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Weltcup in Oberhof

Ohne Paralympics keine Förderung: Bob-Fahrer aus Pforzheim schildert Probleme im Behinderten-Sport

Der querschnittsgelähmte Pforzheimer Nikolai Johann ist amtierender Vize-Europameister im Para-Bob. Wegen knapper Kassen können die Para-Bob-Athleten wohl im Frühjahr 2020 nicht an allen Wettbewerben teilnehmen.

Ein roter Bob in der Kurve eines Eiskanals
Mit mehr als 100 Kilometern pro Stunde donnert der Pforzheimer Para-Bobfahrer den Eiskanal runter. Bei der EM in Oberhof geht der 30-Jährige auf Medaillenjagd. Foto: IBSF, Girts Kehris

Wenn an diesem Freitag und Samstag die Bobfahrer beim Weltcup im thüringischen Oberhof wieder mit bis zu 120 Stundenkilometern den Eiskanal runterdonnern, steuert auch der Pforzheimer Nikolai Johann eines der über 160 Kilo schweren Sportgeräte durch die Bahn.

Johann sitzt alleine im Bob. Ein Gurt sichert ihn bei Stürzen, damit er nicht rausfallen kann. Einen oder mehrere Anschieber gibt es nicht. Der 30-Jährige wird stattdessen mit einem Katapult in die Bahn geschossen.

Johann ist querschnittsgelähmt. Und amtierender Vize-Europameister im Para-Bob. Im Februar 2019 gewann er Silber auf der Naturbahn in St. Moritz. In Oberhof geht es auch um die EM-Krone.

Johann: Sport ist inklusiv

Para-Bob könnte dem Politikwissenschaftler zufolge der Sport mit der geringsten Trennung zwischen behinderten und nicht behinderten Athleten werden. „Der Sport ist wahnsinnig inklusiv“, sieht er eine Perspektive.

Auch Menschen ohne Behinderung könnten im Mono-Bob, also alleine, fahren. „Beim Lenken gibt es keinen Unterschied zwischen den Fahrern“, erklärt Johann.

Interesse am Para-Bob wächst

Und das Interesse behinderter Sportler wächst. Bereits in der laufenden Saison gehen 22 Fahrer aus 13 Ländern bei den Weltcup-Rennen an den Start. Zum Vergleich: Bei den Frauen im Zweier-Bob ohne Handicap ist es nur etwa die Hälfte.

Der Pforzheimer würde gerne auch in dieser Saison nach einer Medaille greifen. Doch allein die Vorbereitung war beschwerlich. Beim ersten Rennen in Lillehammer (Norwegen) Anfang Dezember kam er nur auf Platz 14 und zwölf. „Massiver Trainingsrückstand“, sagt Johann.

Dem Bob- und Schlittenverband Deutschland (BSD) fehlt das Geld für die Para-Bobfahrer. Die Athleten starteten daher später als die Konkurrenz in die Vorbereitung. 2019 wurden insgesamt etwa 30 000 Euro ausgegeben. Für das Haushaltsjahr 2020 stehen aktuell aber nur 15 000 Euro zur Verfügung – zu wenig für drei Weltcup-Rennen und die WM in Lillehammer im Frühjahr. „Das reicht nicht für zwei Athleten und die Trainer“, befürchtet Johann.

Zukunft ab Frühjahr 2020 nicht sicher

Wie es im Jahr 2020 weitergeht? André Sander, Vorstand im Bereich Leistungssportentwicklung im BSD, spielt die Probleme nicht runter. „Das ist keine einfache Situation. Wir müssen den Etat für 2020 reduzieren – das betrifft alle Sportarten.“

Zur WM Ende März wird wohl nur einer der Athleten um Johann und Alexander Feretos reisen können. Sander attestiert ihnen ein gutes Niveau. Fahren beide, reicht das 2020er-Budget aber nicht aus. Gelder während der Saison zu besorgen, sei schwierig, weiß Sander und sagt auch: „Ohne Förderung wird es nichts.“

Ohne Paralympics keine Fördergelder

Und bei Fördergeldern fängt das Problem an. Denn Para-Bob ist nicht paralympisch. Und wenn eine Sportart noch nicht Teil des olympischen oder paralympischen Programms ist gibt es keine Gelder.

„Wir fallen durch das Raster der deutschen Sportförderung“, schildert Johann die Situation. Kritik an seinem eigenen Verband, dem BSD, übt er nicht. Im Gegenteil: „Es gibt hier keinen Schwarzen Peter. Der Verband lebt von den Geldern, die er bekommt.“

Am Freitag tagen die BSD-Verantwortlichen erneut

Im Sommer 2020 tagt das Internationale Paralympische Komitee (IPC). Dann geht es auch um die Winterspiele 2026 in Mailand. Ob Para-Bob aufgenommen wird hängt davon ab, ob möglichst viele Nationen an den Wettkämpfen teilnehmen. „Zwölf sollten es sein, das war nicht immer der Fall“, so Sander.

„Die Basis für die Entscheidung wird in diesem Winter gelegt“, kennt Johann die Bedeutung der laufenden Saison. Bei einer positiven IPC-Entscheidung sieht Sander finanziell für das Jahr 2021 gute Chancen: „Das ist aber alles Spekulation.“ An diesem Freitag treffen sich Verantwortliche des BSD nochmal, um eine Lösung zu finden.

Diese Summe versuche ich privat aufzutreiben.
Nikolai Johann, Para-Bob-Athlet

Johann hat für die Sportart laut eigener Aussage viele Einschnitte in Kauf genommen. Auch Job-Angebote habe er wegen der laufenden Bob-Saison abgelehnt. Trotz aller Widrigkeiten ist er für die EM in Oberhof zuversichtlich. Und für 2020? „Ich kämpfe für Sponsorengeld bis zur letzten Minute“, so Johann.

Mit 10 000 Euro könne er zumindest alleine an den Wettkämpfen teilnehmen. Der Internationale Bob- und Skeletonverband IBSF stellt neben Mono-Bobs auch freie Trainer. „Diese Summe versuche ich auch privat aufzutreiben.“

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