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Paukenschlag mit BNN-Gastbeitrag

Ehemaliger Karlsruher GMD Justin Brown: Der große Abschied muss noch warten

Das „Farewell“ ist vertagt: Die Corona-Krise hat auch den Ausweichtermin für das Abschiedskonzert von Justin Brown als Generalmusikdirektor am Badischen Staatstheater in Karlsruhe gekippt.

Muss sein Abschiedskonzert erneut aufschieben: Justin Brown, bis Ende der Saison 2019/20 Generalmusikdirektor am Badischen Staatstheater Karlsruhe.
Muss sein Abschiedskonzert erneut aufschieben: Justin Brown, bis Ende der Saison 2019/20 Generalmusikdirektor am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Foto: Artis/Uli Deck

Schon im Juli 2020 war das große Abschiedskonzert von Justin Brown als Generalmusikdirektor am Badischen Staatstheater Karlsruhe ausgefallen wegen der Corona-Krise. Nun hat sich auch der Nachholtermin erledigt.

Eigentlich hätte der Brite, der zwölf Jahre als GMD in Karlsruhe gewirkt hatte, an diesem Sonntag und Montag das 5. Sinfoniekonzert der laufenden Saison dirigieren sollen. Auf dem Programm gestanden hätten Mozarts Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491 und Beethovens „Eroica“, die Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55.

Ausgefallenes Konzert in Karlsruhe ist für Justin Brown sehr schmerzhaft

„In dieser Saison wird es mit dem Konzert leider nichts mehr werden“, sagt Brown im Telefonat mit den BNN. Ob und wie es Möglichkeiten in der kommenden Spielzeit gebe, werde sich noch zeigen müssen. „Im Moment kann ja niemand absehen, wie die Situation an Theatern und Konzerthäusern weitergeht.“

Das Abschiedskonzert in Karlsruhe sei nicht der einzige Fall in seinem Kalender, bei dem nun auch der Ausweichtermin der Pandemie zum Opfer falle. Aber ein besonders schmerzhafter.

Diese Vorstellung nie gespielt zu haben, ist wie eine offene Wunde.
Justin Brown, ehemaliger GMD in Karlsruhe

Neben einem weiteren Neuanlauf für das Abschiedskonzert hofft Brown vor allem darauf, dass die nahezu fertiggestellte Inszenierung von Alban Bergs Oper „Wozzeck“ noch ihre Premiere erleben wird.

Die erste Operninszenierung des russischen Regisseurs Maxim Didenko war im Frühjahr 2020 mit großer Spannung erwartet worden. „Diese Vorstellung nie gespielt zu haben, ist wie eine offene Wunde“, sagt der 59-Jährige. „Wir waren zwei Wochen vor der Premiere, als die Theater schließen mussten.“

Bewusst vorsichtig war das Nachholen der Premiere in der laufenden Saison auf Frühsommer 2021 angesetzt worden. Doch auch diese Hoffnung hat sich angesichts der anhaltenden Pandemie zerschlagen.

Reduzierte Besetzungen sind in der Corona-Krise ein Thema

Auch ansonsten ist Browns Terminplanung, wie überall im Kulturbetrieb, seit rund einem Jahr von Improvisation und Umbau geprägt. „Im vergangenen Sommer hatte ich ein Dirigat in Italien. Dort waren fünf Termine geplant, dann wurde auf drei reduziert und schließlich gab es, weil kein Konzert mit Publikum gestattet war, ein Streaming mit reduziertem Programm und kleinerer Besetzung.“

Die Reduzierung von Besetzungen ist coronabedingt oft ein Thema im Musikbetrieb. So arbeitet Brown derzeit mit einem Arrangeur an einer entsprechenden Fassung der Oper „Das schlaue Füchslein“ von Leoš Janáček. „Mit diesen Vorbereitungen behalte ich das Dirigieren zumindest intellektuell im Blick“, sagt Brown. Entstehen soll die Produktion im Sommer – auch das ein Nachholtermin vom vergangenen Jahr.

Für britische Musiker ist der Brexit eine Katastrophe.
Justin Brown, ehemaliger GMD in Karlsruhe

Stattfinden soll das Ganze in England, was Brown in diesem Fall zumindest ein anderes Problem britischer Künstler erspart. „Für britische Musiker, die Engagements in der EU annehmen oder sogar auf Tournee durch mehrere Länder gehen, ist der Brexit eine Katastrophe“, bestätigt Brown die Alarmsignale, die der Branchenverband UK Music im Januar ausgesendet hatte.

Der logistische Mehraufwand – etwa durch Visa-Anforderungen, die zudem von Land zu Land unterschiedlich seien – werde dazu führen, dass europäische Veranstalter künftig weniger auf britische Künstler zurückgreifen würden.

Gastbeitrag von Brown zum Badischen Staatstheater fand viel Beachtung

Einige gewichtige Marksteine freilich hat Justin Brown im Juli 2020 in Karlsruhe noch gesetzt. Zum einen hat er bewiesen, dass am Staatstheater durchaus hochwertige Videobeiträge produziert werden können – sowohl mit einem Filmprojekt zu Beethovens „Chorfantasie“ (abrufbar auf Youtube) als auch mit einer Filmfassung der Opernproduktion „Wahnfried“, die allerdings außer bei einer öffentlichen Vorführung bislang nicht zu sehen war (laut Auskunft des Theaters aufgrund von Rechteverhandlungen).

Zum anderen hat Brown das Verhalten der Politik in der damals schwelenden Führungskrise um Generalintendant Peter Spuhler kommentiert in einem Beitrag für die BNN, der viel Beachtung fand.

Ich hätte nie gedacht, dass ich als Künstler einmal ein solches politisches Statement abgeben müsste.
Justin Brown, ehemaliger GMD in Karlsruhe

„Ich hätte nie gedacht, dass ich als Künstler einmal ein solches politisches Statement abgeben müsste“, sagt er rückblickend. Er habe es aber nicht stehenlassen können, wie Mitarbeiter des Theaters wegen ihrer Kritik an Spuhler behandelt worden seien. „Wenn mein Schreiben dazu beigetragen hat, den Weg aus der Konfrontation hin zu einem Dialog zu öffnen, dann ist es gut. Es ging mir um die Wertschätzung für ein Ensemble voller wunderbarer Leute.“

Auch ihnen gelte sein Wunsch, den er angesichts der Corona-Krise für die gesamte Kulturlandschaft habe: „Ich hoffe sehr, dass wir mit Optimismus und Geduld alles wieder aufblühen sehen.“

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