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Jahresausblick

Kulturszene: 2023 werden in Karlsruhe und Bruchsal wichtige Positionen neu besetzt

Einige rekordverdächtige Amtszeiten in der regionalen Kulturszene enden im Jahr 2023: Am Tollhaus und ZKM in Karlsruhe sowie an der Landesbühne Bruchsal werden Leitungspositionen neu besetzt.

Die Abteilung „media dump“ in der Ausstellung „Ole Scheeren: spaces of life“ im ZKM Karlsruhe, Eröffnung 10.12.2022
Ein einzigartiger Kulturort in der Region ist das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM). Dort, aber auch an einigen anderen Kulturinstitutionen gibt es im Jahr 2023 einen Wechsel an der Spitze. Foto: Felix Grünschloß

In einer Hinsicht ist Kultur wie Beton. Nämlich wenn man an einen alten Werbespruch der Beton-Hersteller denkt: „Es kommt drauf an, was man draus macht.“ Wobei es in der Kultur auch darauf ankommt, wer es macht.

Zwar haben Kultureinrichtungen klare organisatorische Strukturen. Und auch hier gilt, dass niemand unersetzlich ist. Aber mehr als in anderen Branchen hängt hier vieles an den Persönlichkeiten, die diese Strukturen mit Leben erfüllen, ja, sie mitunter sogar erst entwickeln und prägen.

Findet an solchen Stellen ein Personalwechsel statt, dann ist dies nicht einfach eine behördliche Amtsübergabe. Insofern steht der regionalen Kulturlandschaft ein spannendes Jahr bevor, denn 2023 werden gleich mehrere wichtige Positionen neu besetzt.

Impulse für die Soziokultur: Tollhaus-Geschäftsführer Bernd Belschner

Bernd Belschner, Geschäftsführer Tollhaus Karlsruhe, hier beim Gala-Abend „40 Jahre Tollhaus“ am 30.10.2022
Bernd Belschner, Geschäftsführer Tollhaus Karlsruhe Foto: Bernadette Fink

Die dienstälteste Person dieser Liste wirkt nicht im seit jeher öffentlich geförderten Kulturbereich der Theater und Museen, sondern hat maßgeblich dazu beigetragen, die vor vier Jahrzehnten von der Kulturpolitik noch skeptisch beäugte Soziokultur zu etablieren: Bernd Belschner gehörte 1982 zum Gründungsteam des Vereins Tollhaus e.V., der nach jahrelangem ehrenamtlichen Engagement 1992 eine eigene Spielstätte beziehen konnte und sich seitdem immer mehr professionalisierte.

Seit etlichen Jahren nun ist das Tollhaus hinsichtlich der Besucherzahlen der zweitgrößte Live-Veranstalter in Karlsruhe nach dem Badischen Staatstheater. Das Kulturzentrum steht symptomatisch für die Entwicklung der Soziokultur in Baden-Württemberg, die auch kulturpolitisch nicht mehr wegzudenken ist, deren Gründer und Impulsgeber sich nun aber dem Rentenalter nähern.

Belschner wird 2023 zwar nicht in den kompletten Ruhestand gehen, aber sein Amt als Co-Geschäftsführer neben Britta Velhagen abgeben. Sein Nachfolger Sebastian Bau kehrt als ehemaliger Mitarbeiter zurück an ein Haus, an dem wohl weniger grundlegende Änderungen anstehen als vielmehr die Fortsetzung des bisherigen Prinzips, sich treu zu bleiben durch Wandel und Mut zu neuen Impulsen wie etwa dem Atoll-Festival.

Definition eines neuen Museums: ZKM-Vorstand Peter Weibel

Gewissermaßen am anderen Pol der Skala steht der anstehende Wechsel an der Spitze des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM).

Dessen künstlerisch-wissenschaftlicher Vorstand Peter Weibel, der sein Amt am 31. März 2023 kurz nach seinem 79. Geburtstag abgeben wird, hat das ZKM zwar nicht gegründet. Aber er hat die von Stadt und Land als kultureller Leuchtturm proklamierte Einrichtung seit seinem Amtsantritt 1999 als bislang einziger Nachfolger des Gründungsdirektors Heinrich Klotz nicht nur geprägt, sondern definiert.

Durch seine oft avancierten Ansätze auf unterschiedlichen Themenfeldern hat der international renommierte Medienkünstler, Theoretiker und Kurator dem ZKM einerseits erst ein Profil gegeben. Andererseits haben sich unter ihm die Themen der ZKM-Projekte immer gewandelt und entwickelt.

Daher ist auch das Profil dieser Einrichtung weiterhin wandel- und entwickelbar geblieben. Dieser Aufgabe wird sich ab dem 1. April der britische Kurator Alistair Hudson widmen, der im Juli dieses Jahres nach einer sehr langen Findungsphase als Weibels Nachfolger bekannt gegeben wurde.

25 Jahre Arbeit an der Basis: Landesbühnen-Intendant Carsten Ramm

Noch länger als Peter Weibel das ZKM leitet Carsten Ramm die Badische Landesbühne Bruchsal. Der Intendant ist seit der Saison 1998/99 im Amt. Zum Ende dieser Spielzeit wird der dann 65-Jährige das Amt nach rekordverdächtigen 25 Jahren abgeben.

BLB Carsten Ramm
Carsten Ramm, Intendant Badische Landesbühne Foto: Martin Heintzen

Ramms Tätigkeit steht symptomatisch für die umfangreiche Kulturarbeit an der Basis: Die Landesbühne bespielt, ihrem Namen gemäß, neben ihren beiden Bühnen im Bürgerzentrum Bruchsal ein großes Einzugsgebiet mit 32 weiteren Gemeinden. Der nordöstliche „Außenposten“ ist Tauberbischofsheim, der südöstliche Leutkirch im Allgäu.

25 Jahre Intendanz bedeuten hier 25 Saison-Spielpläne mit Stücken, die an möglichst vielen Orten funktionieren und logistisch in möglichst unterschiedlichen Räumen umsetzbar sind. Viele dieser Stücke hat Ramm selber inszeniert – in der laufenden Saison bereits den Brecht-Klassiker „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ sowie die Filmadaption „Industrielandschaft mit Einzelhändlern“. Im Februar wird als letzte Regiearbeit seiner Amtszeit noch „Masken“ nach Claude Chabrol folgen.

Ramms designierter Nachfolger Wolf E. Rahlfs ist mit dem Betrieb bestens vertraut: Von 2004 bis 2007 stand er in Bruchsal selber auf der Bühne, danach war er regelmäßig als Regisseur dort tätig, bis er 2018 als Intendant ans Theater der Altmark in Stendhal berufen wurde. Von dort kehrt er zur Saison 2023/24 zurück nach Bruchsal.

Abschied während Schließung: Kunsthallen-Direktorin Pia Müller-Tamm

Eine weitere langjährige Amtszeit endet an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: Ende April wird Pia Müller-Tamm als Direktorin des renommierten Museums in den Ruhestand gehen. In den 14 Jahren unter ihrer Leitung verzeichnete die Kunsthalle etliche viel beachtete Ausstellungen.

Pia Müller-Tamm leitet seit 2009 die Kunsthalle Karlsruhe. In diesem Jahr feiert das Museum seinen 175. Geburtstag – danach wird es für längere Zeit geschlossen und saniert.
Pia Müller-Tamm, Direktorin Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Foto: Bruno Kelzer

Die bereits in der Sammlung verankerte Verbundenheit zu französischer Malerei wurde gepflegt in Ausstellungen zu Camille Corot, Jean-Honoré Fragonard, Paul Degas, Paul Cézanne und zuletzt, stark durch die Corona-Pandemie ausgebremst, Francois Boucher. Zugleich gab es neue kuratorische Ansätze, etwa hinsichtlich der Porträtmalerei („Unter vier Augen“), und klare thematische Setzungen, etwa in der Schau „Inventing Nature“.

Über die Nachfolge ist offiziell noch nichts bekannt – ein Umstand, der wohl nur möglich ist aufgrund der aktuellen Situation der Kunsthalle. Deren markantes Gebäude ist seit November 2021 wegen notwendiger Sanierungsarbeiten für mehrere Jahre geschlossen.

Und dann musste auch noch der Einzug ins Ausweichquartier ins ZKM, der eigentlich für Herbst 2022 angesetzt war, verschoben werden. Immerhin wird sich Pia Müller-Tamm nach derzeitiger Planung mit der Eröffnung dieser Gastspiel-Präsentation Ende April aus dem Amt verabschieden können.

Leitungsstreit bei der Hochschule für Gestaltung

Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Leitung wird auch die Staatliche Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe ins neue Jahr begleiten. Der 2019 angetretene Rektor Jan Boelen wurde 2022 gleich zwei Mal von der Professorenschaft abgewählt – ein außergewöhnlicher Vorgang, dessen juristische Folgen noch nicht abzusehen sind.

Und die publikumsstärkste Kultureinrichtung der Fächerstadt, das Badische Staatstheater, geht wohl ins letzte Kalenderjahr mit dem amtierenden Leitungspersonal: Mitte 2024 endet die dreijährige Interimsphase unter Intendant Ulrich Peters, und dessen designierter Nachfolger Christian Firmbach wird zum Neustart voraussichtlich viele Positionen neu besetzen. In allen Fällen geht es um die Aufstellung der Kulturszene für die Zukunft – es kommt drauf an, was man draus macht.

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