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Auf Spurensuche

Reuchlin-Gesellschaft steht in der Tradition des berühmten Pforzheimer Humanisten

Überall in Pforzheim begegnet man Erinnerungen an Johannes Reuchlin. Heute pflegt die 1957 gegründete Reuchlin-Gesellschaft ein kostbares Gut.

Sucht einen Nachfolger: Joachim Becker, Vorsitzender der Reuchlin-Gesellschaft Pforzheim sieht einen größeren Bedarf für klare Orientierungen in der heutigen Zeit. Er sucht einen Nachfolger, der ein neues Kapitel für die Gesellschaft aufschlagen kann.
Sucht einen Nachfolger: Joachim Becker, Vorsitzender der Reuchlin-Gesellschaft Pforzheim sieht einen größeren Bedarf für klare Orientierungen in der heutigen Zeit. Er sucht einen Nachfolger, der ein neues Kapitel für die Gesellschaft aufschlagen kann. Foto: Birgit Metzbaur

Am 22. Februar 1957 ist die Reuchlin-Gesellschaft mit einer Feierstunde im Melanchthonhaus gegründet worden. Ihre Geschichte ist untrennbar mit der Nachkriegszeit und dem Wiederaufbau Pforzheims verbunden.

Die Gründungsmitglieder wollten „bewusst dem entgegensteuern, dass alle Energie nur für den materiellen Aufbau und die Verbesserung des äußeren Daseins aufgewendet werde“.

Sie wollten vielmehr in dieser schwierigen Nachkriegszeit „in der Tradition Reuchlins das geistige Gesicht unserer Stadt mitformen, verflachenden Tendenzen entgegentreten und die Besinnung auf die wesentlichen Werte mit einer vertieften Lebenshaltung beleben“. So schrieben es die Gründungsmitglieder in der Präambel ihrer Satzung fest.

Reuchlin-Gesellschaft bringt in Pforzheim das kulturelle Leben zum blühen

Glanz und Höhepunkt der Reuchlin-Gesellschaft lagen in den ersten 30 Jahren ihres Bestehens. Zusammen mit dem Stadttheater Pforzheim sowie dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim bewirkte die Reuchlin-Gesellschaft, dass in der fast völlig zerstörten Stadt das kulturelle Leben blühte. Sie war ein Forum der Begegnungen mit kulturell bedeutenden Persönlichkeiten.

„Reuchlin ist ein kostbares Gut, das man nicht aufgeben darf“, sagte der Vorsitzende der Reuchlin-Gesellschaft, Joachim Becker, im Gespräch mit dieser Redaktion über den bekannten Pforzheimer Humanisten: „Leben und Konsequenz einer solchen Persönlichkeit von Wirkungsmacht sowie die Gedanken von Toleranz und Verständnis müssen immer wieder definiert werden.“

Der vormalige Oberbürgermeister ist seit 2008 Vorsitzender und damit Nachfolger von Walter Witzenmann, der das Amt von der Gründung der Reuchlin-Gesellschaft bis zu seinem Tod inne hatte.

Zu den wichtigsten Initiatoren der Reuchlin-Gesellschaft gehörten Oberbürgermeister Johann Peter Brandenburg, der Fabrikant Walter Witzenmann, der Kaufmann Paul Kuder, Rechtsanwalt Johannes Forke sowie die Oberstudiendirektoren Erich Rex, Hilda-Gymnasium, Herbert Rothfritz, Kepler-Gymnasium, und Max Zepf, Reuchlin-Gymnasium.

Witzenmann gelang es, große Persönlichkeiten wie den Altphilologen, Literaturhistoriker und Schriftsteller Walter Jens, einen der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts, Karl Rahner, die Schriftsteller Erich Kästner, Adolf Muschg und Günter Eich sowie den Komponisten und Musikpädagogen Carl Orff zu Vorträgen ins Melanchthonhaus zu holen.

Zudem begründete Witzenmann eine Schriftenreihe zu kulturellen Themen. Er war der Überzeugung, dass Kulturpolitik Politik ersten Ranges sei und sah das Erbe Johannes Reuchlins darin, dass dieser Humanist ein Symbol für die Freiheit des Geistes und die Freiheit schlechthin sei – so ist es auf der Website der Reuchlin-Gesellschaft nachzulesen.

Die Zeit der Reuchlin-Gesellschaft war einflussreich

Es war eine anregende und einflussreiche Zeit der Reuchlin-Gesellschaft damals. Sie war ein Forum, in dem sich Wissenschaft und Kultur vereinigten, und sie repräsentierte das geistige Pforzheim. Heute hat die Reuchlin-Gesellschaft ihre ursprüngliche Bedeutung ein Stück weit verloren.

Der politische und mediale Wandel, veränderte Gewohnheiten und neue soziale Entwicklungen veränderten das politische und geistige Klima in Deutschland. Becker sieht jedoch gerade in der heutigen Zeit einen „Bedarf für klare Orientierungen, die man wieder aussprechen muss“, sowie „den Bedarf für stärkere Meinungen und Zuspitzungen, was richtig und falsch ist“.

Dazu könnte die Reuchlin-Gesellschaft wieder einen größeren Beitrag leisten, wünscht sich Becker. Er ist auf der Suche nach einem Nachfolger, einer Person, die „ein neues Kapitel der Reuchlin-Gesellschaft aufschlagen“ kann.

Es sei eine schwierige Aufgabe, das Erbe der Reuchlin-Gesellschaft weiterzuentwickeln und möglichst vielen Menschen den Wert der geistigen Freiheit zu vermitteln, „getragen von Verständnis und Toleranz“ – aber lohnenswert.

Zur Serie

Wir begeben uns auf die Spuren von Johannes Reuchlin (1455–1522), der vor über 500 Jahren für die Werte Toleranz, Respekt, Dialog und Menschenwürde stand. Werte, die heute noch für das friedliche Zusammenleben der Menschheit unverzichtbar sind. Wir schauen, wo Reuchlin uns in der Stadt begegnet und welche Botschaften damit verbunden sind. Dabei stoßen wir an der einen Stelle auf schweigende Denkmäler und schauen an anderen Stellen wie sein Erbe von denjenigen weitergetragen wird, die mit ihrem Namen in der Tradition von Reuchlin stehen.

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