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Die lange Reise der 58311

100 Jahre unter Dampf: Karlsruher Dampflok feiert runden Geburtstag

Im Juni 1921 lief sie in Karlsruhe vom Stapel, am Sonntag dampft sie wieder mal durchs Murgtal: Die Dampflokomotive 58311 hat schon eine lange Reise hinter sich - und läuft noch immer wie geschmiert

Läuft wie geschmiert: Die 1921 in Karlsruhe gebaute Lok 58311 auf ihrem Weg durchs Murgtal. Im zweiten Weltkrieg musste sie im Osten dampfen, später fuhr sie in der DDR Wismut für die Uranindustrie.
Läuft wie geschmiert: Die 1921 in Karlsruhe gebaute Lok 58311 auf ihrem Weg durchs Murgtal. Im zweiten Weltkrieg musste sie im Osten dampfen, später fuhr sie in der DDR Wismut für die Uranindustrie. Foto: Daniel Saarbourg

Die Hundertjährige hat ihren eigenen Kopf, besser gesagt: eigenen Kessel. „Man muss sich auf sie einstellen, wie sie drauf ist“, sagt Heiko Waiss. Er kennt die rüstige Dame aus dem Effeff und weiß: „Wenn die Lok keinen Bock hat, dann macht sie keinen Dampf.“

Am Sonntag, wenn mit Corona-Verspätung die diesjährige Dampflok-Saison beginnt, setzt sich die Hundertjährige erstmals seit Monaten wieder schnaufend in Bewegung.

Es geht durchs Murgtal nach Baiersbronn und zurück nach Karlsruhe. Für die 58311 ein Klacks angesichts ihrer bewegten Geschichte.

Sie ist schon ein Kraftpaket.
Hans-Peter Fantoli, Dampfnostalgie Karlsruhe

„Sie ist schon ein Kraftpaket“, sagt Hans-Peter Fantoli und schaut mit Hochachtung hin zur 18,5 Meter langen Lok. „Ein Wunderwerk der Technik“, sagt der Eisenbahn-Fan, „und sie macht ihren Dienst wie vor 100 Jahren“.

Am 7. Juni 1921 wurde die 58311 mit der Fabriknummer 2153 von der Karlsruher Maschinenbau-Gesellschaft an die Badische Staatsbahn geliefert. „Am 27. Juni wurde sie nach der Endabnahme in den Dienst gestellt“, berichtet Fantoli von der Karlsruher Sektion der Ulmer Eisenbahnfreunde.

Dass die Lok 1985 wieder in Karlsruhe landete: Zufall, Schicksal und viel Glück.

Lange Geschichte: Mit der Fabriknummer 2153 wurde die Lok vor 100 Jahren der Badischen Staatsbahn ausgeliefert.
Lange Geschichte: Mit der Fabriknummer 2153 wurde die Lok vor 100 Jahren der Badischen Staatsbahn ausgeliefert. Foto: Gerhard Wolff

Zunächst war die Güterlok im badischen Raum unterwegs, nach elf Jahren hatte sie schon 518.000 Kilometer gesammelt. Den alten Betriebsbüchern ist auch der Abschied aus Baden zu entnehmen – im 20. Oktober 1939 ging es zunächst mal nach Lauda.

„Später wurde sie in Richtung Osten abkommandiert“, sagt Fantoli. Versorgungsfahrten mit und für Soldaten, Züge mit Panzern – „was weiß ich, was sie alles angehängt bekommen hat. Sie wurde ja nicht gefragt“, stellt Fantoli fest. Auch für Fahrten nach Auschwitz wurde die Karlsruher Lok wohl eingesetzt.

Den Weltkrieg übersteht die Lok weitgehend unbeschadet

Den Krieg überlebte der Stahlkoloss weitgehend unversehrt und blieb fortan im Osten, schleppte in der DDR Züge von Wismut für die Uranindustrie und beförderte Bergarbeiter.

Stationiert zuletzt in Aue endete im Erzgebirge 1977 die Dienstreise der Lokomotive, die in der DDR unter der Nummer 58 1111-2 fuhr. Die Lok durfte allerdings in den Westen ausreisen und dampfte selbst ins bayrische Neuenmarkt-Wirsberg ins dortige Museum. „Bei einem Pächterwechsel dort wurde sie uns dann 1984 angeboten“, berichtet Fantoli.

Am 24. August kehrte die Lok, die mit Kohle und Wasser mehr als 130 Tonnen auf die Schienen bringt, nach Baden zurück, wo sie seither von vielen Ehrenamtlichen instandgehalten wird. „Das ist ein Mannschaftssport“, sagt Lokführer Waiss, „und eine Teamleistung, auf die man schon stolz ist.“

Der Lokführer muss genau hinhören - es kommt auf Nuancen an

20- bis 25-mal im Jahr fährt Waiss zu normalen Zeiten das einzige noch betriebsfähige Original der 58er-Baureihe – und muss schon ganz genau hinhören auf das, was die Lok so von sich gibt. Wird sie etwa bei gleicher Leistung lauter, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass anstatt Dampf Wasser in den Zylinder kommt – was einen schweren Schaden zu Folge hätte.

„Es kommt auf Nuancen an“, sagt Waiss. Vor allem weil die 58311 eine seltenere Drei-Zylinder-Lok ist. Speziell das Heizen ist bei ihr anspruchsvoller, „man muss mit ganz flachem Feuer fahren“, sagt Waiss. Heißt: Der Heizer muss die Schaufel mit den acht bis zehn Kilo Kohle platziert werfen, sonst stellt die Lok das Dampfen schon mal ein.

In der DDR noch lange unter planmäßigem Dampf: Die Karlsruher Güter-Lok 58311.
In der DDR noch lange unter planmäßigem Dampf: Die Karlsruher Güter-Lok 58311. Foto: Wolfgang Reber

„Auch von der Steuerung ist die Lok ganz anders“, ergänzt der 34 Jahre alte Landmaschinen-Mechaniker. Vergleicht man es mit dem Auto, bedeutet dies zum Beispiel, dass schneller vom zweiten in den dritten Gang geschaltet werden kann.

Pflege unter erschwerten Bedingungen

Dass die Lok auch zu ihrem 100. noch läuft wie geschmiert, das ist dem Einsatz der Dampflokfreunde zu verdanken. Der erfolgt allerdings seit einiger Zeit unter erschwerten Bedingungen am Ettlinger Bahnhof-West, wo historische Waggons und die Lok im Wortsinn auf dem Abstellgleis stehen – draußen und damit weitgehend ungeschützt.

„Wir suchen dringend eine Abstell- und Werkzeughalle, wo wir nicht nur die Lok hegen und pflegen können“, sagt Fantoli. Gespräche mit der Stadt Karlsruhe gibt es, eine Lösung freilich ist nicht in Sicht. Problematisch ist das für die Dampflokfreundeauch, weil ihre Wagen immer wieder Ziel von Vandalismus sind.

Das trifft Züge wie ehrenamtliches Engagement, das enorm ist. Wie auch die Kosten. 100.000 Euro für Reparaturen im Jahr kann allein die Hundertjährige schon mal verschlingen.

„Mal mehr, mal weniger“, sagt Fantoli, der den Zugführer gibt bei den Dampflokfahrten. Und für den die Eisenbahn tatsächlich nur Hobby ist – im „echten“ Leben ist der 61-Jährige Karlsruher gelernter Küchenmeister.

Die Kohle die verfeuert wird, muss wieder rein in die Kasse

Mit den Ausflugsfahrten ins Murg- und Albtal sowie Vermietungen für anderen Bahnen kommt ein Teil der Kohle, die vorne sprichwörtlich verfeuert wird, wieder rein in die Kasse der Eisenbahnfreunde. Auch Filmrollen hatte die 58311 schon, zuletzt im US-deutschen Filmdrama „Die Bücherdiebin“.

Am Samstag nun kehrt das Leben zurück in den mächtigen Kessel der 58311, die stoisch und starr in Ettlingen-West Güterzüge, Stadtbahnwagen und TGV an sich vorbeirattern und –rasen lässt. „Ab mittags wird angefeuert“, sagt Fantoli.

Abends wird der Check gemacht, nachts lodert in der bei Hochbetrieb bis zu 700 Grad heißen „Feuerbüchse“ ein Ruhefeuer, dass sonntags zum Saisonstart zur Abfahrt angefacht wird bis richtig Druck unterm Kessel herrscht: 14 bar. Im Tender lagern sechs Tonnen russische und polnische Steinkohle – was für eine Murgtal- und eine Albtalfahrt reicht.

Im September Treffen der zwei Hundertjährigen

Am 4. September übrigens kommt es auf der Strecke der Schwarzwaldbahn zum Treffen zweier Hundertjähriger – dafür dampft aus Amstetten die 751118 an. Ebenfalls eine Karlsruherin, nur noch ein paar Tage älter: Sie lief Ende Mai 1921 vom Stapel der Karlsruher Maschinenbau-Gesellschaft. Auch für sie gilt: kein Bock, kein Dampf.

„Es fahren immer drei: Lokführer, Heizer – und die Lokomotive“, sagt Lokführer Heiko Waiss.

Historische Dampffahrten

Ursprünglich sollte die Dampfzug-Saison am 1. Mai losgehen – aufgrund der Pandemie-Auswirkungen starten die Planfahrten durch das Albtal und das Murgtal mit Verspätung. An diesem Sonntag steht die erste Fahrt nach Baiersbronn an, eine Woche später geht es durchs Albtal nach Bad Herrenalb und zurück. Abfahrt und Ankunft ist jeweils im Karlsruher Hauptbahnhof. Man kann aber auch nur eine einfache Strecke fahren.

Für den 4. September ist die Parallelfahrt der beiden 100 Jahre alten Karlsruher Loks auf der Schwarztalbahn geplant. Am 5. September dampfen die beiden Loks zu einer Fahrt rund um Karlsruhe.

Buchungen und Informationen im Internet unter www.danoka.de oder telefonisch unter (0 72 43) 7 15 96 86.

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