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Behörde rechnet nicht mit Erdbebenschäden

Regierungspräsidium genehmigt Geothermie-Bohrungen in Graben-Neudorf

Das Regierungspräsidium Freiburg (RP) hat das Bohrvohaben der Deutschen Erdwärme GmbH (DEW) in Graben-Neudorf genehmigt. Mit Erdbebenschäden rechnet die Behörde nicht. Nach den Sommerferien wollen RP und Gemeinde die Bürger informieren.

ARCHIV - Mit Industriediamanten besetzt ist der Bohrkopf für die erste hessische Geothermie-Bohrung, den Mitarbeiter einer Spezialfirma am 22.12.2011 in Groß-Umstadt justieren. Foto: Boris Roessler/dpa (zu dpa "«Weiter unterm Radar» - Deutsche Geothermie bleibt in der Nische" vom 30.04.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Spezialisten am Bohrkopf: Bei Graben-Neudorf würde auf bis zu 3.700 Meter Tiefe gebohrt, um Wärme aus dem Boden zu holen. Foto: Boris Roessler

Die Landesbergdirektion im Regierungspräsidium Freiburg (RP) hat der Deutschen Erdwärme GmbH (DEW) das Bohrvorhaben zur Gewinnung von Tiefengeothermie in Graben-Neudorf genehmigt. Wie das Regierungspräsidium Karlsruhe am Montag mitteilt, wurde der von der DEW vorgelegte Hauptbetriebsplan nach umfassender Prüfung zugelassen. Vorbereitende Arbeiten am Bohrplatz gegenüber der SEW Eurodrive in Graben-Neudorf waren bereits im Februar angelaufen.

Nach RP-Angaben dürfen jetzt der Bohrplatz gebaut und die Bohranlage errichtet werden. Das Unternehmen will Anfang 2022 mit den Bohrarbeiten beginnen. Die DEW plant zwei Tiefbohrungen, um Erdwärme aus bis zu 3.700 Metern Tiefe zu fördern.

Die Erdwärme soll zur Stromerzeugung sowie zur Nahwärmeversorgung genutzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass bei den Bohrungen Erdwärme in ausreichender Menge gefunden wird, heißt es aus dem RP. Die bisherigen Erkenntnisse aus den vorbereitenden Untersuchungsarbeiten seien aussichtsreich.

In dem nun abgeschlossenen bergrechtlichen Verfahren zur Zulassung des Hauptbetriebsplans wurden die Gemeinde, Fachbehörden und Naturschutzverbände beteiligt. Das RP hatte bereits im September 2020 in einer Bürgerinformation der Gemeinde das laufende Verfahren und die anstehenden fachbehördlichen Prüfungen erläutert.

Regierungspräsidium erwartet keine Erdbebenschäden

Besonders im Fokus der Behörden stand bei der Prüfung des Vorhabens die Vermeidung von Schäden durch ausgelöste Erdbeben. Erdbebenschäden seien aufgrund der vorliegenden Planungsunterlagen und der in der Zulassung festgeschriebenen Auflagen nicht zu erwarten, teilt das RP mit.

Bei dieser Bewertung wurde das RP nach eigenen Angaben durch das Landesforschungszentrum Geothermie (LFZG) beraten. Die jetzt zugelassenen Arbeiten erlaubten den Bau des Bohrplatzes, die Ausführung der Bohrungen und Testarbeiten zum Nachweis des vorhandenen Vorkommens. Für weitergehende Vorhabenschritte wie zum Beispiel zusätzliche Testarbeiten oder den Übergang in die Betriebsphase seien weitere Genehmigungen erforderlich.

Die Gemeinde Graben-Neudorf werde in Zusammenarbeit mit dem RP nach den Sommerferien die Bevölkerung über die bergrechtliche Zulassung und die darin enthaltenen Regelungen informieren. Für Bürgermeister Christian Eheim (SPD) kam die Entscheidung der Behörde nicht überraschend. Es habe bereits entsprechende Signale der Landesbergdirektion gegeben.

Der Rathauschef hatte das Bergrecht, das sich in Bundeshand findet, zuletzt als „antiquiert“ bezeichnet. Demnach wurde die Gemeinde zwar als Trägerin öffentlicher Belange angehört, hat über den Boden vor ihrer Haustür indes keine Entscheidungsbefugnis. Die Deutsche Erdwärme hatte das Grundstück vom Land gekauft.

Wir sehen in der Geothermie Chancen und Risiken.
Christian Eheim, Bürgermeister von Graben-Neudorf

„Es kann nicht sein, dass eine Behörde in Freiburg über die Interessen der Bürger in Graben-Neudorf bestimmt“, kritisiert Eheim. Die geplanten Bohrungen erwartet er mit gemischten Gefühlen. „Wir sehen darin Chancen und Risiken“, so Eheim. Die Gemeinde habe die zuständigen Behörden „aufgefordert, die Risiken zu minimieren.“ Die gewonnene Nahwärme wolle man für die Bürger verfügbar machen.

Bürgerinitiative ist enttäuscht

Es gibt allerdings keine Garantie, dass die Bohrungen erfolgreich verlaufen. Im negativen Fall droht der Deutschen Erdwärme GmbH der Worst Case, wie Sprecher Ron Zippelius erklärt: „Dann müssten wir das Areal wieder zurückbauen.“ Das heißt: Das bereits gerodete Bohrgrundstück müsste auch wieder aufgeforstet werden. Man sei aufgrund der bisherigen Erfahrungen am Oberrhein aber optimistisch.

Nun beginnt die Deutsche Erdwärme nach eigenen Angaben mit dem Bohrplatzbau. Die Arbeiten sollen rund fünf Monate dauern. Nach Fertigstellung des Bohrplatzes und der Sicherheitssysteme werde das bei Graben-Neudorf identifizierte Thermalwasserreservoir durch zwei Bohrungen erschlossen. Die erste Bohrung startet laut dem Betreiber voraussichtlich im Januar 2022, wenn die geplanten Überwachungssysteme zum Schutz des Grundwassers sowie das seismische Netzwerk installiert sind.

Ist die Bohrung fündig, könne die geplante Erdwärmeanlage ab 2024 jährlich mehr als 10.000 Haushalte mit erneuerbarem Strom versorgen oder bei Anschluss an ein Wärmenetz mittelfristig 27 Millionen Liter Heizöl pro Jahr ersetzen. Graben-Neudorf kann nach Angaben der Deutschen Erdwärme damit schon deutlich vor 2050 Klimaneutralität erreichen.

Die Geothermie-Projekte in der Region sind umstritten. Neben Graben-Neudorf formierte sich zuletzt auch in Neureut eine Bürgerinitiative, die sich gegen den Karlsruher Stadtteil als Standort für Erdwärme-Bohrungen ausspricht.

Bei der Bürgerinitiative Tiefengeothermie in Graben-Neudorf herrschte am Montag Ernüchterung. Das Genehmigungsverfahren habe sich „länger hingezogen als erwartet“, sagte Sprecherin Anja Göttsche. „Wir hatten die Hoffnung, dass die Vorkommnisse im Elsass die Behörden skeptisch gemacht haben.“ In Vendenheim nördlich von Straßburg war ein Geothermie-Projekt nach mehreren Erdbeben gestoppt worden. Göttsche ärgert sich darüber, dass die Genehmigung zu Ferienbeginn erteilt wurde und die Bevölkerung erst danach über den aktuellen Projektstand informiert werden soll. „Der Umgang mit den Bürgern ist nicht fair.“

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