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Täter setzen KI ein

Polizist warnt in Bretten: Opfer von Enkeltricks und Schockanrufen werden jünger

Enkeltricks, Schockanrufe, „falsche Polizisten“: Betrüger verursachen in der Region Karlsruhe einen immensen Schaden. Warum jetzt auch KI zur Bedrohung wird.

Ein Mann hält vor etwa 30 sitzenden Zuhörerinnen und Zuhörern einen Vortrag. Der Polizeibeamte klärt im Brettener AWO-Jugendhaus über Betrugsmaschen auf.
Über 1,2 Millionen Euro Gesamtschaden haben Betrüger 2022 im Gebiet des Polizeipräsidiums Karlsruhe mit Enkeltricks, Schockanrufen oder als falsche Polizeibeamte angerichtet. Polizeihauptkommissar Michael Ottwaska klärte auf Einladung des VdK in Bretten auf. Foto: Tom Rebel

Enkeltricks, Schockanrufe und sogenannte „falsche Beamte“ fordern die Polizei dieser Tage heraus. Das war der Tenor eines Vortrags von Polizeihauptkommissar Michael Ottwaska.

Der VdK Bretten hatte ihn als Experten zum Thema gewonnen. Rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten am Samstag im AWO-Jugendhaus gespannt. Sie stellten Fragen und berichteten von eigenen Erfahrungen.

„Die Opfer werden jünger“, sagte der Hauptkommissar. „Wir haben schon 50-Jährige.“ Er erlebe, dass „die Täter immer raffinierter und ihre Technik immer ausgefeilter“ werde. Sie arbeiten oft in organisierten Banden, von regelrechten Callcentern aus.

„Der Polizei sind zwei bekannt in der Türkei und im Baltikum“, so Ottwaska, „und sie sprechen perfekt Deutsch und sind gut geschult.“ Wechselnde Herangehensweisen erschwerten die Polizeiarbeit, ob bei Aufklärung oder Prävention.

Ein Senior meldete sich aus den Reihen zu Wort, Eugen Fuchs. „Ich erhielt einen Anruf, angeblich von der Polizei in Stuttgart“, sagte er. „Der sagte, ich möchte ihre Frau sprechen“, so Fuchs. „Da sagte ich, ich auch und hab aufgelegt.“ Damit hatte der Pfarrer im Ruhestand die Lacher auf seiner Seite. Doch nicht immer gehen die Betrugsversuche glimpflich aus.

Falsche Polizisten verursachen 2022 über 670.000 Euro Schaden in der Region Karlsruhe

Die Polizei hat 2022 Ottwaska zufolge im Gebiet des Präsidiums Karlsruhe doppelt so viele Enkeltricks und Schockanrufe registriert wie 2021. Die Täter versuchten so 576 Mal Geld zu ergaunern. Die Fallzahlen verdoppelten sich hier verglichen zum Vorjahr beinahe, so Ottwaska.

2022 wurden zudem 885 Taten von „falschen Polizeibeamten“ festgehalten, 40 Prozent mehr als 2021, so Ottwaska. Meist blieb es beim Versuch. Aber die 22 vollendeten Fälle führten zu Schäden von 671.382 Euro. 14 Fälle hat die Polizei bislang aufgeklärt.

Obwohl es auch hier meist beim Versuch blieb, entstanden bei 24 vollendeten Enkeltricks und Schockanrufen Schäden von 642.318 Euro. Elf Taten wurden aufgeklärt. Die Taten hinterlassen neben finanziellen Verlusten auch tiefe Betroffenheit bis Verstörung.

Täter suchen gezielt nach älter klingenden Vornamen im Telefonbuch

Ottwaska fragte in die Runde, ob jemand Eugen, Adelheid oder Walter heiße. Als sich eine Ingrid meldete, dankte er, „denn die Täter suchen im Telefonbuch eigens nach älter klingenden Namen.“

Zustimmendes Gemurmel ist zu hören. Helfen könne es, wenn Einträge im Telefonbuch auf den ersten Buchstaben des Vornamens gekürzt würden.

Hauptkommissar: Künstliche Intelligenz wird uns noch überrollen

Ottwaska nannte Beispiele, wie geschickt Täter per WhatsApp oder am Telefon Namen von Enkeln oder Kindern erführen. Spreche man sie auf die komische Stimme an, erklärten sie das mit einer Erkältung.

„Und inzwischen gibt es Fälle, in denen Stimmen durch KI, also Künstliche Intelligenz, täuschend echt simuliert werden“, so Ottwaska. „Das wird uns noch überrollen“ fürchte er.

Gefährlich sei auch die Masche, die Opfer psychisch überfordere. „Da ruft eine Frau an und weint jämmerlich am Telefon“, schilderte Ottwaska. Dann übernehme oft ein Mann das Gespräch und erkläre dem angerufenen Senior, er sei Polizist.

Hauptkommissar warnt in Bretten vor falschen Ärzten und falschen Beamten

Er bedaure, aber die weinende Tochter habe eine junge Mutter überfahren. Abzuwenden sei das Gefängnis aber durch Kaution. „Oft verlangen die Täter einen Betrag von 40.000 Euro“, so Ottwaska.

Oder es melde sich ein falscher Arzt, das Kind oder Enkelchen liege auf der Intensiv-Station. Es helfe nur ein neues Medikament. Das koste per Vorkasse 3.000 Euro.

Der Hauptkommissar klärte zu solchen Fallkonstruktionen auf: „Weder kommt jemand in Deutschland wegen eines Unfalls ins Gefängnis, noch zahlen deutsche Staatsbürger Kaution. Das ist alles Unsinn“, so Ottwaska.

Die Polizei wird Sie weder mit der Nummer 110 anrufen noch holt die echte Polizei Wertsachen ab.
Michael Ottwaska
Polizeihauptkommissar, Referat Prävention in Karlsruhe

In einem Kurzfilm, den Ottwaska zeigte, versetzten falsche Beamte einen Senior am Telefon in Angst. Bei einem Einbruch in der Nachbarschaft sei einer der Räuber entkommen. In einer Tasche fand die vermeintliche Polizei eine Liste mit Namen und Adressen, auch die des Angerufenen.

So bewegten falsche Beamte ihre Opfer, den falschen Polizisten Werte auszuhändigen. „Die Polizei tut dergleichen aber niemals“, betonte Ottwaska. „Die Polizei wird Sie weder mit der Nummer 110 anrufen noch holt die echte Polizei Wertsachen ab.“

Ottwaska informierte abschließend über Sicherheitsvorkehrungen beim Reisen, Geldabheben oder an der Haustür. Und er übergab einer Zuhörerin ein neues, hilfreiches Utensil der Polizei Karlsruhe: Auf dem Brillenputztuch ist das richtige Vorgehen bei Betrugsversuchen in Kürze festgehalten.

Zuhörerin Ursula Timm hat auch Erfahrungen mit Telefonbetrügern gemacht, sagte sie. „Ich habe aber einfach aufgelegt.“ Sie hätte „nicht gedacht, wie präzise die Täter vorgehen.“

Andere Zuhörer kannten E-Mails mit Gewinnversprechen. Und ein weiterer warnte vor Erpressungsversuchen auf Dating-Portalen im Internet. Er selbst habe über Tage eine Vertrauensbeziehung zu einer Frau aufgebaut, bis die ihn nach Geld für ein Ticket fragte, damit man sich kennenlerne.

Auf einem Tisch hatte Ottwaska sodann unter anderem Broschüren ausgelegt. Die Zuhörer nahmen auch dieses Angebot gerne zur Kenntnis und Nützliches mit nach Hause. Und Ottwaska empfahl die kriminalpolizeiliche Beratungsstelle, unter anderem zur Einbruchssicherung.

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