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Gebäude Ecke Kriegsstraße/Karlstraße

Altes Vincentiuskrankenhaus

„Erkennen Sie Karlsruhe?“: Ort schmerzhafter Erinnerungen

Die Folge fünf unserer Rätselserie führt an die Ecke Kriegs-/Karlstraße ins alte Vincentiuskrankenhaus. Viele Teilnehmer erinnern sich an schmerzhafte Eingriffe, an schöne Erlebnisse und einen köstlichen Messwein.
4 Minuten
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Gipsverbände, genähte Wunden, viele Mandel- und Augenoperationen: Folge fünf unserer Rätselserie „Erkennen Sie Karlsruhe?“ hat bei den BNN-Leserinnen und -Lesern schmerzhafte Erinnerungen hervorgerufen.

Gezeigt hatten wir in der vergangenen Woche ein schäbiges Eckgebäude kurz vor Abriss. Mehr als 100 Rätselfans wussten die Antwort, und viele von ihnen schickten E-Mails und Postkarten mit ihren persönlichen Erlebnissen.

Gebäude Ecke Kriegsstraße/Karlstraße
Viele Leser wussten, was auf dem Foto aus dem Jahr 1975 zu sehen ist. Foto: Stadtarchiv

Zu erkennen war auf dem Foto aus dem Jahr 1975 die Kreuzung der Kriegs- mit der Karlstraße. Das Gebäude dort – es wurde noch in den 1970er Jahren abgerissen – ist das alte, 1860 gebaute Vincentiuskrankenhaus am Karlstor. Heute beherbergt es unter anderem ein Gästehaus, einen kleinen Supermarkt und andere Läden.

In den Gummibaumtopf gepinkelt

1964 lag Peter Möllmann wegen einer Mandel-OP in dem Krankenhaus, wie damals üblich mit vielen anderen Kindern zusammen in einem größeren Zimmer. Nach der Narkose auf dem Weg zur Operation schlief der kleine Peter nicht mehr richtig. „Der Bu isch ja noch wach“, sagte der Pfleger in der Erinnerung von Peter Möllmann. „Und ,piks’ hatte ich meine zweite Narkose.“

Schon in der ersten Nacht im Vincentiuskrankenhaus hatte Möllmann ein besonderes Erlebnis. Er musste auf die Toilette, wusste aber nicht, wo sich eine befindet. „Aus lauter Verzweiflung“ pinkelte er in einen Gummibaumtopf. „Bu, was machsch du denn da?“, sagte die Nachtschwester, die ihn auf frischer Tat ertappte. Einige Jahre später war Möllmann wieder im Krankenhaus und sah den Gummibaum. „Er war prächtig gewachsen“, schreibt der Karlsruher auf seiner Postkarte an die Redaktion.

Mordsgaudi, bis die Nachtschwester kam

Dreimal musste Hans Ehrfeld „als Schulbub“ im „Vincenz“ an den Augen operiert werden. Von seinen Erinnerungen liegt allerdings vieles im Dunkeln, wie er schreibt. Zumindest nach seinem erstem Eingriff musste Ehrfeld acht Tage lang mit verbundenen Augen liegen. Nur beim Verbandswechsel erhaschte er einen Blick auf die anderen Kinder im Zimmer, auf Ärzte und die pflegenden Nonnen. Elternbesuche waren nicht erlaubt, deshalb hörte man „leider oft ein leises Weinen“ im Raum. Dennoch haben es die Ärzte und Pflegekräfte geschafft, Vertrauen zu ihren kleinen Patienten aufzubauen und sie zu trösten, schreibt Ehrfeld.

Ehemaliges St. Vincentiuskrankenhaus Ecke Kriegs- und Karlstraße in Karlsruhe
Wo sich Kriegs- und Karlstraße treffen, steht heute ein Eckgebäude. Foto: Peter Sandbiller

Rosemarie Grünling erinnert sich an eine sehr fröhliche Stimmung bei den Nonnen. Sie waren alle sehr freundlich und mit Liebe bei der Arbeit. „Die Schmerzen wurden dadurch erträglicher.“ Im Sommer 1956 wurden Karin Lafrenz-Müller die Mandeln im Vincentiuskrankenhaus entfernt.

Eine furchtbare Tortur, wie sie schreibt, weil die OP mit örtlicher Betäubung gemacht wurde. Sie und die anderen Mädchen im Zimmer hatten allerdings „eine tolle Ablenkung“: In der Schule gegenüber sprach sich herum, dass „da zwei lustige Mädels liegen“. Und so versammelten sich abends Jungs unter dem Fenster im ersten Stock. „Es war eine Mordsgaudi, bis die Nachtschwester kam und dem Rummel ein Ende machte.“

Mit dem Käfer ins Krankenhaus

„Himmel und Erde“ – an dieses Gericht aus Kartoffeln und Birnen erinnert sich Inge Süverkrüp. Das gab es bei ihrem Aufenthalt nach einer Mandel-Operation. „Für die damalige Zeit etwas Besonderes!“ Ruth Rickersfeld wurde um das Jahr 1970 an den Augen operiert. Später auf der Station ging an ihrem Teddybär die Rückseite auf, worauf ihn eine Ordensschwester wieder nähte. „Danach war ich wieder glücklich.“ Den Teddy hat sie heute noch.

Ende der 1960er Jahre lief eine Frau in der Ettlinger Straße direkt vors Auto von Günther Seiler. Er konnte nicht mehr vollständig bremsen, und die Frau schlug mit dem Kopf auf der Haube seines Käfers auf. Sie stand wieder auf, mit einer Beule im Gesicht. Seiler fuhr die Frau ins Vincentiuskrankenhaus. Ein paar Tage später haben seine Frau und er ihr Süßigkeiten vorbeigebracht und sie später noch zum Essen nach Hause eingeladen.

Feines Mittagessen, meist mit Spargel

Als Patient war Georg Jung nicht in dem Krankenhaus, dafür 1975 auf der Suche nach Brettern für den Dachboden zu Hause. Das Gebäude war schon aufgegeben, drinnen traf er auf drei Männer, die dort „arbeiteten“. Sie halfen ihm beim Ausbau von 7,50 Meter langen Brettern im Erdgeschoss und dann in der Kapelle von zehn „geweihten“ Eichenstufen, die zur Empore führten. Die Männer, die ihm halfen, waren „wohnungslos, entwurzelt und benutzten in der Abrissphase die Räumlichkeiten als Schlafplatz“. Am zweiten Weihnachtsfeiertag lud Jung die drei Männer zum Gans-Essen ein.

Ein und aus im alten Vincentiuskrankenhaus ging Bernhard Weckenmann seit seiner Kinderzeit. Sein Vater nahm in als kleiner Junge mit, wenn er orthopädische Schuhe ablieferte. Als Patient nach einer kleinen Nasen-OP im Jahr 1955 ist ihm die Milchsuppe noch in Erinnerung. Später wurde Weckenmann Ministrant, erlebte viele Gottesdienste zu den Hochfesten und werktags.

An Fronleichnam gab es nach der Prozession ein feines Mittagessen, meist mit Spargel. Dazu reichte Schwester Innocentia ein Flascherl Messwein. „Ein trockener Weißwein, wie ihn der Geistliche Rat Krautheimer, der immer sonntags die Messe feierte, gerne hatte.“ Der üblicherweise sehr süße Messwein aus Griechenland tat ihm nämlich „bei allem Heiligen“ nicht gut.

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