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Verdi und GEW

Warnstreik im öffentlichen Dienst: In Pforzheim gehen Hunderte Menschen auf die Straße

Rund 400 Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben am Montag in Pforzheim die Arbeit niedergelegt, darunter zahlreiche Beschäftigte der Stadtverwaltung. Zum Warnstreik hatten die Gewerkschaften Verdi und GEW aufgerufen.

Verdi-Streik mit GEW in Pforzheim für Beschäftigte im öffentlichen Dienst am 27. Februar 2023 nach Scheitern der Verhandlungsrunde in der Vorwoche
Hunderte Beschäftigte im öffentlichen Dienst gingen am Montag in Pforzheim auf die Straße, um den Forderungen der Gewerkschaften nach besserer Bezahlung Druck zu verleihen. Foto: Claudia Kraus

Lautstark und mit Trillerpfeifen zieht der Demonstrationszug am Montag vom Landratsamt in die Fußgängerzone und weiter zum Marktplatz.

Dort werden sie von Amely Poll und weiteren Verdi-Mitgliedern erwartet. Die Sprecherin für den Bezirk Mittelbaden-Nordschwarzwald ist erfreut, dass so viele Menschen dem Aufruf von Verdi und der Bildungs-Gewerkschaft GEW zum ganztägigen Warnstreik gefolgt sind. Rund 400 sind es nach Schätzungen von Polizei und Organisatoren.

Wir müssen noch mehr Leute werden, wenn wir etwas reißen wollen.
Henry Wiedemann, Betriebsratschef Stadtwerke

Einer der Redner ist der Betriebsratschef der Stadtwerke (SWP), Henry Wiedemann. Er stellt klar: „Wir müssen noch mehr Leute werden, wenn wir etwas reißen wollen.“ Es brauche noch mehr Druck, um den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst (ÖD) ein akzeptables Angebot abzuringen. Jenes nach der Verhandlungsrunde vom vergangenen Donnerstag nennt er „unterirdisch“.

Die Arbeitgeber bieten unter anderem ab Oktober drei Prozent mehr Entgelt und ab Juni weitere zwei. Dies gleiche noch nicht einmal die Inflation aus und komme einer Gehaltskürzung gleich, ist mehrfach zu hören. Überdies leiste es dem Fachkräftemangel weiter Vorschub.

Kundgebung auf dem Marktplatz in Pforzheim: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst wollen sich mit dem Angebot der Arbeitgeber nicht abspeisen lassen.
Kundgebung auf dem Marktplatz in Pforzheim: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst wollen sich mit dem Angebot der Arbeitgeber nicht abspeisen lassen. Foto: Claudia Kraus

Mitarbeiter von Pforzheimer Verwaltung und Landratsamt des Enzkreises beteiligen sich an Streik

Für Holger Egger, Personalratsvorsitzender im Landratsamt Enzkreis, ist das Angebot „eine Frechheit“. Er fordert die Streikenden auf, bei der Rückkehr in die Betriebe weitere Leute für den nächsten Warnstreik zu mobilisieren, denn dass es beim Ausstand an diesem Montag nicht bleiben wird, scheint klar zu sein.

Von der Pforzheimer Stadtverwaltung sind die Bereiche Soziales und Schulen, Technische Dienste sowie die Stadtwerke mit dabei. Außerdem Beschäftigte vom Landratsamt Enzkreis sowie der Gemeindeverwaltung Straubenhardt. Und auch eine stattliche Zahl von Mitarbeitenden der Sparkasse Pforzheim-Calw hat am Montag die Arbeit nieder gelegt.

„Es ist schade, dass wir hier sein müssen, die Arbeitgeber hätten uns ein gutes Angebot machen können“, sagt Diane Kratt-Uhl vom Landratsamt. Sie rechnet vor, was einige im öffentlichen Dienst verdienen: Ein Straßenwärter 2.875 Euro brutto, eine Verwaltungsfachangestellte in der Kfz-Zulassungsstelle 3.091 – zu wenig, um Strom und Miete zu bezahlen.

Sprecherin Binder: Arbeitgeber machen öffentlichen Dienst kaputt

Der öffentliche Dienst (ÖD) sei weit mehr sei als das Rathaus, erklärt die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder. Er halte das Land Tag und Nacht am Laufen. Den Arbeitgebern wirft Binder vor, den ÖD kaputt zu machen mit respektlosen und fantasielosen Arbeitsbedingungen – unter steigenden Belastungen und ohne angemessene Bezahlung.

So packe man noch mehr Kinder in Kita-Gruppen und würde am liebsten auch noch die Wochenarbeitszeit erhöhen. Gerade die mittleren und unteren Gehaltsgruppen bräuchten mehr Geld. Wenn aber, wie von Arbeitgebern geplant, dann noch die Staffelung der Jahressonderzahlung wegfalle, bliebe am Ende den ohnehin weniger Verdienenden noch weniger Geld.

„So führt man keine Verhandlungen“, sagt am Rande der Kundgebung Michael Reuster. Er arbeitet bei den Stadtwerken im Vertrieb und verweist auf den kürzlich stattgefundenen Tarifabschluss der Schmuck- und Edelmetallindustrie nach nur einer Verhandlungsrunde.

Seine Frau arbeite im Einzelhandel, wo es seit 2001 keine Lohnerhöhung gegeben habe. Nun noch die Inflation. „Man merkt es auf dem Konto und fragt sich, was man sich noch leisten kann.“

Streikende in Pforzheim vermissen ein aus ihrer Sicht faires Angebot ihrer Arbeitgeber

Die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder spricht beim Warnstreik in Pforzheim.
Die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder spricht beim Warnstreik in Pforzheim. Foto: Claudia Kraus

Einige Meter weiter steht Sparkassenmitarbeiter Christian Böhringer. „Die Arbeitgeber müssen sich bewegen und ein faires Angebot machen“, fordert er. Das jetzige sei „respektlos und ohne Wertschätzung“.

Ein faires Angebot vermissen auch Elga Büttner, Daniela Schoch und Marcel Verfürden. Sie arbeiten bei der städtischen Kita am Klinikum. Vorrangig gehe es ihnen zwar um bessere Bezahlung, über die sie sich aber auch mehr Anerkennung erhoffen, anstatt nur als „Personal“ für Familien angesehen zu werden, wie Schoch erklärt.

„Für Familien sind wir oft Aufbewahrungsstelle.“ Es werde nicht registriert, dass auch in Kitas Bildungsarbeit geleistet werde, sagt Verfürden. Und Büttner ergänzt, dass immer mehr Kinder mit Integrationsanspruch in die Kitas kommen und es dafür kaum Fachkräfte gebe, geschweige denn Dolmetscher, um mit Eltern kommunizieren zu können. „Wir müssen immer mehr auffangen.“

Pforzheim bildet zusammen mit Rottenburg den landesweiten Auftakt des Verdi-Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Zuletzt habe man, auch wegen Corona, Sehr moderat abgeschlossen, sagt Wiedemann. Nun ist er sicher: „Es wird nicht der letzte Warnstreik in dieser Tarifrunde sein.“

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