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Kein Spaß in Karlsruhe

Stararchitekt Ole Scheeren in Karlsruhe: Warum er bislang nicht in Deutschland baut

Mit außergewöhnlichen Gebäuden in Asien und Kanada hat der aus Karlsruhe stammende Architekt Ole Scheeren Aufsehen erregt. Bei einem Vortrag im ZKM wurde nachgefragt, warum er bislang nicht in Deutschland baut.

Im ZKM Karlsruhe sprach Ole Scheeren über die Geschichten hinter seinen außergewöhnlichen Bauprojekten. Dort ist derzeit die Ausstellung „Spaces of Life“ über sein Schaffen zu sehen.
Im ZKM Karlsruhe sprach Ole Scheeren über die Geschichten hinter seinen außergewöhnlichen Bauprojekten. Dort ist derzeit die Ausstellung „Spaces of Life“ über sein Schaffen zu sehen. Foto: Andreas Jüttner

Das umstrittene Projekt des Landratsamt-Neubaus in Karlsruhe kam auch zur Sprache beim Vortrag des Architekten Ole Scheeren am Donnerstagabend im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM). Nicht im Vortrag selbst, sondern in der anschließenden Fragerunde. Da fragte ein Besucher, warum Scheerens Entwurf hierfür, der in der aktuellen ZKM-Ausstellung zu Scheerens Werk zu sehen ist, nicht das Rennen gemacht habe.

Besucher fragt nach Neubau des Landratsamtes in Karlsruhe

„Warum wollten die Karlsruher diesen Spaß nicht?“, so der Fragesteller. Scheerens vieldeutige Reaktion: „Haben Sie die Antwort damit vielleicht schon selber gegeben?“

Die Formulierung der Frage beruhte auf einer kurz zuvor gefallenen Formulierung Scheerens. Der aus Karlsruhe stammende Architekt international viel beachteter Großprojekte, die bislang vor allem in Asien entstanden, sprach in seinem Vortrag auch über sein bekanntestes Gebäude, „The Interlace“ in Singapur mit 1.040 Wohneinheiten. Ein Gebäude aus 31 sechsstöckigen Riegeln, die auf den ersten Blick wie Legosteine gestapelt sind.

Wer keinen Spaß haben will, der kriegt auch keinen.
Ole Scheeren, Architekt

Scheeren war hier nach der Statik gefragt worden und hatte sowohl die technische Herausforderung als auch den spielerischen Ansatz erklärt. „Warum sollte Architektur nicht auch Spaß machen?“, fragte Scheeren rhetorisch. Und folgerte über die Bausituation in Deutschland: „Wer keinen Spaß haben will, der kriegt auch keinen.“

Großer Besucherandrang bei Vortrag in Ausstellung „Spaces of Life“

Anregenden und erhellenden Spaß kann man durchaus haben in der aktuellen ZKM-Ausstellung „Spaces of Life“, der noch bis zum 4. Juni laufenden weltweit ersten Ausstellung zu Scheerens Schaffen. Für großes Interesse an seinem Werk sprach auch der hohe Besucherandrang: Die verfügbaren Stühle reichten bei weitem nicht für die rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörer, denen Scheeren in rund 70 Minuten sehr anschaulich die Gedanken und Geschichten zu seinen außergewöhnlichen Bauten erläuterte.

Die verfügbaren Stühle reichten bei weitem nicht für die rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörer.
Die verfügbaren Stühle reichten bei weitem nicht für die rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörer im ZKM Karlsruhe. Foto: Andreas Jüttner

Naheliegend war daher die Besucherfrage, was denn passieren müsse, damit er auch mal in Deutschland baue. Scheeren sagte zunächst nur: „Wahrscheinlich noch vieles.“ Und dann noch: „Es wäre schön, eine Situation zu finden, die dem offen gegenübersteht, sich nicht hinter vielen Dingen zu verschanzen, sondern mutig in die Zukunft zu denken und vielleicht manche Fragen auch mal anders zu stellen.“

In Asien geht vieles schneller, aber nicht einfacher.
Ole Scheeren, Architekt

Am Umfang von Bauvorschriften allein zumindest liegt es offenbar nicht: „In Asien geht vieles schneller, aber nicht einfacher. Die Vorschriften sind auch dort sehr streng“, sagte Scheeren. Beim Wohnungsbau in China etwa müsse für jede einzelne Wohnung nachgewiesen werden, wie viel Sonnenlicht sie abbekomme, um Lebensqualität zu gewährleisten. „Das hat mich in Deutschland noch keiner gefragt.“

Bauprojekte zielen auf die Überwindung von Grenzen

Lebensqualität gehört zu jenen „Geschichten“, mit denen Scheeren seine Gebäude ausstatten will. In seinem Vortrag erläuterte er sein Motto „Form follows fiction“ (Die Form folgt der Fiktion). Wobei mit „Fiktion“ das Potenzial eines Gebäudes gemeint ist.

In allen Beispielen, die er vorstellte, kam Scheeren auf die Überwindung von Grenzen zu sprechen: Seine Gebäude sollen Natur in den Stadtraum integrieren, regionale Traditionen und moderne Urbanität verbinden und den Bewohnern sowohl private Rückzugsräume wie auch kommunale Gemeinschaftsorte bieten.

Nachhaltigkeit bedeutet nicht, drei Bäume als Alibi oder Dekoration hinzustellen.
Ole Scheeren, Architekt

Mehrfach betonte Scheeren die Bedeutung von planerisch durchdachter Nachhaltigkeit: „Nachhaltigkeit bedeutet nicht, drei Bäume als Alibi oder Dekoration hinzustellen.“ Bei „The Interlace“ sei durch die Anordnung der Gebäuderiegel, bei der sich viel Freifläche ergeben habe, innerhalb des Komplexes sogar mehr Fläche für Natur entstanden als überbaut wurde. Und durch modulare Planung habe man das Budget zu hundert Prozent eingehalten und sei drei Monate vorzeitig fertig geworden.

Den Kontrast zum Bauen in Deutschland riss er in der Fragestunde an mit einer Anekdote über ein Symposium, bei dem diskutiert wurde, warum deutsche Bauvorhaben nicht mehr wie geplant funktionierten. „Da ging es um die Elbphilharmonie, den Berliner Flughafen und Stuttgart 21“, so Scheeren. „Und 80 Prozent der Redner waren der Meinung, man bräuchte eben bessere Excel-Tabellen und müsse genauer kontrollieren.“

Architekt plädiert für entschlossenen Willen bei Großprojekten

Aus seiner Sicht sei das Problem ein anderes: „Wenn viele Menschen ein Projekt wirklich wollen, dann ist sehr vieles möglich.“ Für das größte und statisch komplizierteste seiner Gebäude, die Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens CCTV in Peking, habe man in zweijähriger Arbeit überhaupt erst die Regelwerke entwickeln müssen, um ein derartiges Gebäude in den Griff zu bekommen.

„Aber die Stadtverwaltung und die Regierung waren daran interessiert, ein System für die Zukunft zu entwickeln, das es ihnen ermöglichen würde, auch andere komplexe Bauvorhaben umzusetzen“, erklärte Scheeren. An diesem Punkt wurde, wohl aus gutem Grund, nicht mit der Bereitschaft der Bauherren für „Spaß“ argumentiert.

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