Skip to main content

Schule in der Corona-Krise

Vorsitzender des Landeselternbeirats kritisiert Konzept zum Schulstart: „Es ist mir ein Rätsel“

Michael Mittelstaedt, neuer Vorsitzender des Landeselternbeirats, spricht im Interview über Unterricht in Corona-Zeiten, politische Konzepte und seine Ideen für den Schulstart im Herbst.

Spart nicht mit Kritik: Michael Mittelstaedt vertritt er die Interessen der Eltern von rund 1,5 Millionen Schulkindern in Baden-Württemberg. Der Vater dreier Kinder hat einiges auszusetzen an der Krisen-Schulpolitik.
Spart nicht mit Kritik: Michael Mittelstaedt vertritt er die Interessen der Eltern von rund 1,5 Millionen Schulkindern in Baden-Württemberg. Der Vater dreier Kinder hat einiges auszusetzen an der Krisen-Schulpolitik. Foto: Marijan Murat

Zwischen der organisierten Elternschaft im Land und Kultusministerin Eisenmann (CDU) flogen zuletzt die Fetzen. Bald nach der Corona-bedingten Schließung aller Schulen schoss Carsten Rees – damals Vorsitzender des Landeselternbeirats, ein offizielles Anhörungs- und Beratungsgremium des Ministeriums – offene Briefe ab wie Pfeile. Eisenmann kommuniziere nicht mit Eltern, wetterte Rees. Auch sein Ende Juni gewählter Nachfolger Michael Mittelstaedt spart nicht mit Kritik an der Krisen-Schulpolitik.

Herr Mittelstaedt, Ihr Vorgänger hat zum Ende seiner Amtszeit das Verhältnis zum Kultusministerium ziemlich eskaliert. Wie lief Ihr Auftaktgespräch mit Frau Eisenmann?
Mittelstaedt

Das ist erst für Anfang September geplant, bisher hatten wir nur einmal kurz Kontakt.

Welchen Eindruck haben Sie von ihr?
Mittelstaedt

Warten wir mal das Gespräch ab. Grundsätzlich sind Politik und Elternarbeit schon sehr unterschiedliche Dinge. Das hat man zum Beispiel zuletzt an diesem Eiertanz um die Frage der Kommunikation zwischen Ministerium und Eltern gesehen.

Ihr Vorgänger warf dem Ministerium vor, überhaupt nicht mit ihm zu sprechen. Eisenmann konterte mit Listen von Gesprächsterminen.
Mittelstaedt

Beides war nicht falsch, aber beides war auch nicht die ganze Wahrheit. Die lag ziemlich genau in der Mitte: Es gab die übliche regelmäßige Kommunikation, aber keinen Austausch über die relevanten Corona-Fragen.

Seit Beginn der Pandemie üben bundesweit Eltern Kritik an verantwortlichen Schulpolitikern. Zu Recht?
Mittelstaedt

Ja, durchaus. Alles lief lokal sehr unterschiedlich. Eigentlich ging es nur da gut, wo es gute Schulleitungen gab, die genug Mut, Energie und Möglichkeiten hatten, etwas zu bewegen. Von der Politik kam viel zu wenig.

Schulen sind nun einmal sehr freie Konstrukte, könnte man erwidern.
Mittelstaedt

Ja, das liegt an unserem Schulsystem. Sie können ja einer Schule nichts direkt anweisen, etwa im Hinblick auf Homeschooling. Es gibt da den wunderbaren Begriff der pädagogischen Verantwortung, den wir Eltern oft als pädagogische Freiheit interpretieren. Denn so wirkt es nach außen. Jede Lehrkraft ist frei, weitgehend zu machen, was sie will. Homeschooling kann bedeuten, dass man zum Wochenbeginn fünf Seiten Papier verschickt und dazu sporadisch Telefonkontakt mit Schülern hält. Da haben wir dann doch ganz andere Vorstellungen.

Was halten Sie vom Konzept des Kultusministeriums für das kommende Schuljahr?
Mittelstaedt

Was steht denn da konkret drin? Vieles hört sich vielleicht super an, aber uns ist das viel zu allgemein. Im Prinzip steht da gar nichts Belastbares. Am Ende entscheidet jede einzelne Schule. Wie so flächendeckend der versäumte Stoff aufgeholt werden soll, ist mir ein Rätsel. Dazu müssten die Kinder eigentlich das ganze Schuljahr jeden Samstag vier Stunden bekommen. Aber dafür fehlt das Personal.

Das Ministerium setzt auf feste Lerngruppen. Überzeugt Sie das?
Mittelstaedt

Nein, meine Kinder gehen auf ein Gymnasium, das ist Teil eines Schulzentrums auf einem Campus. Da gibt es schulübergreifende Kurse, Kooperationen, Fächerschwerpunkte. Und dann fahren die Schüler ja auch alle mit dem Bus. Die haben ständig Kontakt, mich überzeugt das nicht.

Wie stellen Sie sich den Schulstart im Herbst vor?
Mittelstaedt

Eigentlich muss man davon ausgehen, dass immer wieder einzelne Schulen oder Klassen geschlossen sind. Wir befürworten von Anfang an kleinere Klassen. Das lässt sich aber nur realisieren, indem man Klassen halbiert und immer abwechselnd die eine Hälfte woanders unterrichtet: entweder zuhause – das wäre eine riesige Belastung für Eltern. Oder man findet andere Möglichkeiten: in kommunalen Räumen, Hallen oder so. Da könnten Schüler betreut werden und individuell lernen – wenn es eine zum Lehrplan passende Lernplattform gäbe. Aber die gibt es ja nicht.

Woher sollen die Lehrer für halbierte Klassen kommen? Schon jetzt herrscht ja Lehrermangel.
Mittelstaedt

Natürlich, es fällt sowieso schon viel zu viel aus. Aber für die Betreuung solcher Lerngruppen, die beispielsweise in öffentlichen Räumen mit Lernplattformen arbeiten, reicht auch eine Aufsicht. Das muss kein Lehrer sein. Aber solches Personal müsste man jetzt organisieren. Davon sehe ich aber nichts.

nach oben Zurück zum Seitenanfang