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Streitkräfte leisten Amtshilfe

32.000 Soldaten und Reservisten der Bundeswehr stehen für Corona-Hilfe bereit

Etwa 15.000 deutsche Militärangehörige halfen im Sommer 2013 mit, nachdem an der Elbe „Land unter“ gemeldet wurde. „Danke Bundeswehr!“: Selbst gebastelte Schilder mit dieser Aufschrift hingen damals in vielen betroffenen Gebieten. Nun ist es wieder so weit: Mit der Corona-Epidemie steht Deutschland eine weitaus größere Herausforderung ins Haus, und die Truppe will in vergleichbarer Mannstärke helfen, eine Katastrophe zu verhindern. Auch Militärangehörige aus unserer Region werden wohl dabei sein.

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Auf dem Eichelberg in Bruchsal sind ABC-Abwehrspezialisten der Bundeswehr stationiert. Foto: Martin Heintzen

Angesichts der Corona-Krise bereitet sich die Bundeswehr auf Hilfseinsätze im Inneren vor: Etwa 15.000 Angehörige der Armee stehen derzeit bereit zur Unterstützung der Kommunen. Die Vorgänge wecken Erinnerungen an die Elbflut im Sommer 2013 - die Lage ist aber womöglich noch verheerender.

An diese Bilder dürften sich viele erinnern: Männer in gefleckten Uniformen schaufeln Sand in Säcke, türmen Barrieren auf und helfen bei Evakuierungen. Etwa 15.000 deutsche Militärangehörige halfen im Sommer 2013 mit, nachdem an der Elbe „Land unter“ gemeldet wurde. „Danke Bundeswehr!“: Selbst gebastelte Schilder mit dieser Aufschrift hingen damals in vielen betroffenen Gebieten.

Nun ist es wieder so weit: Mit der Corona-Epidemie steht Deutschland eine weitaus größere Herausforderung ins Haus, und die Truppe will in vergleichbarer Mannstärke helfen, eine Katastrophe zu verhindern. Auch Militärangehörige aus unserer Region werden wohl dabei sein.

Seit diesem Freitag hält die Bundeswehr 15.000 Soldaten bereit zur Unterstützung von Kommunen in der Corona-Krise. Nach Informationen des auf Militär-Themen spezialisierten Blogs „Augen geradeaus“ sind in allen Regionen Einheiten in Zugstärke (etwa 30 Männern und Frauen) vorgesehen, die sich in einer Zwölf-Stunden-Bereitschaft befinden.

32.000 Militärangehörige und Reservisten könnten in der Epidemie helfen

Für diese stehen zudem Folgekräfte bereit, die innerhalb von 72 Stunden eingesetzt werden können. Der Grund für diese Staffelung sei – so der Blog – dass die Bundeswehr bei ihren Soldaten mit Infektionen und damit einer Ausfallrate von etwa 15 Prozent des Personal rechnet.

Der Militärexperte Thomas Wiegold nennt in seinem Blog eine weitere interessante Zahl: Intern beziffert die Bundeswehr ihr gesamtes Kontingent „Hilfeleistung Corona“ sogar auf etwa 32.000 Militärs.

Offenbar zählen dazu auch rund 17.000 Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes, die teilweise bereits in den fünf Bundeswehrkrankenhäusern im Einsatz sind. Sie sollen noch durch Reservisten verstärkt werden. Mitte März warb Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei den 115.000 Mitgliedern des Reservistenverbandes um Unterstützung – offenbar mit Erfolg.

Notfallsanitäter gesucht

Auf BNN-Anfrage teilte der Sanitätsdienst der Bundeswehr später mit, dass sich 730 Personen gemeldet hatten. „Wir bereiten uns in unseren Bundeswehrkrankenhäusern auf Patienten vor, bei denen die Viruserkrankung einen schweren Verlauf nimmt“, sagte eine Sprecherin des Dienstes. „Dabei suchen wir insbesondere in den Bereichen Intensivpflege, Pflege, Labormedizin, aber auch Notfallsanitäterinnen und -Sanitäter“.

Die rechtliche Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr im Inland ist der Artikel 35 des Grundgesetzes. „Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe“, steht dort. Und weiter: „Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land (...) Kräfte (...) des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern“.

280 Hilfsanfragen bei der Bundeswehr eingegangen

Dasselbe gilt auf der Bundesebene. Nach Angaben der Streitkräftebasis wurde die Bundeswehr bis Donnerstag 280-mal gebeten, wegen Corona Amtshilfe zu leisten. 75 Behördenanträge seien gebilligt worden, 50 seien „in konkreter Bearbeitung“, und 14 wurden abgeschlossen.

Mit Breisgau-Hochschwarzwald hatte bereits am 21. März der erste Kreis im Südwesten bei der Bundeswehr um Ärzte, Pfleger, Sanitätssoldaten und zehn Beatmungsgeräte angefragt. Zurzeit laufen in Baden-Württemberg zwei weitere Militäreinsätze, in Ulm und Stuttgart. Ihre Zielsetzung wird von der Streitkräftebasis knapp als „Bereitstellung von Infrastruktur“ und „Personalunterstützung“ angegeben.

Am aktivsten setzen die Bundeswehr Bayern und Niedersachsen ein – jeweils 15 und neun Hilfeleistungen – hier helfen Soldaten den betroffenen Kommunen auch mit Material (Schutzmasken und Kittel) und beim Transport.

Soldaten demnächst im Polizeidienst?

Ein ganz anderes Einsatzgebiet für die Soldaten erwägt jetzt die grün-schwarze Landesregierung. Angesichts des hohen Quarantäne- und Krankenstandes bei der Polizei in Baden-Württemberg und wegen steigender Anforderungen in der Corona-Krise sei es denkbar, dass Soldaten „technische, taktische oder personelle Aufgaben“ im Polizeidienst übernehmen könnten, zitierte kürzlich die „Schwäbischen Zeitung“ einen Sprecher des Landesinnenministeriums.

Militärs könnten etwa den Objektschutz übernehmen oder Kontrollstellen einrichten. Dass Polizisten und Soldaten miteinander Streife führen, ist dagegen angeblich nicht geplant. Dennoch wäre solch eine Amtshilfe rechtlich heikel, weil Soldaten im Inland bisher wohl noch nie hoheitliche Aufgaben der Polizei wahrgenommen haben.

ABC-Abwehrbataillon 750 „Baden“ war schon in Krisenlagen dabei

Mit dem Beginn der „Hilfeleistung Corona“ kommt vermutlich auch viel Arbeit auf eine hoch spezialisierte Einheit der Bundeswehr in Bruchsal zu: das ABC-Abwehrbataillon 750 „Baden“. Die etwa 800 Mann starke Truppe ist unter anderem zuständig für die Abwehr von Wirkungen atomarer, biologischer und chemischer Kampfmittel. Und sie hat bereits in zivilen Krisenlagen Unterstützung geleistet: Vor 14 Jahren haben einige Soldaten des Bataillons im Kampf gegen die Vogelgrippe H5N1 auf der Ostseeinsel Rügen Desinfektionsschleusen betrieben.

Der als Erfolg bewertete Einsatz der ABC-Kräfte gilt nun als Blaupause für den neuen Corona-Ernstfall. Die Einheit 750 könnte „im Rahmen der Amtshilfe bei Desinfektionsmaßnahmen unterstützen“, erfuhren die BNN im Bataillon „Baden“. Im Einzelnen geht es um Desinfektion von belasteten Flächen wie Krankenhauseingängen, Warteräumen, Krankenwagen oder Versammlungsräumen.

Nach jetziger Planung sollen rund 125 Soldaten aus Bruchsal an möglichen Einsätzen in der Epidemie teilnehmen. „Konkrete Hilfsanfragen wurden noch nicht an das Bataillon gestellt“, sagte ein Sprecher der Einheit. Das ABC-Abwehrkommando sei jedoch bereit und habe die üblichen Maßnahmen wie das Abwischen von Gegenständen oder das Ausbringen von Desinfektionsmitteln in Nebelform oft genug trainiert.

"Bei Dekontamination und Desinfektion die Daumen hoch"

Eine gesonderte Schulung in Bezug auf einen Corona-Einsatz hält man im Bataillon 750 deswegen nicht für erforderlich. Am Donnerstag prüfte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, den Stand der Dinge in der General-Dr.- Speidel-Kaserne. „Bei Dekontamination und Desinfektion können wir die Daumen hoch zeigen!“, lobte er laut einem Facebook-Eintrag der Bundeswehr das Kommando in Bruchsal.

Nach Angaben des Blogs „Augen geradeaus“ waren bis 2. April 169 Bundeswehrangehörige an Covid-19 erkrankt. Im ABC-Bataillon 750 gibt es nach eigenen Angaben noch keine Corona-Fälle. „Wir haben – wo immer möglich – mit reduzierter Vor-Ort-Präsenz, Schichtbetrieb, Bereitschaftsregelungen und mobilem Arbeiten reagiert, um unsere Soldatinnen und Soldaten vor einer Infektion zu schützen“, teilte die Einheit mit.

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