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Seereise am Ende der Welt

Wo Prinz Harry beim Pub-Quiz verlor: Neuseelands wilder Süden

Neuseeland liegt ohnehin sehr weit weg, da schaffen es nur die wenigsten Reisenden auch noch ins abgelegene Fjordland. Unsere Autorin schon.

Blick über das Kielwasser eines Schiffs zurück in den Milford Sound
Hunderte Meter hoch ragen die Steilwände über dem Milford Sound auf, einem der längsten Fjorde im neuseeländischen Nationalpark Fjordland. Foto: Rosana/Adobe Stock

Wenn sich der Autor des Neuseeland-Reiseführers da mal nicht geirrt hat: „Wolkenverhangen und atemberaubend schön“ nennt er den Dusky Sound, doch über dem längsten Fjord des Pazifikstaates hängt keine einzige Wolke. Das Prädikat „atemberaubend schön“ trifft dagegen zu, wobei diese Wörter fast zu abgegriffen für dieses Meisterwerk der Natur erscheinen.

Während die „Vasco da Gama“, das 219 Meter lange Flaggschiff von Nicko Cruises, mit gemütlichen elf Knoten durch den 44 Kilometer langen Meeresarm an der Westküste der Südinsel tuckert, sind die Passagiere andächtig still angesichts der menschenleeren Wildnis, die schon James Cook 1770 auf seiner Weltumrundung bestaunte.

Steile Hänge ziehen sich zu beiden Seiten des mäandernden Sunds in die Höhe. Dahinter ragen die Silhouetten schroffer Felsspitzen auf, deren Schneefelder in der Sonne funkeln. Gurgelnde Bäche bannen sich ihren Weg durch undurchdringliche Wälder voller fremdartiger Pflanzen, vereinigen sich zu gewaltigen Kaskaden, die brausend und schäumend in den Sound stürzen.

Weit und breit ist kein weiteres Boot zu entdecken, keine Menschenseele, nur ein paar Möwen gleiten elegant über die spiegelglatte See.

Neuseelands Ende der Welt

Neuseelands Fjorde mit dem Schiff zu entdecken, ist sicherlich die bequemste Art. Denn zum Dusky Sound, an dem einst Maori-Stämme fischten und jagten, führt keine Straße, noch gibt es menschliche Siedlungen. Der 84 Kilometer lange, herausfordernde Dusky Track ist eher etwas für Wanderfreaks, die viel Zeit haben und sich weder von umgestürzten Bäumen, noch von tiefem Schlamm und gelegentlichen Flussüberquerungen aufhalten lassen.

Der Dusky Sound, dessen Maori-Name Tamatea lautet, ist einer der Stars des 12.500 Quadratkilometer großen Fjordland Nationalparks im äußersten Südwesten Neuseelands, eine der schönsten und zugleich abgelegensten Ecken des Landes.

Fahrt durch den Doubtful Sound in Neuseeland
Blick über das Achterdeck der „Vasco da Gama“ bei der Ausfahrt aus dem Doubtful Sound. Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Ein gutes Dutzend Fjorde, gesäumt von uralten Wäldern, in denen noch einige wenige Exemplare des vom Aussterben bedrohten Bergpapageis Kea leben, schlängeln sich tief ins Landesinnere, darunter der 420 Meter tiefe Doubtful Sound und sein wilder Kumpan, der Milford Sound.

Hier wurden Szenen für „Herr der Ringe“ gedreht

Den bezeichnete Rudyard Kipling als achtes Weltwunder. An grauen Regentagen ist der Landstrich so mystisch wie Tolkiens sagenhaftes Reich Mittelerde. Wenn sich tief hängende Wolken wie ein Leichentuch über die steilen Flanken legen und Hunderte von Wasserfällen wie feine, weiße Adern die Haut des Berges überziehen, versteht man, weshalb Regisseur Peter Jackson hier Szenen seiner „Herr der Ringe“-Filme drehte.

Oft ertrinken die urtümlichen Wälder im Nass. Niederschläge sind hier so ergiebig, dass sie nicht in Millimetern, sondern in Metern angegeben werden – sieben sind es in durchschnittlichen Jahren, also 7.000 Liter pro Quadratmeter, rund zehnmal so viel wie in Deutschland.

Tief hängende Wolken im Milford Sound in Neuseeland
Oft hängen hier die Wolken tief; in Fjordland fällt rund zehnmal so viel Regen wie in Deutschland. Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Für die Maori, die vor rund 1.000 Jahren aus ihrer mythischen polynesischen Heimat Hawaiki in das „Land der langen weißen Wolke“ kamen, stand fest: Ein solcher Schatz der Natur kann nur von einem Gott erschaffen worden sein.

Der Legende nach meißelte Tu Te Raki Whanoa vor Urzeiten den ersten Fjord ins Gebirge, das von oben betrachtet an das verästelte Wurzelgeflecht eines Pilzes erinnert.

Die Erklärung der Geologen klingt nüchterner: Wie die norwegischen Pendants sind Milford, Doubtful und die anderen Sounds das Werk eiszeitlicher Gletscher. Riesigen Hobeln gleich frästen sie bis zu 400 Meter tiefe Schluchten in Gneis und Granit. Als das Eis schmolz, entstanden im Binnenland der Lake Te Anau, der Lake Manapouri und die anderen Seen. Die Täler in Küstennähe versanken im Meer.

Mit dem Auto ist nur der Milford Sound zu erreichen. Die Straße folgt alten Handelswegen der Maori, die vor 500 Jahren Jade aus dem Fjordland zur Nordinsel brachten. Der Rest ist nur nach tagelanger Wanderung zu erreichen. Oder per Schiff, wenn man Seelöwen auf sonnenbeschienenen Felsen und verspielte Delfine in den Fluten erleben will.

Stewart Island ist Neuseelands drittgrößte Insel

Knapp 200 Seemeilen weiter südlich, vor der Küste von Stewart Island, zeigen sich die Vorteile der eher kleinen „Vasco da Gama“ gegenüber den Ozeanriesen mit Tausenden Passagieren.

Denn einen ausladenden Pier hat Oban, der einzige Ort auf dem 1.680 Quadratkilometer großen Eiland, nicht zu bieten; stattdessen liegt der Kahn auf Reede. Das Ausbooten der Passagiere geht erstaunlich schnell über die Bühne, trotz aufgewühlter See.

Schiff auf Reede vor Stewart Island, der drittgrößten Insel von Neuseeland
Für den kleinen Hafen von Oban auf Stewart Island ist die „Vasco da Gama“ viel zu groß. Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Den Inselzwerg mit dem Maori-Namen Rakiura haben viele Neuseeland-Reisende gar nicht auf dem Plan: Zu umständlich ist manchem die Fährüberfahrt oder der Flug in einer Propellermaschine.

Dabei ist Neuseelands drittgrößtes Eiland ein grünes Paradies, das wegen seiner einzigartigen Flora und Fauna fast komplett unter Naturschutz steht. Das Wetter ist – freundlich ausgedrückt – so abwechslungsreich wie die Vegetation. Es wechselt im Minutentakt von strahlendem Sonnenschein zu peitschendem Regen.

Die Buchten mit feinstem weißen Sand und glasklaren Wasser, dafür ganz ohne Menschen, wirken verlockend, doch ein kurzer Test per Hand macht schnell klar: An diesem Ozean haben Warmduscher keine Freude. Stewart Island ist der letzte Außenposten der Zivilisation vor der Antarktis.

Blick durch Bäume auf eine Sandbucht
Hier sieht Stewart Island nach Tropen aus, doch die Wassertemperatur erinnert eher ans Polarmeer. Foto: Pond5 Images/Imago

Es war der Schotte William Stewart, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts die damals noch unbewohnte Insel kartografierte und als Namensgeber herhielt.

Etlichen Besiedlungsversuchen war kein Erfolg beschieden, bis heute müssen Neuzugänge aus einem besonderen Holz geschnitzt sein, wenn sie hier Fuß fassen wollen. Ganze 300 Bewohner zählt das Örtchen Oban an der sichelförmigen Halfmoonbay, nur 600 sind es auf der gesamten Insel.

Im kurzen Sommer gesellen sich 30.000 Besucher dazu, die wandern, radeln oder Tiere beobachten. Der 36 Kilometer lange Rakiura Track am Fuß des knapp 1.000 Meter hohen Mount Anglem zählt zu den Great Walks von Neuseeland.

Der wohl wichtigste Treffpunkt für Einheimische und Auswärtige ist das historische South Sea Hotel, dessen Bar eine Art Museum ist. Vergilbte Schwarz-Weiß-Aufnahmen zieren die Wände, zeigen örtliche Honoratioren in Frack und Zylinder, dampfbetriebene Fähren und den Seelöwen, der sich vor einigen Jahren in den Flur des Hotels verirrte.

"South Sea Hotel" in Oban auf Stewart Island in Neuseeland
Treffpunkt von Insulanern und Besuchern: Das South Sea Hotel in Oban auf Stewart Island. Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Dass das South Sea selbst im fernen England eine Berühmtheit wurde, liegt an königlichem Besuch. Vor Jahren beehrte Prinz Harry das abgelegene Eiland, schaute in der Schule vorbei und beteiligte sich als Anführer des „Ginger Ninja“- Teams am sonntäglichen Pub-Quiz.

Gewonnen hätten Harry und seine Getreuen dennoch nicht, notierten englische Zeitungen süffisant, dabei seien die Fragen doch handverlesen gewesen.

Ob der Windsor-Spross auch zum Ackers Point gewandert ist, vorbei an hübschen Buchten und einem alten Steinhaus aus dem Jahr 1835? Wie ein Zeigefinger ragt die Felsspitze mit dem kleinen weißen Leuchtturm in die oft raue See hinaus.

Gefühlt 1.000 Stufen sind auf der kleinen Wanderung zu meistern, die mal zum Wasser hinab-, mal auf den Hügel hinaufführen. Mannshohe Farne, Cabbage Trees und Kauribäume, die das Vorbild für Tolkiens Baumbart gewesen sein könnten, säumen den Weg. Dazwischen gedeiht der neuseeländische Flachs mit seinen orange-roten Blüten, dessen Fasern die Maori zu praktischen Gegenständen wie Körbe und Fischernetze verarbeiteten.

urtümlicher Wald auf Stewart Island, der drittgrößten Insel von Neuseeland
Eine Wanderung durch den Wald von Stewart Island, der drittgrößten Insel Neuseelands. Foto: Roswitha Bruder-Pasewald

Überall zirpt und zwitschert, gurrt und krächzt es – nur die dazu gehörenden Vögel lassen sich nicht blicken.

Ulva Island ist das südlichste Vogelschutzgebiet der Welt

Noch ursprünglicher geht es auf Ulva Island zu, das in wenigen Minuten per Wassertaxi zu erreichen ist. Das versteckte Juwel im Paterson Inlet, nur etwa 3,5 Kilometer lang, ist das südlichste Vogelschutzgebiet der Welt und der perfekte Zufluchtsort für bedrohte Arten.

Während andernorts in Neuseeland eingeschleppte Tiere den heimischen Arten den Garaus gemacht haben, kommen auf Ulva weder Katzen noch Ratten noch Opossums vor.

An diesem Tummelplatz unterschiedlicher Vogelarten ist der nächste Piepmatz nie weit weg, weil es im undurchdringlichen Busch mehr als genug Nahrung für alle gibt. Die Chancen sind deshalb groß, über einen Kiwi zu stolpern, Neuseelands flugunfähigen Nationalvogel. Der sieht aus wie ein Flauschbällchen auf dünnen Beinchen.

Reisetipps

Anreise: Der Flughafen Auckland, der von zahlreichen Fluggesellschaften angeflogen wird, ist das nationale Drehkreuz. Von hier aus können Besucher zu anderen Zielen in Neuseeland weiterreisen. Der Flug ab Deutschland dauert mindestens 24 Stunden und ist mit Zwischenlandungen in den USA oder Asien verbunden. Über Einreisebestimmungen informiert das Auswärtige Amt.

Kreuzfahrt: Etliche Kreuzfahrtanbieter haben Touren nach Neuseeland im Programm, oft in Kombination mit Australien. Nach Stewart Island fahren allerdings nur die wenigsten.  

Info: www.newzealand.com/de

Die Recherche wurde unterstützt von Nicko Cruises. Über Art und Inhalt des Artikels bestimmt allein die Redaktion.

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