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Ansturm zur Eröffnung bleibt aus

Wenn das Geld nicht mehr für Butter reicht: Einige neue Gesichter bei der Karlsruher Vesperkirche

Bei der Eröffnung des Angebots für Bedürftige in der Karlsruher Südstadt blieb der große Ansturm aus. Warum die Organisatoren dennoch mit einem größeren Zulauf als in den Vorjahren rechnen.

Kirche
Rund um die Johanniskirche sollen bei der Vesperkirche ab 8. Januar rund 400 warme Mahlzeiten pro Tag ausgegeben werden. Foto: Peter Sandbiller

Für Hans machen sie eine Ausnahme. Der 46-Jährige kann nur schwer laufen, wegen eines Lymphödems am Bein sei er schon operiert worden, erzählt er.

Deswegen muss sich Hans beim Auftakt der Vesperkirche in der Karlsruher Südstadt am Sonntag nicht wie alle anderen in der Essensausgabe draußen anstellen und seine Nudeln mit Gulasch „to-go“ in der Styroporschachtel mitnehmen, sondern darf sie sitzend an einem kleinen Tisch im Kirchenvorraum essen.

„Ein Festessen“ könne man das schon nennen, sagt der Mann, den sie hier in der Vesperkirche gut kennen. So etwas Schmackhaftes, vor allem etwas Warmes, bekomme er selten.

Er lebe auf der Straße, erzählt Hans. All seine Habseligkeiten stecken in den zwei Plastiktüten, die auf dem Boden neben seinen Beinen abgestellt sind.

Sozialhilfe alleine reicht nicht aus

Nicht alle, die am Sonntag zur Johanniskirche am Werderplatz kommen, hat das Schicksal so hart getroffen. Die meisten, wie beispielsweise Georg aus der Südstadt und der 27-jährige Allan, haben immerhin eine Wohnung.

Aber für viel mehr reicht es nicht. Lebensmittel, auch Grundnahrungsmittel wie Butter und Kartoffeln, seien viel teurer geworden, erzählt Georg.

Das Angebot der Vesperkirche sei für ihn eine „Ergänzung zur normalen Hauptversorgung“. Mit der Sozialhilfe alleine komme er nur schwer über die Runden.

Georg ist einer von rund 30 Menschen, die am Sonntag schon gut eine halbe Stunde vor Öffnung der Stände mit Gulasch, Nudeln, süßen Teilchen und belegten Broten sowie Kaffee und Tee, vor der Johanniskirche anstehen.

Andere sind drinnen, wo Pfarrerin Lara Pflaumbaum, hauptamtliche Projektleiterin der Vesperkirche, und Dekan Thomas Schalla den Gottesdienst abhalten.

Bruno Wenz, der ehrenamtliche Projektleiter der Vesperkirche, rechnet damit, dass mehr Menschen als in den Vorjahren das Angebot der evangelischen Kirche und des Diakonischen Werks Karlsruhe nutzen werden.

Wir rechnen mit einem höheren Zuspruch als in den Vorjahren.
Bruno Wenz, ehrenamtlicher Projektleiter

„Die Grippe greift um sich und wegen der Energiekrise kochen einige weniger“, erklärt er seine Prognose.

Neben Essen und warmen Getränken bekommen Bedürftige in der Vesperkirche Kleidung, Schuhe, Bettwäsche und Handtücher sowie an bestimmten Terminen einen Haarschnitt sowie eine kostenlose ärztliche Behandlung für sich und ihren Vierbeiner.

Ukraine-Krieg, Energiekrise und gestiegene Lebensmittelpreise

Wenz schätzt, dass in den kommenden Wochen täglich zwischen 11 und 14 Uhr bis zu 400 Essen ausgegeben werden. Viele Stammgäste hätten bereits gefragt, wann es endlich losgehe.

Aber auch neue Besucher kämen hinzu, erzählt er. „Heute Morgen hat mich zum Beispiel eine Frau angesprochen. Sie sei seit kurzem in Rente und das Geld reiche nicht aus. ‘Darf ich denn auch kommen?’“

Lara Pflaumbaum hat in der Schlange der Wartenden am Sonntag ebenfalls viele neue Gesichter entdeckt. Sie geht wie Wenz davon aus, dass angesichts der Energiekrise, des Ukraine-Kriegs und der stark gestiegenen Lebensmittelpreise mehr Menschen das Angebot nutzen werden.

Trotz Job reicht das Geld nicht aus

Seit die Preise gestiegen sind, ist das Geld auch bei Eva Keck knapp geworden. Keck arbeitet abends im Fitnessstudio, zudem betreut sie einen Mann mit einer psychischen Erkrankung.

Zusammen mit ihm und ihrer vierjährigen Tochter Elly ist die 43-Jährige am Sonntag zur Vesperkirche gekommen, hat sich Gulasch, ein paar süße Stückle und Brot mitgenommen. Für die kleine Elly gab es sogar einen Hello-Kitty-Kalender.

„Ich nehme das Angebot gerne mit“, sagt Keck, die lange selbst in der Nachbarschaftshilfe gearbeitet hat.

Nach anderthalb Stunden sind circa 180 Essen ausgegeben

Gut anderthalb Stunden nach Eröffnung der Vesperkirche hat sich die Schlange vor der Essensausgabe aufgelöst. 150 bis 180 Essen wurden ausgegeben, schätzt Wolfgang Diebold, der als Ordner heute darauf geachtet hat, dass sich niemand vordrängelt.

Die Schlange sei schon mal länger gewesen, findet sein ehrenamtlicher Kollege. Der ganz große Ansturm scheint also zumindest am Eröffnungstag ausgeblieben zu sein.

Service

Die Vesperkirche am Werderplatz, die sich aus Spenden finanziert, ist bis zum 5. Februar täglich von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter www.vesperkirche-karlsruhe.de

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