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Duell um die Kanzlerkandidatur

Grünen-Chefin Annalena Baerbock: Die Selbstbewusste

Annalena Baerbock ist mehr als nur die Frau an Robert Habecks Seite. Längst hat die Brandenburgerin ein eigenständiges politisches Profil entwickelt. Und auch das Kanzleramt traut sie sich zu.

Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, stellt den Entwurf des Grünen-Wahlprogramms für die Bundestagswahl. Über das Wahlprogramm stimmt der Parteitag im Juni ab. +++ dpa-Bildfunk +++
Mit 40 Jahren ins Kanzleramt? Als Parteichefin der Grünen hat Annalena Baerbock an Profil wie an Beliebtheit gewonnen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Der Wettkampf könnte ungleicher nicht sein. Im Grunde ist er schon entschieden, bevor er überhaupt begonnen hat. Auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen am 27. Januar 2018 im Congress Centrum Hannover hat die niedersächsische Fraktionschefin Anja Piel nicht den Hauch einer Chance gegen die 15 Jahre jüngere Annalena Baerbock.

Dabei wäre nach den ungeschriebenen, aber unumstößlichen Gesetzen der Öko-Partei eigentlich sie die haushohe Favoritin für das Amt der Parteivorsitzenden.

Nach dem Prinzip der doppelten Quotierung muss dem Realo-Mann Robert Habeck vom rechten Flügel, der keinen Gegenkandidaten hat, eine Fundi-Frau vom linken Flügel an die Seite gestellt werden. Das wäre Piel, ist doch Baerbock ebenfalls Reala.

Doch Anja Piel steht auf verlorenem Posten. Zum einen sind die Grünen in Hannover bereit, gleich zwei heilige Kühe der Partei auf einmal zu schlachten. Habeck wird gewählt, obwohl er noch Minister in Schleswig-Holstein ist. Und Baerbock wird gewählt, obwohl sie wie Habeck dem Realo-Flügel angehört.

Selbst die Linken in der Partei unterstützen ihre Kandidatur. Zudem hat Piel auch noch Pech. Auf dem Parteitag ist sie gesundheitlich angeschlagen, wegen einer schweren Erkältung versagt ihr bei ihrer Bewerbungsrede mehrfach die Stimme, ihr Auftritt ist kraft- und schwunglos.

Annalena Baerbock reißt die Delegierten von den Sitzen

Die damals 37-jährige Potsdamerin Baerbock hingegen platzt schier vor Euphorie, Begeisterung und Selbstbewusstsein. Mit einer emotionalen Rede reißt sie die Delegierten von den Sitzen. Sie verspricht eine „neue Radikalität“ im Kampf für den Klima- und Umweltschutz und wirbt für einen neuen sozialen Ausgleich. Die Grünen seien eine „vielfältige Partei“, die Radikale und Staatstragende vereine. Und man wähle auf dem Parteitag „nicht die Frau an Roberts Seite, sondern eine neue Bundesvorsitzende“.

Jung, frisch, selbstbewusst und kompetent – die Eigenschaften, mit denen die bis dahin eher unbekannte Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Potsdam im Jahr 2018 die eigenen Mitglieder von sich überzeugte, könnten nun auch für sie sprechen, wenn es um die Frage der Spitzenkandidatur bei den Grünen geht.

Von Anfang an hat es die 1980 in Hannover geborene Baerbock geschafft, sich als eigenständige Kraft neben dem ungleich populäreren Habeck zu etablieren und ein eigenes politisches Profil zu entwickeln. Zwar liegt nach aktuellen Umfragen der Schleswig-Holsteiner mit 33 zu 23 Prozent klar vor der Brandenburgerin, doch bei den Grünen-Anhängern liegen sie mit 41 zu 40 Prozent praktisch gleichauf.

Mit einer Frau könnten die Grünen einen Kontrapunkt setzen

Und auch wenn Baerbock die Frauen-Karte nicht offensiv spielen will, dürfte dies doch ein entscheidendes Argument bei der Frage sein, wer die Grünen in den Bundestagswahlkampf führt. Die SPD hat mit Olaf Scholz einen Mann nominiert, bei der Union wird es nach 16 Jahren Merkel wieder ein Mann, entweder Armin Laschet oder Markus Söder, bei der FDP ist Partei- und Fraktionschef Christian Lindner unumstritten.

Mit Annalena Baerbock könnten die Grünen da einen Kontrapunkt setzen. Und auch Habeck weiß: Wenn Baerbock die Spitzenkandidatur will, kann er dies nicht verhindern.

Aber will sie? Baerbock, die mit ihrem Mann, einem PR-Manager und Politikberater, und zwei kleinen Kindern in Potsdam lebt, ist erst 40 Jahre alt, es fehlt ihr an Erfahrung in einem Regierungsamt.

Andererseits hat die Tochter eines Ingenieurs und einer Sozialpädagogin, die als Jugendliche Trampolinspringen als Leistungssport betrieb und bei Deutschen Meisterschaften drei Mal Bronze gewann, den Politikbetrieb von der Pike auf erlernt.

Sie studierte von 2000 bis 2005 in Hamburg Politikwissenschaft und öffentliches Recht und in London Völkerrecht und arbeitete danach drei Jahre als Büroleiterin der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter.

Schließlich wechselte sie nach Berlin zur Bundestagsfraktion der Grünen als Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik. Von 2009 bis 2013 stand sie an der Spitze des Landesverbandes Brandenburg, seit 2013 gehört sie dem Bundestag an. Dort erwarb sie sich einen Ruf als Umwelt- und Klimaschutzexpertin.

Selbst Kanzlerin Angela Merkel ist beeindruckt

Bei den Sondierungen zur Bildung einer Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl 2017 führte sie für die Grünen die Verhandlungen zur Umwelt- und Energiepolitik und erwarb sich den Ruf einer ebenso kompetenten wie hartnäckigen Vertreterin grüner Inhalte, immer gut vorbereitet, immer präzise, auch in Detailfragen. Selbst die Kanzlerin war von ihrem Fachwissen wie ihrem energischen Auftreten beeindruckt.

Politik nicht nur mit dem Kopf machen, sondern auch mit dem Herzen.
Annalena Baerbock, Grünen-Vorsitzende

Kann sie Kanzlerin? Die Frage, ob sie sich das zutraue, hat sie selber bereits mit „Ja“ beantwortet. Niemand sei bislang als Kanzler „vom Himmel gefallen“, jeder habe im Amt dazu lernen müssen, sagte sie Ende vergangenen Jahres in einem Interview.

Vor allem zeichnen aus ihrer Sicht ganz andere Eigenschaften einen guten Regierungschef aus: „Mit beiden Beinen im Leben stehen. Den weiten Blick haben und tiefe Kenntnis. Politik nicht nur mit dem Kopf machen, sondern auch mit dem Herzen. Die Bereitschaft, sich selbst immer wieder zurückzunehmen, und sich gleichzeitig mutig den großen Herausforderungen stellen.“ Es klingt, als habe sich Annalena Baerbock da selber beschrieben.

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