Sie waren die Ersten – und sie haben von ihrer schnellen Reaktion üppig profitiert. Die Ökostrom-Pioniere, die vor 20 Jahren Fotovoltaik-Anlagen auf ihre Dächer schraubten und sauberen Sonnenstrom produzierten, dürften ihre Entscheidung nicht bereut haben.
Den Strom vom Dach gab es für den Eigenbedarf umsonst. Mehr noch, dank des von der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhielten sie für den Strom, den sie in die öffentlichen Netze mit Vorrang einspeisten, eine Förderung von 51 Cent pro Kilowattstunde, die alle Stromkunden über die EEG-Umlage aufzubringen hatten. Und während der Strompreis im Laufe der Jahre deutlich sank, blieb der Zuschuss zwei Jahrzehnte lang stabil auf hohem Niveau. Wer heute eine Anlage mit einer Spitzenleistung von zehn KW installiert, bekommt gerade noch 8,8 Cent.
Mit der Förderung entfällt auch der Einspeisevorrang ins Stromnetz
Nun jedoch ist Schluss. Nach 20 Jahren endet die Förderung. Für die Besitzer stellt sich die Frage, wie es mit den Solaranlagen der ersten Stunde weitergeht. Der von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgelegte Gesetzentwurf zur Reform des EEG, über den der Bundestag an diesem Freitag in erster Lesung berät, gibt darauf keine Antwort. Denn mit der Einspeisevergütung entfällt auch der Einspeisevorrang ins Stromnetz mit der Folge, dass die Betreiber nach den strengen Buchstaben des Gesetzes illegal Strom einspeisen.
„Ein Unding“, findet die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestags, Sylvia Kotting-Uhl. „Die Anlagen sind voll funktionsfähig und produzieren noch zehn Jahre lang sauberen Strom, der zum Erreichen der Klimaziele dringend benötigt wird“, moniert die Karlsruher Grünen-Abgeordnete gegenüber unserer Redaktion. In dem nun beginnenden parlamentarischen Verfahren müsse dringend eine pragmatische Lösung gefunden werden. Die Produzenten sollten wenigstens den aktuellen Börsenpreis erhalten.
Regierung geht von sinkendem Strombedarf aus
Aber nicht nur deswegen fällt die Ausschussvorsitzende aus dem Badischen ein vernichtendes Urteil über den Gesetzentwurf Altmaiers: „Zu wenig, zu langsam und zu viel Getrickse.“ Die angestrebte Erhöhung des Anteils regenerativer Energien am Strommix auf 65 Prozent bis zum Jahr 2030 sei viel zu unambitioniert, zumal die Regierung in ihrer Prognose gleichzeitig von einem sinkenden Strombedarf bis 2030 ausgehe. Das aber sei eine völlig unrealistische Prognose, sagt Kotting-Uhl mit Blick auf den seit Jahren steigenden Strombedarf. „Das passt vorne und hinten nicht zusammen.“
Zu begrüßen sei, dass der „Deckel“ von 52 Gigawatt bei der Fotovoltaik aufgehoben werde, doch die erneute Festschreibung von strengen Ausbaukorridoren bei der Produktion von Strom aus Wind und Sonne verhindere eine dynamische Entwicklung. „Wir bräuchten im Grunde die drei- bis vierfache Ausbaumenge, um unsere Klimaziele zu erreichen.“ Ihr Vorwurf: „Entweder blendet Altmaier das aus – oder er kann nicht rechnen.“
Unterstützt wird Kotting-Uhl von der Denkfabrik „Agora Energiewende“ und dem Branchenverband BSW-Solar, die ebenfalls einen deutlich stärkeren Ausbau der Fotovoltaik fordern. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Verdopplung von 52 auf 100 Gigawatt reiche nicht, die Solarkapazitäten müssten bis 2030 sogar auf über 160 Gigawatt mehr als verdreifacht werden. Platz sei dafür ausreichend vorhanden – und große Freiflächen-Anlagen kommen bei der Stromproduktion mittlerweile komplett ohne Zuschüsse aus der EEG-Umlage aus.
Bürgerproteste gegen Windräder
Wegen der strengen Abstandsregeln und den massiven Bürgerprotesten, die sich gegen die Aufstellung von Windrädern in ihrem Wohnumfeld wehren, kommt der weitere Ausbau bei der Windkraft an Land dagegen nur schleppend voran. Kotting-Uhl hat einerseits Verständnis für die Anliegen der Bürger, warnt aber andererseits vor einer Verweigerungshaltung. „Zu allem Nein sagen und am Ende den Enkeln eine Erde hinterlassen, auf der das Leben unbequem geworden ist, können wir uns angesichts der Dynamik der Klimakrise nicht leisten.“
Sie plädiert für eine frühzeitige Einbeziehung der Bürger bei der Planung von Windparks und eine Beteiligung der Kommunen an den Erlösen, über deren Verwendung die Bürger entscheiden sollten. Allerdings werde die Idee des Bürgerenergie-Projekts durch Altmaiers Gesetzentwurf zugunsten der großen Energiekonzerne „ein Stück weit beseitigt“, kritisiert die Karlsruherin. „Diese Tendenz, die Kleinen rauszudrängen und den Großen den Weg zu ebnen, halte ich für grundfalsch und kontraproduktiv.“ Nötig sei vielmehr, die Demokratie weiterzuentwickeln. „Staat und Bürger müssen sich gleichberechtigt auf Augenhöhe gegenüberstehen und Entscheidungen gemeinsam treffen.“ Corona belege, dass die Bürger bereit seien, auch Unangenehmes in Kauf zu nehmen, wenn sie die Notwendigkeit einsehen.
Belastung als Stromkunde und Steuerzahler
Massive Kritik an der EEG-Reform äußert gegenüber unserer Zeitung auch der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer – allerdings aus einem völlig anderen Grund. Der Vizechef der Bundestagsfraktion prangert den im EU-Vergleich bis zu 30 Prozent höheren Strompreis in Deutschland an, der sich als Wettbewerbsnachteil erweise. „Damit wird insbesondere das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, der Mittelstand, geschwächt.“
Nur mit einem massiven Zuschuss aus dem Bundeshaushalt verhindere die Regierung eine „Kostenexplosion bei der EEG-Umlage“. Das aber habe zur Folge, dass künftig die Bürgerinnen und Bürger wie die Unternehmen nicht nur als Stromkunden, sondern auch als Steuerzahler belastet würden. „Wir brauchen jetzt einen Ausstiegspfad aus der Dauersubvention, statt die Förderung bis weit in die 2040-er Jahre festzuschreiben.“ Wirtschaftsminister Altmaier habe versprochen, die erneuerbaren Energien in den Wettbewerb zu überführen. „Er muss endlich liefern.“