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Pädophiler Schwimmlehrer

Missbrauchsprozess in Baden-Baden: Täter wird im Gefängnis schikaniert und geprügelt

Kommt der Baden-Badener Schwimmlehrer, der zahlreiche Mädchen missbrauchte, nach seiner Haft in Sicherungsverwahrung? Darum geht es aktuell am Landgericht.

Kinder nehmen am 06.10.2017 an einem Schwimmkurs für Kinder der DLRG im Monte Mare Schwimmbad in Bedburg (Nordrhein-Westfalen) teil. Experten fordern besseren Schwimmunterricht für Grundschulkinder. (zu dpa «Abgesoffen - Experten kritisieren Schwimmunterricht in Schulen» vom 08.10.2017) Foto: Rolf Vennenbernd/dpa ++ +++ dpa-Bildfunk +++
In der Region endeten Unterrichtsstunden für zahlreiche Mädchen mit erschütternden Missbrauchserfahrungen. Der Baden-Badener Schwimmlehrer steht aktuell erneut vor Gericht. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Als Missbrauchstäter steht Dimitri T. im Gefängnis auf der untersten Stufe der Hackordnung – dies betont sein Verteidiger Klaus Kuld vor dem Landgericht Baden-Baden: „Deshalb wird er auch zusammengeschlagen.“

Schon mehrfach sei sein Mandant hinter Gittern zum Opfer von Körperverletzungen geworden. Manche Mitgefangene riefen ihm entgegen: „Da kommt der Kinderficker“, so schildert Kuld die Schikane und entschuldigt sich zugleich für den drastischen Ausdruck. „Und sein Kühlschrankfach wurde von außen mit Kot beschmiert.“

Gefängnis-Psychologe und Sozialpädagogin sagen aus

Der frühere Schwimmlehrer Dimitri T. hatte sich reihenweise an kleinen Mädchen vergangen und die Taten teilweise auch gefilmt. Für sexuellen Missbrauch in mehr als 130 Fällen wurde der Baden-Badener bereits 2018 zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Aktuell steht der Serientäter erneut vor Gericht, weil die Frage zu klären ist, ob er nach seiner Gefängnisstrafe freikommt oder weggesperrt bleibt. Das Landgericht Baden-Baden hatte in seinem Urteil zwar eine Sicherungsverwahrung verhängt, doch der BGH rügte die Begründung.

Am ersten Tag der neuen Verhandlung sind ein Psychologe und eine Sozialarbeiterin als Zeugen geladen. Sie arbeiten in der Offenburger Justizvollzugsanstalt mit Dimitri T.

Sexualstraftäter schiebt Schuld weiterhin auf einen Ex-Chef

Vor Gericht sollen sie nun schildern, wie offen der Verurteilte für eine Therapie ist und wie er mit seiner Schuld umgeht. Folgt man den Aussagen der Sozialarbeiterin, dann stellt sich der 38-Jährige nur einem kleinen Teil seiner Verantwortung.

In einem Opfer-Empathie-Training habe der Häftling gesagt, er sei zu den kinderpornografischen Aufnahmen gezwungen worden. Von wem? „Von seinem Chef, unter der Drohung, dass seiner Familie etwas passiert“, erklärt die Zeugin auf Nachfrage.

Ein emotionaler Zugang schien ihm kaum zu gelingen.
JVA-Sozialpädagogin über Dimitri T’s Verständnis für die Opfer

Auch im Prozess vor fünf Jahren hatte Dimitri T. einen Schwimmschulen-Betreiber, für den er nebenberuflich arbeitete, als Drahtzieher beschuldigt. Das Gericht wertete diese Aussage damals als Schutzbehauptung – zumal der Schwimmlehrer nur einen Teil seiner Sexualstraftaten filmte.

Auch in dem Einfühlsamkeitstraining habe er nur über das belastende Bildmaterial gesprochen, sagt die Sozialarbeiterin. Sie habe ihn auf diese „Diskrepanz“ zwischen der langen Tat-Liste und dem Eingeständnis hingewiesen. „Kleine Fortschritte“ bescheinigt die Zeugin dem Sexualstraftäter.

Er habe darüber sprechen und schreiben können, dass die missbrauchten Kinder wahrscheinlich Angst und Scham durchlitten, wenn sie bei der Polizei über das Erlebte sprechen mussten. Wie sich die Opfer dabei fühlten, habe der Täter aber nicht wirklich nachvollziehen können.

„Ein emotionaler Zugang schien ihm kaum zu gelingen“, sagt die Sozialarbeiterin vor Gericht. Schriftliche Hausaufgaben zu diesem Thema habe der Verurteilte häufiger überarbeiten müssen: „Herr T. hat sich eher auf eigene Opferanteile fokussiert.“

Er hat sehr ausführlich über Ausgrenzungserfahrungen in seinem Leben erzählt.
René Cuadra über den Sexualstraftäter

Die Opferrolle hat der Deutsch-Ukrainer Dimitri T. nach Darstellung des Offenburger Gefängnis-Psychologen René Cuadra oft erlebt. „Er hat sehr ausführlich über Ausgrenzungserfahrungen in seinem Leben erzählt“, berichtet der erfahrene Diplom-Psychologe über seine Gespräche mit dem verurteilten Ex-Schwimmlehrer.

Als Neunjähriger war Dimitri T. mit seiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland gezogen. Um die deutsche Sprache zu lernen, wurde er zeitweise auf die Förderschule geschickt. Eine Lehre brach er später ab.

In Indien machte er eine Ausbildung zum Mediengestalter, die hierzulande nicht anerkannt wird. Als Bademeister und Schwimmlehrer arbeitete er zeitweise im Kuppenheimer Hallenbad. Dort und in fünf weiteren Hallenbädern der Region beging Dimitri T. seine Taten.

Wie offen ist der verurteilte Sexualstraftäter Dimitri T. für eine Therapie? Das will Opfer-Anwältin Katrin Behringer genauer wissen. Sie vertritt mehrere Familien als Nebenkläger vor Gericht. „Ist er heute bereit, sich einer Diagnostik und Prognostik zu unterziehen?“, fragt die Juristin den Gefängnis-Psychologen Cuadra. Der antwortet: „Wenn er das wäre, hätte ich ihn angemeldet.“

Auch in der Bedrohten-Abteilung der JVA eckt der Häftling an

In der Offenburger JVA ist der Missbrauchstäter in der sogenannten Bedrohten-Abteilung untergebracht – vor allem Sexualstraftäter werden dort vor Übergriffen von Mithäftlingen geschützt. Bei der Arbeit, beim Essen und bei anderen Gemeinschaftsaktionen kommt es dennoch zu Begegnungen mit anderen Gefangenen.

Und selbst in der Bedrohten-Abteilung fühlt sich der Ex-Schwimmlehrer als Mobbing-Opfer, so berichtet es Cuadra. Der Diplom-Psychologe führt das teilweise auch auf Dimitri T’s schwierige Persönlichkeit zurück: Der Häftling könne zwischenmenschliche Situationen schlecht einschätzen.

Er lehnt eine Therapie nicht grundsätzlich ab
Klaus Kuld, Verteidiger von Dimitri T.

Und er könne mit Nähe und Distanz schlecht umgehen – zum Beispiel umarme er ungefragt andere Menschen und rücke sehr nahe an sie heran. „Das ist ein Defizit in seiner Sozialkompetenz“, erklärt Cuadra. Damit handle sich der Häftling bei Mitgefangenen und beim JVA-Personal immer wieder Probleme ein.

Ihm gegenüber sei Dimitri T. durchaus offen. Am Opfer-Empathie-Training habe er Interesse gezeigt, sagt Cuadra. Dass der Sexualstraftäter auch nach fünf Jahren Haft noch keine tiefgreifende Therapie begonnen habe, führt sein Verteidiger auf eher taktische Gründe zurück: Da das gerichtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, könnten Aussagen in Therapie-Sitzungen gegen Dimitri T. verwendet werden. „Er lehnt eine Therapie nicht grundsätzlich ab“, sagt Kuld.

An diesem Freitag sollen weitere Mitarbeiter des Offenburger Gefängnisses als Zeugen aussagen.

Eltern der Opfer blieben der Verhandlung fern

Von den Eltern der missbrauchen Mädchen erschien dieses Mal niemand im Gerichtssaal. „Das will sich niemand mehr antun“, sagt Opferanwältin Katrin Behringer. Die Väter und Mütter hätten sich nochmals zahlreiche Details zu den Missbrauchstaten anhören müssen.

30 Minuten dauert es, als der Vorsitzende Richter Johannes Huber und seine zwei Kollegen nochmals die mehr als 130 Sexualstraftaten verlesen. Wo der Schwimmlehrer die Mädchen im Intimbereich berührte und bedrängte, wie er in einige Opfer eindrang, wie lange die Videosequenzen waren, die er davon drehte – all diese Fakten werden eingangs genannt.

Beim ersten Anlauf für das neue Verfahren im November 2022 hatten sich dieser Prozedur noch einige wenige Eltern ausgesetzt – mit sichtlicher Betroffenheit. Da Verteidiger Kuld damals die Vernehmung des JVA-Psychologen zusätzlich beantragte, musste das Verfahren auf dieses Jahr verschoben werden. Und da Strafrechtsprozesse maximal drei Wochen lang unterbrochen werden dürfen, ging alles nochmal von vorne los.

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