Ist der Name Ludwig Marum jedem ein Begriff? Der Rechtsanwalt und SPD-Politiker wurde 1934 im KZ Kislau bei Bruchsal ermordet. Das Ludwig-Marum-Gymnasium in Pfinztal setzt sich alle fünf Jahre am Ludwig-Marum-Tag intensiv mit dem Leben und Wirken ihres Namensgebers auseinander. Im Gespräch verrät Schulleiterin Elke Engelmann, welche Früchte das trägt.
Am vergangenen Montag war an Ihrer Schule der Ludwig-Marum-Tag. Was hat es damit auf sich?
EngelmannDer Ludwig-Marum-Tag ist ein Projekttag, den es seit 1994 gibt. Alle fünf Jahre beschäftigt sich die ganze Schule an diesem Tag sehr intensiv mit Themen, für die Ludwig Marum eingetreten und für die er gekämpft hat: Menschenrechte, Kampf gegen Antisemitismus und rechte Minderheiten, Einsatz für Demokratie. In diesem Jahr reiht er sich zum 90. Todestag von Ludwig Marum in eine ganze Reihe von Veranstaltungen ein, etwa die Verleihung des Ludwig-Marum-Preises oder die Ausstellung „Ein Leben für Recht und Republik“. Wir müssen unsere Anstrengungen noch verstärken, um unsere Schülerinnen und Schüler zu Demokraten zu erziehen.
Welche Schwerpunkte haben Sie beim Projekttag gesetzt?
EngelmannDas ist sehr unterschiedlich. Immerhin nehmen Schüler von Klasse fünf bis Klasse zwölf an dem Projekttag teil. Die Schwerpunktsetzung ist je nach Alter ein wenig anders: Die Fünftklässler beschäftigen sich etwa mit der Biografie von Ludwig Marum und Zeitzeugenberichten aus der Nazizeit. Die Siebtklässler haben sich mit Antisemitismus und Klischees beschäftigt, die Kursstufe hat Plakate zu „100 Köpfe der Demokratie“ gestaltet. Das Programm für dieses Jahr wurde von der Fachschaft Geschichte/Gemeinschaftskunde ausgearbeitet.
Braucht es mehr Aufklärung über Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung im Lehrplan?
EngelmannIch glaube, wir müssen bei unseren Schülerinnen und Schülern eher diese gedankliche Trennung zwischen Lehrinhalten und konkreten Auswirkungen auf unsere Gesellschaft aufheben. Wenn wir uns im Unterricht mit solchen Themen beschäftigen, ist es wichtig für unsere Gesellschaft und nicht, weil es im Lehrplan steht. Das müssen wir stärker vermitteln. An einem solchen Projekttag nehmen Schüler Inhalte ganz anders wahr, auch wenn sie in ähnlicher Form bereits Thema im Unterricht waren.
Am Ludwig-Marum-Gymnasium Pfinztal kommen viele Impulse zum Umgang mit Rassismus von den Schülern
Das LMG ist Teil des Netzwerks „Schule ohne Rassismus“. Was machen Sie anders als andere Schulen?
EngelmannWir versuchen, den Fokus auf das Thema Rassismus zu legen. Zum Beispiel auch mit dem Ludwig-Marum-Tag. Uns ist wichtig, dass diese Themen im Alltag ankommen. Da hilft die Verpflichtung, die wir uns mit dem Beitritt zu diesem Netzwerk gegeben haben. Alle reflektieren ihr Verhalten in bestimmten Situationen noch einmal ganz anders. Wenn Schüler immer wieder mit dem Thema Rassismus konfrontiert werden, setzt ein Denkprozess ein. Die Initiative zum Beitritt kam übrigens von der SMV des LMG und der Geschwister-Scholl-Realschule.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza ist Antisemitismus wieder stärker in den Fokus gerückt. Gehen Sie das Thema seitdem anders an?
EngelmannDurchaus. Aus der SMV heraus hat sich zum Beispiel vor circa zehn Jahren eine Gruppe von Schüler gebildet, die sich den Namen „LMG World Ausschuss“ gegeben haben. Diesen Schülerinnen und Schülern ist es ein großes Anliegen, solche Themen in den Schulalltag zu integrieren, zum Beispiel mit einer Gedenkminute für die Opfer des Hamas-Überfalls oder Plakaten. Damit erreichen sie die Schülerinnen und Schüler auf einer ganz anderen Ebene als wir Lehrer.
Ein Großteil der Impulse kommt aber aus der Schülerschaft?
EngelmannJa, das finde ich besonders großartig. Wir Lehrer flankieren das und beraten die Schülerinnen und Schüler. Ich finde es schön, dass wir als Lehrkräfte unterstützen und begleiten, aber nicht so aufgesetzt agieren oder den Schülern etwas überstülpen müssen.
Schüler des LMG wurden in der Vergangenheit zu Medienmentoren ausgebildet. Welche Rolle spielt die Nutzung von ChatGPT, sozialen Medien und allgemein Internet?
EngelmannGrundsätzlich ist Mediennutzung in diesem Kontext eine heikle Sache. Wir wissen alle, dass auf diversen Plattformen nicht nur Wahrheiten verbreitet werden. Unsere Achtklässler haben sich am Ludwig-Marum-Tag etwa mit Verschwörungstheorien beschäftigt. Die Medienmentoren geben als Experten ihr Wissen in den Klassen weiter. Der Impuls kommt also wieder von den Schülern selbst, sie werden auf Augenhöhe aufgeklärt.
Sie sind Rektorin des Ludwig-Marum-Gymnasiums, im selben Gebäude befindet sich auch die Geschwister-Scholl-Realschule. Spüren Sie eine besondere Verantwortung, schon aufgrund Ihres Namensgebers?
EngelmannAuf jeden Fall! Die Namensgebung geht ebenfalls auf eine Initiative von Schülerinnen und Schülern zurück. Ludwig Marum war eines der frühsten Opfer der NS-Diktatur – nicht nur, weil er Jude war. Er wurde auch so früh ermordet, weil er Demokrat und überzeugter Politiker war, der als Jurist auf den Rechtsstaat vertraut hat. Wir als Schule haben das schon immer als Verpflichtung für uns wahrgenommen, uns ganz besonders mit diesen Thematiken auseinanderzusetzen.