Skip to main content

Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten

Warum Olaf Scholz im Südwesten auch ohne SPD-Chefin Esken punktet

Die baden-württembergischen Sozialdemokraten freuen sich über den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. SPD-Chefin Saskia Esken darf mit der ruhigen Nominierung einen großen Erfolg feiern - doch der Einfluss der Schwarzwälderin auf die Stimmung der Genossen im Südwesten ist sehr begrenzt.

Olaf Scholz wird auf einer Pressekonferenz neben Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Kanzlerkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl 2021 vorgestellt.
Wie ist das Echo im Südwesten? Hier kann SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (M.) auf die Unterstützung der Sozialdemokraten hoffen. Die Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken haben sich für ihn entschieden. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Sache mit Olaf Scholz war eine Reifeprüfung für Saskia Esken. Die Frau, die Ende 2019 so unerwartet an die Spitze der SPD gewählt wurde, muss sich bis heute Tag für Tag innerhalb der Partei behaupten. Der Widerstand in der eigenen Fraktion war groß und bis heute, so heißt es, hält sich der Applaus bei ihren internen Ansprachen in Grenzen. Die Sache mit Scholz nötigt aber selbst den Zweiflern unter den Sozialdemokraten Respekt ab.

Wie geräuschlos die Parteispitze um Esken und Norbert Walter-Borjans den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl kürten, hatte niemand erwartet. Im Juni berief Esken die SPD-Chefs aus den Bundesländern nach und nach ein, dann war die Nachricht gestreut. Dass es bis August niemand ausplaudern würde, wäre früher in der SPD undenkbar gewesen.

Scholz als Kanzlerkandidat: „Es war keine Sturzgeburt”

„Wie das von der Parteispitze vorbereitet wurde, ist hoch professionell”, sagt der baden-württembergische SPD-Chef Andreas Stoch. „Es war keine Sturzgeburt, sondern ein kluger Prozess.” Das sei 2013 und 2017 anders gewesen. Genossen in Berlin loben die vielen Absprachen, die Esken trifft, Stoch freut sich über die gute Verbindung Stuttgart-Berlin. „Ich habe noch nie mit einer Parteivorsitzenden so viel kommuniziert.”

Und doch ist es nicht Esken, die Schwarzwälderin, die der Südwest-SPD für die Bundestagswahl einheizen wird. Aus Sicht so mancher Mitglieder des eher konservativen Landesverbands ist sie zu links, und der Heimatbezug spiele da kaum eine Rolle, sagen hiesige Genossen. Das Glück für Kanzlerkandidat Scholz: Er kann sich auch ohne Esken auf die baden-württembergischen Genossen verlassen.

Es heißt: Es muss ja der Scholz sein in der SPD - er ist der Beste.
Markus Rupp, SPD-Bürgermeister von Gondelsheim

Von den SPD-Größen im Südwesten ist nur Positives zu hören. „Scholz ist der Richtige”, sagt Katja Mast (Bundestagsabgeordnete aus Pforzheim/Enzkreis), man stehe geschlossen hinter ihm. „Olaf Scholz kann Kanzler”, äußert Gabriele Katzmarek (Bundestagsabgeordnete aus Rastatt). Vom Karlsruher SPD-Kreisvorsitzenden Parsa Marvi ist zu hören: „Für mich ist Olaf Scholz die richtige Wahl.”

Die Jusos sind eher zurückhaltend

Vergleichsweise ruhig fiel dafür die Rückmeldung des Nachwuchses aus. Die Jusos in Baden-Württemberg sind, ähnlich wie der Landesverband an sich, eher konservativer. „Ich bin kein riesiger Olaf-Scholz-Fan”, sagt der baden-württembergische Juso-Chef Pavlos Wacker. „Aber er wird einen guten Kandidaten abgeben.”

Die Unterstützung der Jusos bekomme ein Kanzlerkandidat relativ einfach, sagt Wacker: „Durch Inhalte.” Und er sagt gleich: „Das wird natürlich nicht einfach.” Es gibt so ein paar Themen, die der Nachwuchs naturgemäß anders anpacken würde, als der zurückhaltende Zahlenmensch Olaf Scholz. „Er hat mich aber in der Krise auch überrascht”, sagt Wacker. „Er hat Unmengen Gelder in die Hand genommen.” Er versichert: „Ich werde solidarisch mit Olaf Scholz sein.”

Esken musste über ihren Schatten springen

Es scheint dieser Pragmatismus zu sein, der die SPD derzeit so ruhig hält. Auch Parteichefin Esken wird nicht von allen Sozialdemokraten politisch unterstützt, aber sie wird nicht gestürzt. Für eine Partei, in der es selbstverständlich war, solange am Stuhl des Chefs zu sägen, bis man selbst auf einem wackligen Hocker Platz nehmen darf, ist das ein gewaltiger Fortschritt.

An der Entwicklung hat Esken ihren Anteil. Außenstehende bewerteten es als überraschend, dass sie Scholz zum Kanzlerkandidaten machte. Ausgerechnet den Mann, dem sie im Rennen um den Parteivorsitz gar absprach, ein „standhafter Sozialdemokrat” zu sein. Den Mann, der sich nicht wie Esken selbst für eine linke Koalition begeistern will. Doch sie beobachtete in den vergangenen Monaten genau, wie viel Anerkennung Scholz in der Fraktion genießt.

„Das macht sie sehr pragmatisch”, sagt eine Parteifreundin. „Olaf sagt was in der Fraktion, dann gibt es großen Beifall. Innerhalb der Fraktion gibt es da kein Vertun.” Und Esken profitiere auch. „Sie zeigt, dass sie sich von der Juso-Kampagne bei ihrer Wahl löst.” Ein Herzensteam werden Esken-Scholz nicht mehr, so die Genossin - aber eben ein pragmatisches Team.

Gondelsheimer Bürgermeister: Scholz spricht die Masse an

Zusammen könnte das ganz gut passen, glaubt Markus Rupp. Der Gondelsheimer Bürgermeister führt die SPD-Kreistagsfraktion in Karlsruhe an und bekommt die Stimmung vor Ort gut mit. „Scholz ist eigentlich die Führungsperson der SPD, die Bürger sehen es als logische Wahl. Es heißt: Es muss ja der Scholz sein in der SPD - er ist der Beste.”

Esken bilde den linken Flügel ab, Scholz die Mitte der Partei. „Er spricht die Masse der Bevölkerung an, das ist auch aus Sicht eines Bürgermeisters wichtig.”

Und Esken solle bleiben, Kontinuität sei nun wichtig. Rupp möchte aber nicht verbergen, dass er sich auch mal ärgert über die 58-Jährige. „Sie tapst manchmal etwas unglücklich in Diskussionen rein.”

Rupp meint damit den Vorfall, mit dem Esken „mal wieder für eine ordentliche Welle gesorgt hat” (Süddeutsche Zeitung). Nach den Unruhen um Polizeieinsätze in den USA sprach sie in Deutschland von einem „latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte”. Der Vergleich traf einen Nerv.

Saskia Esken - naiv und unerfahren?

„Das hat uns richtig viel Arbeit gemacht in den Wahlkreisen”, sagt eine Abgeordnete. „Alle mussten erst mal ihre Polizeistationen besuchen.” Dass Esken so viel twittert, wird gerade von Journalisten gerne gesehen, von ihren Parteikollegen eher weniger. Die Gefahr ist aber groß, dass sie unbedachte Aussagen trifft. „Sie ist sich treu geblieben, muss aber verinnerlichen, dass sie für uns alle spricht”, so die Parteifreundin.

Manchmal ist es Saskia Esken, die nicht einkalkuliert, dass mit ihren Aussagen Schlagzeilen entstehen wie „Ich habe meinen Chef geheiratet” oder „SPD-Chefin hat gekifft”. Naiv und unerfahren sei das, heißt es dann von Genossen. Die andere Saskia Esken aber ist es, die solche Schlagzeilen in Kauf nimmt, weil sie sich nicht verbiegen lassen möchte.

Eine dieser beiden Eskens wird vor der Landtagswahl im März 2021 in Baden-Württemberg auftauchen. Spitzenkandidat Andreas Stoch betont: „Es ist logisch, dass sie eine Rolle in unserem Wahlkampf spielen wird. Alles andere wäre schräg.” Stoch erklärt aber auch: „Wir setzen auch auf die Unterstützung von Olaf Scholz.” Teamplay sei das.

Auch wenn sie inhaltlich weit auseinander sind, die Genossen im Südwesten und im Bund werden beide brauchen: Olaf Scholz und Saskia Esken. Esken, die 2017 als letzte baden-württembergische Listenkandidatin in den Bundestag einzog, wird im Herbst 2021 die Liste anführen. Ein kleiner Aufreger. „Es wird akzeptiert”, sagt eine Sozialdemokratin. Aber die Genossen im Südwesten, „die sind Feuer und Flamme für Olaf”.

nach oben Zurück zum Seitenanfang