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Sanierung wächst sich aus

Schlimmer als gedacht bröckelt die historische Kapelle auf dem Bergfriedhof in Karlsruhe-Durlach

Die Kapelle auf dem Durlacher Bergfriedhof ist ein bedeutendes Denkmal. Bei der millionenschweren Sanierung machen die Experten Entdeckungen, auf die sie lieber verzichtet hätten.

Zwei Sachverständige stehen auf einem Baugerüst neben einer Putzfläche, die mit grüner Sprühfarbe markiert ist.
Großflächig ruiniert ist der historische Putz der Kapelle auf dem Bergfriedhof Durlach. Thomas Dueck (links) und Karen Veihelmann besichtigen die Schäden. Foto: Jörg Donecker

Es liegt vieles im Argen hinter der Plane, die den bauhistorischen Patienten auf dem Durlacher Bergfriedhof einhüllt. Zu den massiven Wasserschäden, die das Dach beinahe einstürzen ließen, kommen weitere Hiobsbotschaften. Der Putz, die Glasfenster, der Sandstein: Weit mehr Substanz als zunächst vermutet, hat extrem gelitten seit der Rundum-Sanierung gegen Ende des vergangenen Jahrtausends.

Auf Höhe der Dachkante besichtigen Thomas Dueck vom Stadtamt Durlach und die auf Denkmalpflege spezialisierte Bauingenieurin Karen Veihelmann das Trauerspiel. Fast jede Putzfläche auf der vom Anstrich befreiten Fassade ist mit grüner Leuchtfarbe markiert.

Vermutlich ist der bauzeitliche Putz zu 98 bis 100 Prozent kaputt.
Karen Veihelmann
Expertin für Denkmalsanierung

Die Kreuze und Kringel sprechen eine unheilvolle Sprache. „Der Putz liegt in großen Flächen hohl. Das heißt, er ist zerstört“, erklärt Veihelmann. „Vermutlich ist der bauzeitliche Putz zu 98 bis 100 Prozent kaputt.“

Der unsachgemäße Anstrich hat den Original-Putz aus der Bauzeit vor 120 Jahren dermaßen großflächig ruiniert, dass die Expertin nur versuchen kann, was sie den Denkmalpflegern gern versprochen hat: wenigstens eine Fläche mit Originalverputz in die Zukunft zu retten. Das ist wichtig als Beleg- und Bezugsgröße. Aber nach dem aktuellen Schadensbild ist die auf solch sensible Sanierungen spezialisierte Ingenieurin skeptisch: „So eine Referenzfläche zu erhalten, das wird schon schwierig.“

Schöne Überraschung hinter der Orgel

Eine erfreuliche Überraschung gibt es aber auch. Die Orgel ist demontiert, Baustaub tut ihr nicht gut, der Zeitpunkt für eine Überholung ist ideal. Wo die Orgelpfeifen den Innenanstrich verdeckten, reichten die Malerpinsel vor 1998 nicht hin – zum großen Glück.

Vorarbeiter Michael Meißner steigt auf eine Klappleiter und zieht eine schützende Plastikfolie zur Seite. Dahinter taucht unversehrt die bunte Wandbemalung auf, die im übrigen hinter Tünche verschwunden ist.

Ein Mann auf einer Klappleiter entfernt die schützende Plastikhülle von einem Stück farbiger Wandmalerei in einer über 100 Jahre alten Friedhofskapelle.
In der Kapelle auf dem Bergfriedhof Durlach zeigt Michael Meißner die ursprüngliche Farbgebung, die hinter der Orgel erhalten blieb. Foto: Jörg Donecker

Es wird eine Ausnahme bleiben, dass Menschen dieses Fragment der Originalausschmückung der seitlichen Kirchenwand sehen können. Die Fachleute bewahren es, indem sie alles wieder montieren wie zuletzt.

Grundsätzlich sollen die Restauratoren an der Kapelle auf dem Durlacher Bergfriedhof reparieren und erhalten, was irgend geht. Um jeden Ludovici-Dachziegel ringen die Denkmalschützer. Dass die um 1900 aufgelegten Dachlatten teils stark von Pilzsporen durchsetzt sind, war früh klar. Auch dass die Fassade zu dick gestrichen war, wussten die Fachleute vor Beginn der Arbeiten. Doch dass darunter der Putz so heillos bröckelt, war nicht bekannt. Und es ist immer noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Weil Warten auf dem Bergfriedhof alles nur verteuern würde, investiert die Stadt Karlsruhe auf die Schnelle, obwohl sie in der schwierigen Kassenlage sonst keine Projekte startet.

Die Stadt braucht die Kapelle, hat das Vorhaben nachträglich in den kommunalen Haushalt geschoben und 2,2 Millionen Euro neue Schulden dafür akzeptiert. 366.000 Euro steuert das Land bei, per Zuwendung aus dem Landesdenkmalamt sowie von der Landesdenkmalstiftung.

Bemaltes Glas sitzt falsch im Fenster

Wer sich im Innern der Kapelle Zeit nimmt, die bemalten Partien der Glasfenster im Detail zu mustern, staunt. Seltsame Fehler im Muster fallen erst bei gezielter Betrachtung auf. Auch die Fachleute entdeckten sie erst bei der Bestandsaufnahme aus nächster Nähe und konnten kaum fassen, was sie entdeckten, berichtet Veihelmann. Die einzelnen Scheiben wurden nach der Rundumsanierung nach 1990 teils seitenverkehrt wieder eingesetzt. „Die Glasmalerei ist außen“, sagt die Leiterin des aktuellen Instandsetzungsprojekts. „Wir können uns nicht genau erklären, wieso.“

Die Aufnahme der Schäden wird länger und länger. Und noch lastet das fast eingestürzte Dach mit einem Teil seines Gewichts auf dem Gebäude. Abgestützt, ist es keine unmittelbare Gefahr mehr. Aber die Bausubstanz ist noch nicht aus der Gefahrenzone. „Erst wenn die Last vom Gewölbe genommen wird“, skizziert Veihelmann die nächsten Monate, „sehen wir, ob und wo sich noch Risse bilden“.

Steinmetzwerkzeug liegt bereit bei der Renovierung der Friedhofskapelle auf dem Bergfriedhof Durlach.
Steinmetzwerkzeug liegt bereit bei der Renovierung der Friedhofskapelle auf dem Bergfriedhof Durlach. Foto: Jörg Donecker

Erst im September oder Oktober beginnt die Dachreparatur. Steinschäden hingegen entfernen die Steinmetze schon – und auch dies sind viele. Vom Baugerüst aus kann man die beschrifteten Lücken berühren. Wie bei einem Puzzle werden die fehlenden Partien später wieder eins zu eins eingesetzt.

Nur die Granitplatten beidseits des Portals, die Fremdkörper waren, kommen definitiv nicht wieder. Vor das gemauerte Ziegelwerk setzen die Restauratoren Sandstein im richtigen Rotton.

Die Kapelle wurde kaputt saniert aus heutiger Sicht.
Thomas Dueck
Leiter Bau im Stadtamt Durlach

Kopfschüttelnd geht Dueck über die Baustelle. „Die Kapelle“, sagt er, „wurde kaputt saniert aus heutiger Sicht“. Das historische Bauwerk sei „an allen Stellen falsch“ angefasst worden. „Gut, dass wir das jetzt so gesamtheitlich betrachten“, sagt der Leiter der Durlacher Stadtamtsabteilung Bau. „Es war kurz vor knapp.“

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