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Symptome erkennen

Wie ich meinem Problemhund helfen kann: 7 Tipps für traumatisierte Tiere

Die ganze Familie freut sich auf den neuen Hund - und nun will er sich weder streicheln lassen noch an der Leine Gassi gehen? Wer einen Hund aus dem Tierschutz bei sich aufnimmt, muss mit allem rechnen. Wir haben Tipps für den Umgang mit vorbelasteten Hunden zusammengetragen.

Bram, ein 2-jähriger Vizsla-Labrador Mischling, wartet auf sein Herrchen, der in Kürze mit ihm Gassi geht. Garantierter Auslauf, ausreichend Betreuungszeit für Welpen: Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) will strengere Regeln für Tiertransporte und Hundezüchter erlassen. Tierschutz- und Hundehalterverbände begrüßen den Vorstoß grundsätzlich. Für einige könnte er aber noch weiter gehen. +++ dpa-Bildfunk +++
Auch Hunde können unter Posttraumatischen Belastungsstörungen leiden - wie Kriegsveteranen. Solche Tiere brauchen viel Geduld, häufig einen Hundetrainer und manchmal Medikamente. Foto: Annette Riedl picture alliance/dpa

Etwas Gutes tun, einem Tier eine zweite Chance geben: Die meisten Menschen, die einen Hund aus dem Tierschutz bei sich aufnehmen, haben die besten Absichten.

Doch viele unterschätzen die Aufgabe, die auf sie zukommt. Denn jeder aus dem Tierschutz vermittelte Hund hat eine Vorgeschichte, manche sogar ein schweres Trauma, das zu vielen Problemen im Alltag führen kann.

Was tun, wenn der angeblich so pflegeleichte „Familienhund“ sich plötzlich als Problemtier herausstellt? Die BNN haben Hundehalter, Tierschützer und einen erfahrenen Hundetrainer befragt und folgende Tipps zusammengetragen:

1. Vorher gut informieren

Das klingt wie eine Binsenweisheit, aber bestimmte Überlegungen sollte man anstellen, bevor man sich eines womöglich vorbelasteten Tieres annimmt. „Bei einem Hund aus dem Tierschutz weiß man nie, was auf einen zukommt“, sagt Lisa W., eine Tierschützerin und erfahrene Hundehalterin aus dem Enzkreis. „Man sollte sich vorher fragen, ob man bereit ist, alles mit dem Tier durchzustehen und sich notfalls auch Hilfe von einem Hundetrainer zu holen.“

Thomas Kern, der eine Hundeschule mit Standorten in Karlsruhe und Emmendingen betreibt, stellt fest, dass immer mehr Menschen, die mit traumatisierten Hunden zu ihm ins Training kommen, gut Bescheid wissen. Aber immer wieder sind unter den Hilfesuchenden auch Familien, die bei der Vermittlung ihres Hundes nicht ausreichend informiert wurden. „Einer Familie wurde beispielsweise gesagt, dass der Hund keine Probleme mit Katzen habe.

Nun kämpfen sie schon ein Jahr, weil der Hund mit der Familienkatze eben doch nicht zurechtkommt.“ Man müsse wissen: Tierschützer seien nicht zwingend auch fit im Thema Hundetraining. Deshalb empfiehlt es sich, vorher genau nachzufragen, was über den Hund alles bekannt ist. Häufig gibt es auch die Möglichkeit, den Hund vor der Übernahme kennenzulernen - etwa bei ein paar gemeinsamen Spaziergängen.

2. Versuchen, den Hund zu verstehen

Ehemalige Straßenhunde aus dem Ausland haben in ihrem neuen Alltag häufig große Angst. Das liegt daran, dass die wichtige Prägephase im Welpenalter ungenutzt verstrichen ist. Dann fehlen wichtige Erfahrungen, die Hunde hierzulande ganz selbstverständlich in ihren ersten Lebenswochen machen.

Dazu gehören das Autofahren, Hundeboxen, Fahrstühle oder Hundeleinen. Die simpelsten Alltagsgeräusche sind ihnen unbekannt oder mit negativen Erfahrungen verknüpft und versetzen sie deshalb in Furcht und Schrecken. Wenn ein Hundehalter versteht, warum sich der Hund so verhält, kann er mit unerwünschten Verhaltensweisen besser umgehen.

3. Trauma erkennen

Woran erkennt man einen traumatisierten Hund? Das kann Hundetrainer Thomas Kern in eine ganz einfache Formel fassen: „Ein traumatisierter Hund verhält sich nicht wie ein normaler Hund im Alltag.“ Ein vorbelasteter Hund sei unsicher, schreckhaft und habe Angst vor alltäglichen Dingen wie Autos, Baustellen, Menschen, Geräuschen oder Gerüchen.

Werde er mit den Auslösern seiner Angst konfrontiert, könne das eine ganze Reihe unerwünschter Verhaltensweisen auslösen: Der Hund weicht aus, zittert, versteckt sich, rennt weg oder kotet sich sogar ein. Viele Problemhunde lassen sich zudem nicht gerne anfassen, zeigen bei unerwünschter Annäherung die Zähne oder schnappen sogar.

4. Geduld mitbringen

Diesen Tipp darf man mit Recht als zentral ansehen. Psychische Probleme lassen sich weder beim Menschen noch beim Hund mit Hauruck-Methoden lösen. Stattdessen sind Geduld und Ausdauer gefragt.

Die gute Nachricht von Hundetrainer Thomas Kern ist: Die überwiegende Mehrzahl der vorbelasteten Hunde lässt sich trainieren, lernt mit der Zeit erwünschtes Verhalten und lässt instinktive Angstreaktionen hinter sich.

5. Hilfe holen

Mit kleinen Problemen werden Hund und Halter vielleicht alleine fertig. Doch bei schlimmeren Verhaltensstörungen muss in der Regel ein Tiertrainer ran. Am besten einer, der sich mit traumatisierten Hunden auskennt, denn nicht jeder Hundetrainer hat eine Ausbildung, die dies einschließt, oder Erfahrung mit vorbelasteten Tieren.

„Wichtig beim Training ist, dass man auf den Charakter des Hundes eingeht“, sagt Thomas Kern. So dürfe man gegenüber einem ängstlichen Hund niemals laut werden oder ihn gar anschreien, das sei kontraproduktiv und verstärke seine Probleme in der Regel.

Reicht das Hundetraining nicht aus, um die Probleme des Tiers in den Griff zu bekommen, kann auch ein Besuch beim Tiermediziner hilfreich sein. Es gibt sogar Naturheilpraktiker, die sich auf Tiere spezialisiert haben. „Stimmungsaufheller und die richtige Ernährung können ergänzend zum Training hilfreich sein“, so die Erfahrung des Hundetrainers.

6. Training im Alltag fortsetzen

Einmal die Woche Training und gut ist? Leider nein. Auch im Alltag ist Durchhaltevermögen gefragt. Die im Hundetraining gelernten Methoden müssen möglichst konsequent umgesetzt werden, damit das Training nachhaltig wirkt.

Die gute Nachricht ist: Tut man das konsequent, gehen die erlernten Verhaltensweisen schnell in Fleisch und Blut über. Sowohl beim Hund als auch beim Menschen.

7. Hartnäckige Macken akzeptieren

Jeder Hund hat seine Vorgeschichte. So wie man bei einem Kriegsveteranen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung nicht erwarten würde, dass er nach einer Therapie alle Probleme los ist - so wenig realistisch ist dies bei einem Hund.

Auch das beste Training wird den Hund seine negativen Erfahrungen nicht völlig vergessen lassen. Wenn der Alltag mit dem Hund gut läuft, ist das ein Riesenerfolg, und kleinere Macken sollte man als Teil des Charakters betrachten.

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