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Musikgröße aus Karlsruhe

Zum 70. von Wolfgang Rihm: Neue Bücher, ein Konzert und eine Radionacht

Wie der Karlsruher Wolfgang Rihm zu einem der international bedeutendsten Komponisten Neuer Musik wurde und was er selbst über sein Schaffen sagt, das beleuchten zwei neue Bücher, die anlässlich seines 70. Geburtstags erschienen sind.

Der Komponist Wolfgang Rihm spitzt bei der Generalprobe zur Uraufführung seines Werkes „Séraphine“-Symphonie bei den Musiktagen in Donaueschingen die Ohren.
Sein Werk ist zum Hören da. Aber auch zu lesen gibt es nun einiges zum 70. Geburtstag des international bedeutenden Karlsruher Komponisten Wolfgang Rihm. Foto: Rolf Haid/dpa

Es gibt Einladungen, die kann man nicht abschlagen. „Ich habe eine Idee“, begrüßte Wolfgang Rihm die Musikkritikerin Eleonore Büning einst bei den Musiktagen Donaueschingen, als sie einen freien Platz suchte und er sie zu sich winkte.

Die Idee lautete: „Du schreibst meine Biografie.“ So erzählt es Büning im Vorwort ihres Buches „Wolfgang Rihm – Über die Linie“, das zum 70. Geburtstag des international bedeutenden Karlsruher Komponisten erschienen ist.

Wobei sie auch einräumt, zunächst gedacht zu haben: „Daraus wird nichts. Er komponiert zu viel, ich schreibe zu langsam.“

Er komponiert zu viel, ich schreibe zu langsam.
Eleonore Büning, Musikkritikerin und Rihm-Biografin

Freilich ist das Schreiben über Musik ohnehin eine Herausforderung. Denn Musik ist eine ganz eigene Sprache, die Menschen unmittelbar anspricht und ohne Umwege wirkt. Und in diesem Fall kommt hinzu, dass nach dem Komponisten nun auch seine Biografin absolutes Neuland betritt.

Komponieren im 21. Jahrhundert bedeutet größtmögliche Freiheit. Daher müssen für jedes Werk neue Regeln gefunden werden, die es, vereinfacht gesprochen, als Einheit erlebbar machen.

Biografie als Anregung zum Hören mit allen Sinnen

Mangels umfassender wissenschaftlicher Analysen von Rihms Werken greift Büning klug auf das zurück, was sie als Musikkritikerin schon lange macht: Sie verlässt sich auf den Höreindruck und auf Blicke in die Partituren und nähert sich den einzelnen Kompositionen in Beschreibungen der Klangerlebnisse. Insofern ist diese Biografie auch eine Anregung, sich hörend den Werken Rihms mit allen Sinnen auszusetzen.

Im Zentrum der Biografie stehen das Werk und wichtige Stationen im Leben des Komponisten, das Studium bei Eugen Werner Velte in Karlsruhe und Karlheinz Stockhausen in Köln, die Kammeroper „Jakob Lenz“, die ersten Erfolge in den 1970er-Jahren in Donaueschingen und die mitunter weit auseinanderklaffenden Kritikermeinungen, die von „genialisch“ bis „stümperhaft“ reichten.

Die Persönlichkeit von Rihm scheint in Bünings Buch nicht zuletzt in seinen Beziehungen auf, in seinem Talent zu Freundschaften.

Persönliche Gespräche in der Altbauwohnung

Eine davon verbindet ihn mit der Baden-Badener Musikjournalistin Lotte Thaler, die zu Rihms Geburtstag ebenfalls ein Buch veröffentlicht hat. Dieses fällt zwar vergleichsweise schmal aus, lässt dafür vor allem Rihm selbst zu Wort kommen. „Wann kommen die besten Ideen? Am besten, wenn man schon welche hat“, sagt er beispielsweise über seine Suche nach der Gestalt des Klangs.

In seiner Karlsruher Altbauwohnung, einem vom Boden bis zur Decke voller Bücher, Noten, Archivboxen, Bilder, Platten, CDs bestückten Paradies der Bibliophilie erzählt Rihm, er begleite seine Werke wie ein Gärtner – manche gedeihen früher, manche später.

In fünf Gesprächen entsteht eine Art Selbstporträt des international hoch geschätzten Karlsruher Komponisten. Gegenüber seiner einstigen Studienkollegin der Musikwissenschaft in Freiburg öffnet sich Rihm auch in sehr persönlichen Bekenntnissen, zu seiner Art des Komponierens, seinen Kraftquellen Mahler und Stockhausen, zum „Stammorchester“ des SWR – und über den „Zustand der Schwäche“, den er seit seiner Krebserkrankung vor fünf Jahren spürt.

Lange Radionacht mit großen Werken

Mit ihr analysiert er seine bekanntesten Werke wie das rasante „Jagden und Formen“ oder die 1979 entstandene Kammeroper „Jakob Lenz“, die als eines der meistgespielten zeitgenössischen Musiktheaterstücke gilt.

Beide Werke sind auch zu hören in einer insgesamt zehn Stunden umfassenden Radionacht auf SWR2, die an Rihms Geburtstag an diesem Sonntag, 13. März, um 20.03 Uhr mit „Jakob Lenz“ aus dem Nationaltheater Mannheim beginnt.

Live zu hören gibt es Musik von Rihm am Freitag, 17. März, ab 20 Uhr im Kulturzentrum Tollhaus. Das SWR Symphonieorchester spielt auf Einladung der Stadt ein Geburstagskonzert mit den Werken „Nach-Schrift. Eine Chiffre“ (ursprünglich 1982, überarbeitet 2004), „Séraphin-Sphäre“ (1993-2006), „In Frage“ (2000) und „Will Sound“ (2005/6). Die musikalische Leitung liegt bei Pablo Rus Broseta, durch das Programm führt Bernd Künzig. Das gleiche Programm wird tags darauf auch im E-Werk Freiburg aufgeführt.

Service

Eleonore Büning: Wolfgang Rihm – Über die Linie. Benevento, 344 Seiten, 24 Euro.

Lotte Thaler: Alles kommt ans Licht. Gespräche mit Wolfgang Rihm. Caprices 15, Wolke Verlag, 75 Seiten, 9,50 Euro.

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