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Katastrophenschutz

Handy als Helfer: Neues Warnsystem „Call Broadcast“ wird bald getestet

Deutschland hat sich mit der Einführung des Warnverfahrens Call Broadcast viel Zeit gelassen. Nun soll es erstmals am bundesweiten Warntag am 8. Dezember getestet werden. Was dahinter steckt.

Lehren aus der Flutkatastrophe: Nach dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal mit vielen Todesopfern wurde in Deutschland im August 2021 die Einführung des Warnsystems Cell Broadcast beschlossen.
Nach dem Hochwasser im Ahrtal mit vielen Todesopfern wurde in Deutschland 2021 die Einführung des Warnsystems Cell Broadcast beschlossen. Foto: Boris Roessler / dpa

Am 8. Dezember um 11 Uhr wird es allerorten in Deutschland summen, klingeln und piepen. Wer dann auf sein Handy schaut, sollte eine Test-Nachricht erblicken. Hoffentlich.

Die knappe Mitteilung wird die Bevölkerung wahrscheinlich über eine fiktive Notlage benachrichtigen. Den genauen Wortlaut der simulierten Warnung wollte das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) auf BNN-Anfrage nicht verraten.

Doch das ist zweitrangig. Was zählt, ist ein Versuch, so viele Menschen in der Bundesrepublik gleichzeitig zu erreichen wie noch nie zuvor. In Situationen, wenn es um Sicherheit der Bevölkerung geht, kann dies extrem wichtig sein.

Darum wird der verschobene, bundesweite Warntag zum ersten Test des „neuen“ Katastrophen-Warnsystems Cell Broadcast (CB), das im Ausland schon seit Jahren genutzt wird und Menschenleben rettet.

Gedämpfte Erwartungen an den Warntag

In Deutschland wurde diese Technik von den politischen Entscheidern lange ignoriert, zuletzt hatten technische Probleme ihre Einführung verzögert. Ob am 8. Dezember wirklich alles funktioniert, ist fraglich.

Auf seiner Webseite dämpft das BBK jedenfalls die Erwartungen mit dem Hinweis, dass zunächst „kein vollständiger Wirkbetrieb“ geplant sei und „nicht alle Handynutzer“ eine CB-Warnmeldung empfangen könnten.

Cell Broadcast ist eine alte Standardtechnologie des Mobilfunks, die jedoch als zuverlässig gilt. Jedes mobile Telefon registriert sich automatisch in einer sogenannten Funkzelle, über die ein Netzempfang hergestellt wird. Der zentrale Verteiler der Funkzelle kann in umgekehrter Richtung Warnmeldungen an alle Geräte in seinem Bereich versenden.

Alarm-Nachrichten sind jederzeit möglich

Der Unterschied zur SMS ist, dass der CB-Standard anonym ist und sämtliche in einem bestimmten Gebiet befindlichen Empfänger erreichen soll. Die SMS wird dagegen immer an eine bestimmte Person geschickt.

Ein weiterer Vorteil des Alarmsystems ist, dass es ein geringes Datenvolumen benötigt und auch in einem „vollen“ Mobilnetz funktioniert – der Cell Broadcast wird selbst dann ohne Zeitverzögerung übertragen, wenn keine Gespräche oder Messenger-Nachrichten möglich sind.

Mit Cell Broadcast erreichen die Netzbetreiber nicht nur ihre Kunden, sondern alle Empfänger. Das System funktioniert auch mit ausländischen SIM-Karten. Schließlich ist es benutzerfreundlich und barrierearm: CB wird direkt vom Betriebssystem des Handys (nicht nur Smartphones) dargestellt.

Es braucht also keine Apps zum Lesen und setzt keine Kenntnisse des Nutzers voraus. Das macht ihn in den USA, China, Japan, Kanada und einigen EU-Ländern zu einem attraktiven Warnhelfer – aber bislang nicht in Deutschland, wo man auf spezialisierte Warn-Apps gesetzt hat.

Warn-Apps sind nicht für alle geeignet

Sie heißen Nina, Nora, Katwarn oder Warnwetter: Die Anwendungen des Bundes und des Deutschen Wetterdienstes können nützlich sein, doch sie funktionieren nicht auf allen Mobiltelefonen.

Sind die Geräte kompatibel, müssen die Apps von Nutzern erst installiert und eingerichtet werden, ehe man sich in relativer Sicherheit wiegen darf. Auch deswegen sind ihre Nutzerzahlen bislang eher gering: Nina wurde angeblich zehn Millionen Mal heruntergeladen, Katwarn vier Millionen Mal.

Ende 2018 hatte die EU einen neuen Warnstandard auf Basis von Cell Broadcast beschlossen. Es wurden aber Ausnahmen erlaubt, und die damalige Bundesregierung nutzte offenbar die Schlupflöcher, um an Nina & Co weiter festzuhalten. Bis die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Mitte 2021 zu einem Umdenken beim Katastrophenschutz geführt hat.

Die Warnung der Bevölkerung muss klappen, auf allen Kanälen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (August 2021)

Vier Wochen nach der verheerenden Rekordflut verkündete der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): „Die Warnung der Bevölkerung muss klappen, auf allen Kanälen. Wenn man nachts geweckt wird, muss man sofort wissen, was passiert ist und wie man sich verhalten soll.

Die Einführung von Cell Broadcast wird Sirenen, Apps und den Rundfunk ergänzen.“ Es dauerte dann noch ein halbes Jahr, bis die Bundesnetzagentur den Weg für die Einführung eines Alarms via Mobilfunk freigemacht hatte.

„Wir haben es versäumt, verschlampt, verschleppt“, ärgerte sich im Februar 2022 die FDP-Innenpolitikerin Sandra Bubendorfer-Licht. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einer „ärgerlichen Zeitverzögerung“. Es dauerte dann wieder Monate, bis die organisatorischen und technischen Hürden auf dem Weg zum neuen System geräumt wurden.

Technische Probleme führen zu Verzögerung

Das BBK wollte eigentlich Cell Broadcast auf einem Warntag im September erproben, doch die Mobilfunk-Anbieter konnten bis zuletzt keinen reibungslosen Betrieb garantieren. Darum wurde der Test verschoben.

Ein Problem war, dass viele moderne Smartphones den vor 20 Jahren eingeführten Standard nicht unterstützten, weil ihre Betriebssysteme darauf nicht eingerichtet waren.

Ältere Handys scheiterten an bestimmten Alarm-Vorgaben der EU. Angeblich sind diese Probleme behoben. Gelingt der Test am 8. Dezember, soll der Regelbetrieb von Cell Broadcast ab Februar 2023 starten.

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