Trier war im römischen Weltreich der Spätantike eine Metropole. Wer die Provinzstadt mit rund 110.000 Einwohnern heute besucht, mag kaum glauben, dass von dort ein Viertel des Imperiums regiert wurde.
Ob Trier, das ab 269 Residenz gleich mehrerer römischer Kaiser und Gegenkaiser war, tatsächlich die älteste Stadt Deutschlands ist, muss allerdings offen bleiben. Aus Lokalpatriotismus erheben mehrere deutsche Städte links des Rheins ähnliche Ansprüche.
Immerhin: Der bekannteste römische Herrscher, der in Trier regierte, ist Konstantin der Große, der dem Christentum zum Durchbruch verhalf.
Eine Brücke wird Ausgangspunkt der Stadt Augusta Treverorum
Doch zurück in die Zeit vor unserer Zeitrechnung: Die Eckdaten kennt jeder aus dem Geschichtsunterricht. Das Land des keltischen Stamms der Treverer war seit dem Gallischen Krieg von Julius Caesar (58 bis 50 vor Christus) unter römischer Kontrolle. Sein Adoptivsohn Augustus bescherte dem Imperium Romanum nach Jahren des Bürgerkriegs als erster Kaiser eine lange Friedenszeit und baute die Infrastruktur aus. Wichtige Fernstraßen wurden gebaut.
Im Jahr 17 vor Christus errichten die Römer eine Holzbrücke über die Mosel, die der Ausgangspunkt der Stadt Augusta Treverorum (heute Trier) wurde. Die heute sogenannte Römerbrücke entstand in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus und ist damit unstrittig die älteste erhaltene Brücke Deutschlands. Original sind noch die fünf mächtigen Brückenpfeiler aus Basaltquadern. Die Bögen wurden nach einer Sprengung durch französische Truppen zu Beginn des 18. Jahrhunderts erneuert.
Bis heute ist dieses Meisterwerk römischer Architektur ein wichtiger Verkehrsweg in die Innenstadt, gerade auch für den automobilen Verkehr.
Die Römer legten die Stadt planmäßig über ihrem typischen Straßenraster an, von dem allerdings abgesehen vom Dombezirk im heutigen Stadtgrundriss nur noch wenig ablesbar ist. Der Kölner Archäologie-Professor Henner von Hesberg spricht im Hinblick auf die römische Architektur von einer „neuen Bedeutung der Stadt als Lebensform“. Die endete unter dem Ansturm der Germanen im fünften Jahrhundert.
Die Trierer Bevölkerung schrumpfte von 60.000 auf nur noch wenige tausend Einwohner. Auf den Trümmern der antiken Wohnkultur entstand ein unregelmäßiges Straßennetz. Die Stadtkultur wich einer Agrargesellschaft.
Das größte erhaltene römische Stadttor
Ab 160 nach Christus wurde Trier mit einer fast sechseinhalb Kilometer langen gewaltigen Stadtmauer umgeben, deren wichtigstes Relikt die 30 Meter hohe Porta Nigra ist. Das größte erhaltene römische Stadttor überhaupt besteht im Gegensatz zu den anderen meist aus Ziegeln errichteten römischen Denkmälern der Stadt aus Sandsteinquadern.
Das Wahrzeichen der Stadt blieb nur erhalten, weil es im Mittelalter als Kirche diente. Ansonsten wäre es mit Sicherheit von den Trierern als Steinbruch missbraucht worden. Als im elften Jahrhundert mit dem Bau einer neuen mittelalterlichen Stadtmauer begonnen wurde, umfasste die nur noch ein halb so großes Gebiet wie die römische Befestigung.
Seit 1986 sind die römischen Baudenkmäler Triers ebenso wie der Dom und die benachbarte Liebfrauenkirche von 1230, neben St. Elisabeth in Marburg übrigens die älteste gotische Kirche Deutschlands, Unesco-Weltkulturerbe.
Eine riesige Palastaula
Das abgesehen von der Porta Nigra bekannteste antike Denkmal ist die sogenannte Basilika, die zu Beginn des vierten Jahrhunderts von Kaiser Konstantin erbaut wurde und bautypologisch überhaupt keine Basilika ist. Die Palastaula des Kaisers ist eine gigantische 33 Meter hohe und mehr als 56 Meter lange Halle mit einem halbrunden Abschluss. In dieser sogenannten Apsis thronte der Kaiser. Kaum zu glauben: Aber die riesige Porta Nigra würde mühelos in dieser gigantischen Halle Platz finden.
Erhalten blieb die beeindruckende Palastaula, weil sie im Mittelalter zunächst als Wohnburg der Trierer Bischöfe diente und seit dem frühen 17. Jahrhundert in den Palast der Erzbischöfe, die gleichzeitig Kurfürsten waren, einbezogen wurde. Im 19. Jahrhundert wurde die Palastaula unter der Bauherrschaft der preußischen Könige, die seit dem Wiener Kongress 1815 in Trier das Sagen hatten, wiederhergestellt.
Nicht verwunderlich ist, dass die Palastaula des ersten christlichen Kaisers Karl dem Großen beim Bau seiner Aachener Kaiserpfalz um 800 als Vorbild diente. Von der originalen Ausstattung, innen mit Marmor und Wandmalereien, außen mit einem Putz, ist leider so gut wie nichts erhalten.
Der Blick des Besuchers fällt direkt auf den handwerklich perfekten römischen Mauerwerksverband. Antike Menschen hätten das als hässlich empfunden. Udo Mainzer, pensionierter Landeskonservator Rheinland und Honorarprofessor für Denkmalpflege an der Universität Köln, spricht in solchen Fällen von einer „Architektur in Unterhosen“.
Die Macht der Herrscher verschaffte den Bürgern dieses Glück.Erika Brödner, Bauhistorikerin über Thermen
Das gilt ebenfalls für die Kaiserthermen, die nur als Ruine erhalten sind und deren Bau Konstantin um 300 anordnete. Die riesige Anlage wurde, nachdem Konstantin seine Residenz nach Konstantinopel verlegt hatte, nie vollendet und schließlich zur Kaserne umgenutzt. Konstantins Thermen heißen nicht nur Kaiserthermen, sie entsprechen auch dem gleichnamigen Bautyp der aufwendigsten antiken Badeanlage in idealer Weise.
Neben dem einfachen Reihenbad oder Blockbad stellt der absolut symmetrische Kaisertyp den Höhepunkt römischer Badekultur dar. Gleichzeitig mit den Caracallathermen und den Diokletiansthermen in Rom werden die Thermen Konstantins in Trier in allen bauhistorischen Fachbüchern ausführlich beschrieben, so auch von Erika Brödner in ihrem Standardwerk.
„Trophäen, Bildwerke und Inschriften in den Thermen erinnerten die Besucher, die sich der vielen Annehmlichkeiten dieser Einrichtungen erfreuten, dass die Macht der Herrscher ihnen dieses Glück verschaffte und erhielt“, schreibt die Architekturhistorikerin.
Schon eineinhalb Jahrhunderte vor Konstantin war Trier eine der bedeutendsten römischen Städte nördlich der Alpen und erhielt in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts mit den Barbarathermen eine Badeanlage, die im Hinblick auf ihre Dimensionen nur von den 109 eröffneten Thermen Kaiser Trajans in der Hauptstadt Rom übertroffen wurde. Das Bad mit den Abmessungen 172 mal 96 Metern, dessen Grundmauern Archäologen ab 1877 zu zwei Dritteln freilegten, folgt ebenfalls dem Typus der Kaiserthermen.
Mit einem modernen Sport- oder Spaßbad kann man römischen Thermen nicht vergleichen. Im Mittelpunkt des Bautyps der Kaiserthermen, die bis zu 30 Meter hoch waren, standen riesige zentrale Badesäle für Warmbad (Caldarium), lauwarmes Bad (Tepidarium) und Kaltbad (Frigidarium). Daneben gab es Dampfbäder (Sudatorium), einen großen Hof für Sport und Spiel (Palästra) und ein Freibad (Natatio). Die Besonderheit der Barbarathermen sind die beiden zusätzlichen „Hallenbäder“, die offensichtlich dem kalten deutschen Winter geschuldet waren.
Einen Abstecher ist das Amphitheater außerhalb der heutigen Innenstadt wert. In der Antike war es in die Stadtmauern einbezogen. Das Amphitheater wurde im zweiten Jahrhundert am Hang des Petriberges erbaut und bot 20.000 Zuschauern Platz.
Entscheidende Ort der Begegnung zwischen Antike, Christen- und GermanentumHans Caspary, Denkmalpfleger über Triers Dom
Weil Konstantin und seine Mutter, die heilige Helena, das Christentum förderten, ist der Dombezirk der „entscheidende Ort der Begegnung zwischen Antike, Christen- und Germanentum“. So beschreibt es der frühere rheinland-pfälzische Oberkonservator Hans Caspary. Aus einer antiken Doppelkirche entwickelten sich in vielen Bauphasen über 1700 Jahre hinweg der Dom und die benachbarte Liebfrauenkirche.