Skip to main content

Klimaserie: Andreas Hintz im Interview

Brettener Klimaschutzmanager: „Es geht auch um die Frage der Gerechtigkeit“

Der Brettener Klimaschutzmanager Andreas Hintz über den Beitrag, den jeder leisten kann, und wie er die Ergebnisse der Klimakonferenz einschätzt.

Ein Mann vor Bildschirmen
Andreas Hintz sieht viele Möglichkeiten, wie Bürgerinnen und Bürger zum Gelingen der Klimawende beitragen können. Foto: Marcel Winter Stadt Bretten

Seit März 2022 ist Andreas Hintz als Klimaschutzmanager für die Stadt Bretten und die Gemeinde Gondelsheim im Einsatz und soll unter anderem dafür sorgen, dass die Kommunen und ihre Verwaltungen bis 2035 klimaneutral sind.

Hintz hat an der Universität Ulm nachhaltige Unternehmensführung studiert und mit einem Master of Science abgeschlossen. Bretten ist seine erste berufliche Station. Eine klimaneutrale Stadt zu erreichen, ist für ihn eine gesamtgesellschaftliche Zukunftsaufgabe. Doch wie sieht der Weg dahin aus? Und was kann jeder Einzelne dafür tun?

Bereitschaft der Menschen in Bretten ist hoch

Was sagen Sie denn zu dem immer wieder vorgebrachten Einwand: „Was kann denn der Einzelne schon ausrichten? Das hat doch angesichts der globalen Dimension des Problems gar keinen Sinn!”
Andreas Hintz
Jeder von uns ist aufgrund seines Handelns für die Emission von Treibhausgasen verantwortlich, ergo kann und muss auch jeder einen Beitrag zur Treibhausgasreduktion leisten und somit dazu beitragen, den fortschreitenden Klimawandel abzuschwächen. 
Wie kann denn der oder die Einzelne einen Unterschied machen?
Andreas Hintz
Es fängt schon an bei bewusst klimafreundlichen Konsum-Entscheidungen. Denn Angebot und Nachfrage regeln den Markt. Und das wiederum hat Einfluss auf das, was und wie produziert wird. Dabei geht es nicht nur um das Nachfragen nach klimafreundlicheren Produkten. Auch bei Dienstleistungen und der Energieversorgung kann jeder gute Entscheidungen für das Klima treffen. Konsumenten besitzen mehr Marktmacht, als sie üblicherweise glauben. 
Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten?
Andreas Hintz
Jeder oder jede Einzelne hat auch Einfluss auf das Gesamtsystem und kann somit Veränderungen durch individuelle Entscheidung auf systemischer Ebene vorantreiben: Etwa bei Wahlen, indem man sich für Parteien entscheiden, die mehr Klimaschutz durchsetzen wollen. Auch das Konsum- und Reiseverhalten lässt sich ändern. Für besonders wichtig halte ich auch, Klimaschutz aktiv vorzuleben, um andere zu motivieren, selbst für Klimaschutz aktiv zu werden. Arbeitnehmer können überdies auch in ihren Firmen Einfluss im Blick auf mehr Klimaschutz nehmen.
Das ist doch alles ziemlich teuer und mühsam. Warum sollen wir das auf uns nehmen?
Andreas Hintz
Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen, die die Hauptleidtragenden des Klimawandels sein werden. Und wir haben eine soziale Verantwortung. Denn es geht auch um Gerechtigkeit: Wir leben auf Kosten anderer: Der globale Norden ist Hauptverursacher des Klimawandels, einer der Hauptleidtragenden ist der globale Süden. Und nicht zuletzt drängt die Zeit. Natürlich kostet Klimaschutz Geld. Kein Klimaschutz heute bedeutet jedoch viel höhere Kosten in der Zukunft in Hinblick auf die Folgen und Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels.
Wo sehen Sie die wichtigsten Stellschrauben, an denen ganz normale Bürger mit drehen können? 
Andreas Hintz
Wenn wir uns den CO2-Fußabdruck eines Normalbürgers in Deutschland anschauen, dann verbraucht er im Jahr für Wohnen zwei Tonnen CO2, für Strom 0,5 Tonnen, für Mobilität 2,2 Tonnen, für Ernährung 1,8 Tonnen, für sonstigen Konsum 2,9 und für die öffentliche Infrastruktur 1,2 Tonnen. Das sind in Summe über zehn Tonnen. Um das Klimaziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müsste die Menge aber kleiner als eine Tonne sein. Eine Reduktion um 90 Prozent wäre nötig. Das bleibt also für jeden Einzelnen sehr viel Spielraum, um aktiv zu werden.
Wo und wie können sich die Leute noch besser über Einsparmöglichkeiten informieren?
Andreas Hintz
Das Land Baden-Württemberg hat ein Klima-Sparbüchle und ein Energie-Sparbüchle herausgegeben. Darin enthalten sind viele Tipps in den Bereichen Energie, Konsum, Ernährung und Mobilität, an denen man sich orientieren kann. Darunter auch einige Anregungen, die vielleicht noch nicht so ganz ins öffentliche Bewusstsein eingedrungen sind.
Welche sind das zum Beispiel?
Andreas Hintz
Die meisten Kühlschränke etwa sind zu kalt eingestellt. Auch bei der Wasch- oder Spülmaschine kommt man oft mit geringeren Temperaturen aus. Ein Grad weniger bei der Raumtemperatur spart bis zu sechs Prozent Heizenergie. Energie einsparen lässt sich auch, wenn man beim Mailverkehr regelmäßig alte Mails löscht und Streamingzeiten reduziert. Denn Videos online streamen benötigt viel Energie. Und eine Online-Bestellung von Schuhen inklusive Retoure kostet rund ein Kilogramm CO2
Wie erleben Sie die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger in Bretten und Umland, bei der Energiewende mitzuwirken? 
Andreas Hintz
Das Interesse der Bürgerschaft ist definitiv hoch. Das sehen wir etwa beim hohen Besucheraufkommen bei den Nachhaltigkeits- und Energiewendetagen des Landes Baden-Württemberg, an dem die Stadt Bretten auch teilnimmt. Dabei wirkten unter anderem auch verschiedene Vereine aus der Stadt mit – wie der Nabu-Arbeitskreis Klimaschutz, die Omas For Future, Carsharing-Anbieter, die Reparatur-Bar sowie die Foodsharer. Auch die Energiewendemesse 2023 von Nabu Bretten und dem Initiativkreis Energie Kraichgau war gut besucht. 
Gerade ging die Klimakonferenz in Dubai zu Ende. Wie bewerten Sie die Ergebnisse dieser Konferenz?
Andreas Hintz
Positiv sehe ich, dass die Welt zusammenkommt, den Klimawandel thematisiert und versucht, Lösungen zu finden, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Denn dafür werden alle wichtigen globalen Akteure aus der Politik benötigt. Positiv bewerte ich auch den Aufbau eines gemeinsamen Fonds zum Ausgleich klimabedingter Schäden und das Festhalten an einem schrittweisen Ausstieg aus der Kohle. Ebenso das gemeinsame Bekenntnis zum Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Die beschlossenen Maßnahmen halte ich allerdings für zu gering, ebenso die Mittel des Fonds. Um wirklich etwas zu bewirken, muss der Ausstieg aus den fossilen Energien verbindlich beschlossen werden. Wenn jedoch der diesjährige Präsident der Weltklimakonferenz dies anders sieht, dann ist dieses Vorhaben schwer umsetzbar.
nach oben Zurück zum Seitenanfang