Skip to main content

Kein Ton zum 23. Februar

Die Glocken machen Probleme: Fehlersuche in der Pforzheimer Schloßkirche

Normalerweise hätten die Glocken am 23. Februar, dem Jahrestag der Zerstörung Pforzheims, 20 Minuten lang läuten sollen. Doch die Glocken der Pforzheimer Schloßkirche blieben stumm. Die Fehlersuche läuft.

Pünktlichkeit ist gefragt: Kurz nach 18 Uhr ertönt allabendlich das Abendgebet-Läuten mit einer der sechs Glocken im Turm der Schloßkirche.
Pünktlichkeit ist gefragt: Kurz nach 18 Uhr ertönt allabendlich das Abendgebet-Läuten mit einer der sechs Glocken im Turm der Schloßkirche. Foto: Linde

Selbst wenn zur Mittagszeit oder zum Abendgebet nur eine Glocke der Schloß- und Stiftskirche St. Michael ertönt, hallt diese weit über die Innenstadt hinaus. Und wenn zu besonderen Anlässen das gesamte sechsstimmige Geläute ertönt, ergibt sich ein kraftvolles Klangbild. Doch am 23. Februar, Pforzheims Schicksalstag, an dem sich in diesem Jahr die Zerstörung der Stadt zum 78. Mal jährte, blieben die Glocken stumm.

Das Läuten sollte wie auch das aller anderen Pforzheimer Kirchen zwischen 19.50 und 20.10 Uhr an den Luftangriff der britischen Royal Air Force erinnern, dessen 20-minütiges Bombardement mehr als 17.000 Tote forderte und die Stadt weitgehend in Trümmer legte.

Gerade das mächtige Geläut, das seit September 1958 im Turm des wiederaufgebauten „Steinernen Geschichtsbuchs der Stadt Pforzheim“ hängt, war offensichtlich durch einen technischen Defekt ausgefallen. Die genaue Ursache konnte bisher nicht verifiziert werden.

Läuten am 23. Februar in Schaltanlage einprogrammiert

In den vergangenen Jahren war Udo Schlittenhardt, der „Glöckner der Schloßkirche“, am Abend des 23. Februar stets selbst vor Ort gewesen. „In diesem Jahr leider nicht“, was ja eigentlich auch nicht notwendig sei, so der 53-Jährige.

Denn drei Daten sind bei der Sanierung des Gotteshauses in den Jahren 2017/18 fest in der neuen Schaltanlage einprogrammiert worden: das Läuten aller sechs Glocken in der Silvesternacht, am Michaelstag (29. September) und eben am 23. Februar. Wenn ansonsten das Gesamtgeläute an Sonn- und Feiertagen sowie an besonderen Festtagen und zu Veranstaltungen erklingen soll, wird es per Hand eingeschaltet.

Dies geschieht normalerweise per Fingerdruck am neuen kleinen Schaltkasten in der ehemaligen Sakristei. Ein weiterer mit Empfangsstation für das Signal der Atomuhr in Braunschweig und zum Programmieren des Geläutes befindet sich auf der Orgelempore.

Und unterm Dach ist wohl die erste Anlage, die mittlerweile recht antiquarisch aussieht und neben etlichen Installationskästen große Schalter für die Glocken und die Uhr ausweist. Hier werden in deren direkter Nähe notwendige Wartungsarbeiten vorgenommen.

Ursache bei Renovierungsarbeiten?

Ist bei früheren Renovierungs- und Installierungsarbeiten möglicherweise nicht alles ordnungsgemäß ausgeführt worden? Das war jedenfalls schon öfters vonseiten des Vereins Freunde der Schloßkirche bemängelt worden.

Und auch die Kirchengemeinde war zuletzt unzufrieden, wenn beispielsweise die „Vater-Unser-Glocke“ beim Gottesdienstgebet erst nach 16 Sekunden ansprang oder gar nicht erst erklang, da die nächstkleinere Glocke gewählt wurde.

Bei der Einweihung der wiederaufgebauten Schloßkirche am 22. September 1957 mussten die Gläubigen noch auf das Geläut verzichten. Der Erwerb der sechs Glocken war durch Stiftungen und Spenden aus der Bevölkerung erst danach ermöglicht worden: von der schweren 3,5 Tonnen schweren A-Gedenkglocke (die 23.-Februar-1945-Glocke) bis zur eine Oktave höheren kleinen A-Taufglocke.

Die vier übrigen sind in H (Vater-Unser- oder Totenglocke), in Cis (Mittag), Fis (Morgen) und E (Abend) gestimmt. Der Guss fand unter großer Pforzheimer Anteilnahme beim renommierten Unternehmen Gebrüder Bachert in Karlsruhe statt, wobei die Namen der Spender eingeprägt wurden. Insgesamt wiegt das sechsstimmige Geläut mehr als zehn Tonnen.

Besuchermagnet: Der geschmückte Konvoi mit den sechs neuen Glocken kam 20. Juni 1958 vor der Schloß- und Stiftskirche St. Michael an.
Besuchermagnet: Der geschmückte Konvoi mit den sechs neuen Glocken kam 20. Juni 1958 vor der Schloß- und Stiftskirche St. Michael an. Foto: Foto: Repro Linde (Eva Bischof, Sammlung Stadtarchiv)

Am 20. Juni 1958 kamen die Glocken geschmückt durch die Stadtgärtnerei nach Pforzheim und wurden über die Hohenzollernstraße, die Nordstadtbrücke, den Bahnhofplatz, Luisen- und Goethestraße zunächst zum Turnplatz gebracht.

Dort wurden sie von den Geistlichen und der evangelischen Kirchengemeinde in Empfang genommen, um sie zur Schloßkirche zu begleiten, vor der Tausende auf die Ankunft warteten. Nach einem Probeläuten fand schließlich am 18. September 1958 ein festlicher Gottesdienst zur Weihe der neuen Glocken statt.

Schlittenhardt von Glocken fasziniert

Udo Schlittenhardt kennt dies nur aus historischen Aufzeichnungen, er ist erst seit fünf Jahren „Glöckner der Schloßkirche“. Er sei schon immer von Glocken fasziniert gewesen, bemerkt der Leiter der Reha-Abteilung im Pforzheimer Sanitätshaus Stähle.

So kümmerte er sich auch über Jahre um die in seiner Heimatgemeinde, Weiler, dem kleinen Ortsteil von Keltern. Dort läutete er die Glocken vor allem am Samstagabend und zum Sonntagsgottesdienst.

Später wurde bei ihm durch Pfarrerin Heike Reisner-Baral sein Interesse für die Schloßkirche geweckt. Und seit der Wiedereröffnung Ende August 2018 ist er deren Glöckner, mittlerweile auch deren „Kirchendiener“ und sozusagen als „Mädchen für alles“ überall im Einsatz, wo er gebraucht wird. Sei es beim Ausbau der alten Pfeifen für die neue Orgel oder bei der Vorbereitung für Gottesdienste und besondere Veranstaltungen, wie demnächst bei der Nacht der Kirchen am 18. März.

Zudem ist Schlittenhardt zweiter Vorsitzender des Fördervereins an der Schloßkirche. In der ist er längst sozusagen mit dem letzten Winkel vertraut. Natürlich nimmt er auch immer mal wieder den beschwerlichen Aufstieg über die steile Leiter bis in die Glockenstube auf sich.

Alles verkabelt: Direkt unter dem Glockenturm befindet sich der älteste Schaltkasten für das Geläute und die Kirchenuhr. Beides kann hier von Udo Schlittenhardt gesteuert werden.
Alles verkabelt: Direkt unter dem Glockenturm befindet sich der älteste Schaltkasten für das Geläute und die Kirchenuhr. Beides kann hier von Udo Schlittenhardt gesteuert werden. Foto: Linde

So entdeckte er dort mehrere Schlaghämmer, die eigentlich alle Viertelstunde für einen Mehrklang sorgen sollten. Doch irgendwann waren sie entfernt und nicht mehr angebracht worden.

Es gibt daher mehrere Fragen mit derzeit offenen Antworten, was das Glockengeläut der Schloßkirche betrifft. Zumindest zur Programmierung der neuen Schaltanlage wird demnächst eine Lösung erwartet, denn die war vom aus Pforzheim stammenden derzeitigen katholischen Dekan von Salem, Peter Nicola, als einem ausgewiesenen Glocken-Experten vorgenommen worden.

Eigentlich wollte er in der vergangenen Woche in seiner Geburtsstadt vorbeikommen. Wegen Krankheit musste er den Besuch absagen. Daher muss sich Udo Schlittenhardt als „Glöckner der Schlosskirche“ möglicherweise weiterhin auf seine Handarbeit verlassen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang