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Staatsanwalt forderte höhere Strafe

Remchinger „Corona-Spucker” entgeht Freiheitsstrafe

Ein Mann verstößt gegen die Corona-Quarantäne, spuckt bei einem Polizeieinsatz um sich. Nun wurde er zu 6.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Dass es nicht mehr wurde, begründet die Richterin mit seinem Verhalten vor dem Amtsgericht Pforzheim.

Amtsgericht Pforzheim, Sitzungssaal, Richterin, Verteidiger und stark verpixelter Angeklagter setzen sich hin.
Die Maske aufgesetzt: Vor Gericht beteuerte der Angeklagte (rechts), wegen seiner Lungenkrankheit keine Maske tragen zu müssen. Den Saal betrat er dennoch mit Mundschutz. Foto: Herbert Ehmann

„Sie sind nicht der Mensch, wie man meinen könnte.” Es ist wohl diese Erkenntnis, wegen der Richterin Stéphane Ambs am Amtsgericht Pforzheim einen Remchinger nur mit einer Geldstrafe belegte, der unter anderem unter Corona-Quarantäne bei einem Polizeieinsatz um sich gespuckt hat.

Stattdessen muss er 6.000 Euro (100 Tagessätze à 60 Euro) zahlen wegen tätlichen Angriffs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung. Von der Körperverletzung an seiner Frau wurde er allerdings freigesprochen. Pikant: Wegen eines solchen Vergehens war er bereits vorbestraft.

Zwei Nachbarinnen wollten im April einen ähnlichen Vorfall gesehen haben und hatten die Polizei gerufen. Da die Ehefrau selbst anderes aussagte und Zweifel blieben, kam es zum Teilfreispruch. Kern des Prozesses war aber, was danach geschah. Als die Polizei anrückte, beleidigte der Mann die Beamten erst, dann weigerte er sich, eine Maske aufzusetzen, aufgrund einer Lungenkrankheit.

Verteidiger vergleicht Corona-Spucker mit George Floyd

Als die Beamten ihm die Maske dann mit Gewalt aufsetzten, spuckte er um sich. Nur: wollte er einen Polizisten treffen oder den Mundschutz aus dem Mund bekommen? Der Polizeieinsatzleiter belastete am Dienstag den Angeklagten schwer. „Er hat von hinten den Schnodder hochgeholt und gespuckt”, sagte der Beamte aus. Getroffen wurde niemand. Allerdings hatten das nur drei Polizisten im Prozess so beobachtet. Drei weitere Zeugen sahen es wie der Angeklagte.

„Der Mundschutz hat wie ein Knebel gewirkt”, sagte Verteidiger Jürgen Kindlein. Er verurteilte in seinem Plädoyer den Polizeieinsatz scharf, forderte einen Freispruch in allen Punkten bis auf die gestandene Beleidigung. „Das lässt an Minneapolis erinnern”, sagte Kindlein in Anspielung auf die Ermordung von George Floyd durch US-Polizisten. „Zynisch” nannte Ambs diesen Einwurf. „Sie konnten auch beleidigen wie ein Bär”, sagte sie dem Verurteilten. „Wenn da die Spucke wegblieb, hat das nichts damit zu tun, dass Sie keine Luft mehr bekommen haben.”

Angeklagter zeigt sich versöhnlich

Derweil gab der Einsatzleiter der Polizei Einblicke in die Polizeiarbeit in Coronazeiten. Da erst kurz zuvor ein Kollege in Quarantäne musste – und trotzdem im Revier auftauchte –, sei man umso sensibler gewesen, als es hieß: „Einsatz bei Corona-Haushalt”. Zwar war nicht der Angeklagte infiziert, sondern sein Stiefsohn. Nur: Das Testergebnis lag noch nicht vor.

Es sei dann noch die „Corona-Streife” hinzugekommen, also Beamte, die eigens wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen patrouillierten. „Das Polizeirevier von Neuenbürg musste auf halbe Mannstärke heruntergefahren werden”, bilanzierte Ambs. Die Tests der Beamten waren alle negativ.

Der Verurteilte selbst zeigte sich deutlich versöhnlicher als sein Anwalt, entschuldigte sich bei allen Beamten. Die Richterin sprach in ihrem Urteil von einer Situation, die die gesamte Familie überfordert habe. Deshalb und aufgrund seines Verhaltens vor Gericht sei sie nicht der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt (Gesamtstrafe von sechs Monaten auf Bewährung). „Ich habe den Mist gebaut, ich muss es so hinnehmen”, sagte der Angeklagte.

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