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Keine Methode zum Abnehmen

Fasten ist schwer in Mode – doch es kann auch gefährlich werden

Heilfasten, Klimafasten, Intervallfasten: Der ritualisierte Verzicht auf Nahrung hat viele Gesichter und ist bis heute in Mode. Wer Fasten als reine Methode zum Abnehmen missbraucht, begeht allerdings einen schwerwiegenden Fehler, warnen Experten.

Hinduistische Gläubige in Dhaka, Bangladesch, begehen in einem Tempel das religiöse Fastenfest Rakher Upobash. +++ dpa-Bildfunk +++
Vielfalt im Verzicht: Hinduistische Gläubige in Dhaka, Bangladesch, begehen in einem Tempel das religiöse Fastenfest Rakher Upobash. Foto: Xin Hua, dpa

Weniger ist manchmal mehr. Schon Hippokrates von Kos, der berühmteste Arzt des Altertums, war von einer Praxis überzeugt, die heute noch viele Anhänger hat: „Heile ein kleines Weh eher durch Fasten als durch Arznei“, empfahl der alte Grieche.

Aber wie fastet man richtig? Es passt zur Überflussgesellschaft, dass sie nicht nur ein unüberblickbares Angebot an Schokoladensorten zu bieten hat, sondern auch ungezählte Arten des Fastens – von „Diäten“ ganz zu schweigen.

Der entscheidende Unterschied zwischen Fasten und Diät („Lebensführung“) war neben den spirituellen Aspekten ursprünglich jener, dass man beim Fasten temporär wenig oder gar keine Nahrung zu sich nimmt und die Diät als eine langfristige Umstellung der Ernährung gedacht war.

Inzwischen ist es vor allem die unterschiedliche Motivation: Geht es bei einer Diät meist um möglichst schnellen Gewichtsverlust, besitzt das Fasten immer noch eine spirituelle Komponente.

In allen großen Religionen spielt das Fasten eine Rolle

Von Jom Kippur bis Ramadan: In allen großen Religionen wird Verzicht geübt, um Körper und Geist zu reinigen. Im Buddhismus und im Hinduismus gibt es keine einheitlichen Fastenzeiten, aber eine Vielzahl von Anlässen: Viele Hindus fasten zum zu Krishnas Geburtstag oder am Shiva-Tag.

Der berühmteste Fastende des 20. Jahrhunderts war wohl der indische Pazifist und Politiker Mahatma Gandhi, der sagte: „Die Fasten sind ein Teil meines Wesens. Ich kann auf sie ebenso wenig verzichten wie auf meine Augen.“

Mohammed fastete, bevor ihm der Koran offenbart wurde, Moses empfing das Wort Gottes auf dem Berg Sinai nachdem er 40 Tage gefastet hatte. Und auch Jesus zog sich der Bibel zufolge 40 Tage in die Wüste zurück. Auf diese 40 Tage bezieht sich bis heute das christliche Osterfasten von Aschermittwoch bis zum Abend des Karsamstag. Das sind zwar 46 Tage, aber der Sonntag, das „kleine Ostern“, ist kein Fastentag.

Einst kannten die Christen viele Fastentage und -zeiten: Mittwochs etwa wurde gefastet, weil Judas Jesus an jenem Tag verraten haben soll. Und das Freitagsfasten bezog sich auf die Kreuzigung Jesu. Geblieben ist der Brauch, an Freitagen kein Fleisch zu essen, wobei die kirchenamtliche Definition von Fleisch lange „an Land lebende Warmblüter“ war.

Das Verstecken von Fleischbrät in Nudelteig war allerdings nie die reine Lehre. Auch wenn die Maultasche („Herrgottsbscheißerle“) angeblich im Kloster Maulbronn erfunden wurde, von einem Laienmönch namens Jakob, der zu Beginn der Passionszeit noch ein schönes Stück Fleisch besaß. Auch das Starkbier soll von findigen Mönchen als Fastengetränk erfunden worden sein, getreu der Regel „Flüssiges bricht das Fasten nicht“.

Die seit der Antike überlieferte griechisch-christliche Fastenpraxis unterschied sich lange in drei Stufen, wie der Würzburger Medizinhistoriker Gundolf Keil in seinen Medizinhistorischen Miteilungen darlegt: Vollfasten (keine Nahrungsaufnahme und kein Trinken), Halbfasten (eine Mahlzeit pro Tag und erlaubte Flüssigkeitsaufnahme) sowie das Abstinenz-Fasten (Verzicht auf bestimmte Speisen und Getränke).

Längst sind weitere Fastenmethoden hinzugekommen. Das Angebot ist opulent: Es gibt Basenfasten, Früchtefasten, Wasserfasten, das Hildegard-Fasten, die Schroth-Kur, die Mayr-Kur oder der temporäre Verzicht auf einzelne Leben- und Genussmittel wie Süßigkeiten, Alkohol oder Fleisch.

Die christlichen Kirchen rufen zum „Klimafasten“ auf

Die Kirchen rufen dieses Jahr zum „Klimafasten“ auf, wie die Initiative von 17 evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern sowie der Hilfsorganisationen Misereor und Brot für die Welt heißt. „Klimagerechtigkeit beginnt bei uns zu Hause. Dafür ist es wichtig, dass wir uns bewusster ernähren und weniger Lebensmittel wegwerfen“, sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt.

Besonders angesagt ist das Intervallfasten, bei dem täglich bis zu 16 Stunden nichts gegessen wird. „Das kurbelt den Stoffwechsel an und kann nicht nur dabei helfen, gesund abzunehmen, sondern auch vor Diabetes, Typ 2, schützen“, erläutert Solveig Haw, Gesundheitsexpertin bei der Deutsche Krankenversicherung (DKV).

Der moderne Klassiker schlechthin ist das „Heilfasten nach Buchinger“, das auch „Heilfasten nach Riedlin“ heißen könnte. Denn Otto Buchinger kam 1919 über den badischen Arzt und Naturheilkundler Gustav Riedlin zum Fasten. Der in Freiburg im Breisgau praktizierende Riedlin half Buchinger, durch Fasten sein Rheuma zu kurieren.

Es wurde Buchingers Lebensthema, bis heute kann man in Buchinger-Kliniken für gutes Geld betreute Fastenkurse buchen. Gleichwohl stellt Eva Lischka, Chefärztin der Buchinger-Wilhemi-Klinik in Überlingen am Bodensee, klar: „Fasten hat niemand erfunden.“

Diese Überlebensstrategie ist fest in unseren Genen verankert.
Eva Lischka, Chefärztin und Fasten-Expertin

Fasten habe über Jahrtausende hinweg das Überleben gesichert, indem der Körper in mageren Zeiten auf einen anderen Stoffwechselmodus geschaltet hat. „Diese Überlebensstrategie ist fest in unseren Genen verankert“, so Lischka, die auch Vorsitzende der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung (ÄGHE) ist.

Zum dauerhaften Abnehmen ist Fasten nicht geeignet

Heute definiert die ÄGHE Fasten als „freiwilligen Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für begrenzte Zeit“. Diverse neue Spielarten wie Handy- oder Autofasten fallen also nicht darunter.

Im Gegensatz zum unfreiwilligen Hungern produziert der Körper beim bewussten Fasten auch weniger Stresshormone. Im Gegenteil: Untersuchungen zeigen, dass beim Fasten vermehrt das „Glückshormon“ Serotonin ausgeschüttet wird.

Wer Fasten indes als Wundermittel gegen Übergewicht versteht, dürfte schwer enttäuscht werden. „Fasten als Mittel zur Gewichtsreduktion lehnen wir grundsätzlich ab“, heißt es etwa bei der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). Grund ist der berüchtigte Jo-Jo-Effekt, wenn der Stoffwechsel nach dem Notprogramm wieder in die Vollen geht.

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