandel, der uns in einem Maße herausfordert, wie es dieses Land seit seiner Gründung wohl noch nie erlebt hat.“ Doch Grün-Schwarz ergehe sich in Ankündigungen, die angesichts knapper Kassen unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Der Koalitionsvertrag sei „ein politisches Poesiealbum“.

Wenn die Bude brennt, brauche ich Wasser und keinen Löschdialog.
Andreas Stoch, SPD

„Wenn die Bude brennt, brauche ich Wasser und keinen Löschdialog“, sagt Stoch und ruft Grün-Schwarz auf, für wichtige Maßnahmen auch die Aufnahme neuer Schulden zu prüfen.

„Wenn es sein muss, darf auch das Thema Verschuldung nicht von vornherein ein Tabu sein, wenn es darum geht, dieses Land aus der Pandemie heraus in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.“ Dem erteilt Hagel prompt eine Absage: „Was es bei uns nicht geben wird, ist das Aussetzen der Schuldenbremse.“

Radikalkritik von AfD-Fraktionschef Gögel

Kretschmann sagt: „Da wir eine geltende Schuldenbremse haben, was immer man von ihr halten mag, sie gilt auf jeden Fall, und sie gilt für diese Koalition, müssen wir uns daran halten und danach ausrichten.“ Die Kritik der Opposition könne er nicht nachvollziehen.

Radikalkritik äußerte AfD-Fraktionschef Bernd Gögel. Mit Blick auf die geplanten Klimaschutzmaßnahmen spricht er von „Ökosozialismus“, die Koalition führe das Land in den „wirtschaftlichen Niedergang“. Baden-Württemberg drohe sich „zu einem Schwellenland zurückzuentwickeln“.

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