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Covid-Sterbefälle

Corona-Studie: Ausländer besonders betroffen

Eine neue Analyse zeigt, dass die in der Bundesrepublik lebenden ausländischen Staatsangehörigen in der ersten, zweiten und dritten Corona-Welle viel häufiger gestorben sind als Deutsche. Die Soziologen glauben, dass die Politik den Schutz dieser Gruppe vernachlässigt hat.

Besonders betroffen: Laut einer neuen Studie ist die Sterblichkeit unter Ausländern in Deutschland (hier ein Symbolbild) in der Corona-Pandemie überdurchschnittlich stark gestiegen.
Besonders betroffen: Laut einer neuen Studie ist die Sterblichkeit unter Ausländern in Deutschland (hier ein Symbolbild) in der Corona-Pandemie überdurchschnittlich stark gestiegen. Foto: Robert Michael picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Pandemie hat zur sogenannten Übersterblichkeit in Deutschland geführt, wie kürzlich bekannt wurde: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es von März 2020 bis Mitte November 2021 mehr Tode, als unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. In diesem Zeitraum starben fast 71.000 Menschen mehr als in den zwölf Monaten davor.

Ein Forscherteam weist jetzt in einer neue Studie nach, dass die coronabedingten Todeszahlen unter den in Deutschland lebenden ausländischen Staatsangehörigen überdurchschnittlich hoch gewesen sind.

Der Freiburger Soziologe Tino Plümecke und seine Forscherkolleginnen Linda Supik von der Uni Frankfurt und Anne-Kathrin Will aus Berlin sehen in der Covid-Sterbestatistik aus den ersten drei Wellen ein Indiz dafür, dass die Politik den Schutz von Eingewanderten vernachlässigt hat.

Migrationsfaktor wichtig bei Erkrankungen

Im Juni 2021 hatte die Sozialwissenschaftlerin Aleksandra Lewicki in einer Analyse für den Mediendienst Integration darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen mit Migrationshintergrund vermutlich häufiger als andere an Corona erkranken.

Die Expertin von der University of Sussex führt dies nicht auf vermeintliche kulturelle Eigenheiten zurück, sondern auf schlechtere Lebensverhältnisse.

Derlei Untersuchungen sind schwierig, weil es hier keine oder nur wenige repräsentative Daten gibt. Hingegen lässt sich die Sterblichkeit in der Pandemie mit Blick auf die Staatsangehörigkeit in der Datenbasis des Statistischen Bundesamtes leicht auswerten.

Die aktuelle Studie zeigt, dass in Deutschland der Ausländeranteil an allen Todesfällen in den Jahren 2010 bis 2019 im Schnitt um 0,14 Prozentpunkte angestiegen war. Seit dem Herbst 2020 habe er jedoch deutlich über dem zu erwartenden Wert gelegen.

Neue Dynamik seit dem Herbst 2020

Von Oktober bis Dezember 2020 betrug dieser Zuwachs 4,4 Prozent, auch im Jahr 2021 hat sich demnach die neue Dynamik fortgesetzt. Im Zeitraum der zweiten und dritten Welle „stieg der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtzahl der Sterbefälle mit 0,4 Prozentpunkten doppelt so stark an wie in den Vorjahren“, stellen die Forscher fest.

Nach ihren Angaben starben zwischen Januar und August 2021 etwa 4.500 ausländische Staatsangehörige mehr als im gleichen Zeitraum des vorpandemischen Jahres 2019.

Aufschlussreich ist ein Blick auf einzelne Altersgruppen: So gab es laut der Studie unter den 45- bis 64-Jährigen mit deutschem Pass von 2019 auf 2020 einen Anstieg der Corona-Todesfälle um 1,1 Prozent. Unter den ausländischen Staatsangehörigen lag der Anstieg jedoch bei neun Prozent. In der Gruppe der 75- bis 84-Jährigen war dieser Anstieg sogar sechsmal so hoch (12,6 Prozent) wie bei den Deutschen.

Ausländische Mitbürger sind jünger

Die Soziologen weisen darauf hin, dass ausländische Staatsangehörige hierzulande im Schnitt jünger als Deutsche sind. Wenn Covid-19 besonders bei älteren Personen zu hohen Todesraten führe, wäre zu erwarten gewesen, dass der Ausländeranteil an allen Todesfällen sinken würde.

„Doch das Gegenteil ist der Fall“, stellt die Studie klar. Das deute darauf hin, dass Eingewanderte und deutsche Staatsbürger „sehr ungleich“ von Corona betroffen seien.

Als mögliche Gründe für die erhöhte Übersterblichkeit nennen die Autoren die Lebensbedingungen bei vielen Eingewanderten: Ihre Wohn- und Arbeitssituation sei im Durchschnitt schlechter als bei Deutschen. Sie hätten einen vergleichsweise eingeschränkten Zugang zu gesunder Ernährung, Bewegung und Erholung.

Schließlich seien sie öfter in systemrelevanten Berufen beschäftigt, die keine Homeoffice-Regelung hätten. Weil solche Menschen häufig auf öffentliche Transportmittel angewiesen seien und in personalintensiven Betrieben wie Schlachthöfen oder Großküchen arbeiten würden, sei die Ansteckungsgefahr für sie besonders hoch.

Die Politik hat die erhöhten Sterbezahlen von Eingewanderten unzureichend beachtet.
Neue Corona-Studie

„Zu Beginn der Pandemie wurde erkannt, dass Personen mit spezifischen Vorerkrankungen und hohem Lebensalter besondere Schutzbedarfe haben“, so die Studie. Darauf hätten die Bundes- und Landesregierungen mit Hygieneauflagen in Heimen, Impfpriorisierungen und anderen Maßnahmen reagiert.

„Hingegen hat die Politik die erhöhten Infektions- und Sterbezahlen von Eingewanderten völlig unzureichend beachtet.“ Die Forscher plädieren dafür, diese Gruppe besser zu unterstützen.

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